OberbergKreis kämpft verzweifelt gegen steigende Zahlen
Oberberg – In der Kreisverwaltung hat zum zweiten Mal in diesem Jahr das große Stühlerücken begonnen. Alles wird konzentriert auf die Aufgabe, die Corona-Pandemie möglichst noch einzudämmen, ehe die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem noch ernster werden. Der Kampf wird zunehmend verzweifelter. Gestern Morgen wurden 65 neue Fälle vermeldet, die Sieben-Tage-Inzidenz stieg knapp unter die Marke von 100, die bis am heutigen Donnerstag übersprungen werden könnte.
„Das Gesundheitsamt arbeitet an der absoluten Grenze der Belastbarkeit“, sagt Kreisdirektor Klaus Grootens. Allein am vergangenen Wochenende seien 50 Mitarbeiter im Einsatz gewesen. 17 Uhr Feierabend – daran ist sowieso nicht zu denken. „Im Gesundheitsamt brennen die Lichter nicht selten um 21 Uhr auch noch “, sagt Grootens: „Es geht nicht mehr um einzelne Krankheitsfälle, es geht um den Schutz der Bevölkerung!“
Zentrale Aufgabe: Nachverfolgung
Und diesem Ziel ordnet der Kreis gerade alles unter. Inzwischen wurden wieder 104 Mitarbeiter aus anderen Abteilungen abgezogen, um im Gesundheitsamt oder am Bürgertelefon zu helfen. Noch in dieser Woche werden die Spitzen der neuen Kreistagsfraktionen informiert, welche Aufgaben der Kreisverwaltung deutlich zurückgefahren werden müssen.
Zentrale Aufgabe bleibt die Nachverfolgung möglichst aller Kontakte, die ein Infizierter hatte. Das wird mit der wachsenden Zahl der Infektionen immer schwieriger. Zumal es nicht mehr das eine große Ereignis gibt, von dem aus sich die Infektion ausbreitet, sondern zahllose kleine: Familienfeiern, Freundestreffen, Schulen, Kitas, die Umkleidekabinen im Sportverein und, und, und . . .
Asymptomatische Fälle machen Probleme
Immer mehr zum Problem werden asymptomatische, meist junge Leute, die ohne Anzeichen für eine Erkrankung das Virus in sich tragen und länger als andere weiterverbreiten. Stand Mittwoch, 0 Uhr, waren 361 Oberberger laborbestätigt infiziert. Sie hatten vor ihrem positiven Testergebnis vermutlich Kontakte zu Hunderten von anderen Personen. Diese alle ausfindig zu machen und zu kontaktieren, ist gerade das Hauptproblem der Behörden. Möglichst alle sollen erreicht und je nach Ausgang eines persönlichen Telefonats zum Testen und in Quarantäne geschickt werden.
Das Einhalten der Auflagen und der Gesundheitszustand der Betroffenen sollen durch regelmäßige weitere Telefonate überwacht werden. Kommen dabei Zweifel auf, dass die Auflagen befolgt werden, informiert der Kreis die lokalen Ordnungsämter, die ohnehin über jeden Infektionsfall in ihrem Beritt Bescheid wissen. Erreichen auch die nichts, „hilft die Polizei gerne“, verspricht Grootens.
Stellen werden augestockt
Bereits im Frühjahr waren 200 Mitarbeiter aus anderen Bereichen der Kreisverwaltung zur Kontaktverfolgung abgeordnet worden. Als die Zahlen nach einer Erholungsphase im Sommer wieder stiegen, schickte die Bundeswehr Mitte September zehn Soldatinnen und Soldaten zur Unterstützung. Gerade wurde ihre Zahl auf 15 aufgestockt und ihr Einsatz bis zum Jahresende verlängert.
Und die Hälfte der von der Politik kurz vor den Herbstferien genehmigten 30 befristeten Stellen für die Kontakt-Nachverfolgung kann zum 1. November besetzt werden. 16,5 feste Stellen hat der Kreistag außerdem für das Gesundheitsamt bewilligt. Die ersten zusätzlichen Ärzte habe man auch schon gefunden, weitere Stellen sind ausgeschrieben.
„Wir kommen an die Grenze des Machbaren.“
Grootens weiß, dass er nicht endlos immer mehr Personal in die Corona-Eindämmung stecken kann. „Wir kommen an die Grenze des Machbaren, aber Aufgeben ist keine Option.“ 350 Corona-Tests führt der Kreis aktuell an seinen vier Stationen im Schnitt täglich durch, seit März insgesamt 23 000. Dazu kommt noch eine nicht zentral erfasste Zahl an Tests in Krankenhäusern und Arztpraxen.
Weiterhin getestet werden soll in den Alten- und Pflegeheimen. Niedergelassene Ärzte können dort schon jetzt Abstriche vornehmen, die Kosten übernimmt der Kreis. Im Rahmen einer neuen Teststrategie des Bundes soll jede Einrichtung jetzt ein Kontingent an Schnelltests bekommen, die Bewohner beobachten und bei ersten Anzeichen testen. Fällt der Schnelltest auf das Virus positiv aus, wird sofort das Gesundheitsamt eingeschaltet. Doch bislang ist diese Initiative des Bundes nicht in örtliche Regelungen umgesetzt. Man warte darauf, dass das Land die Verteilung der Schnelltests regele, sagt Grootens.
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24 Menschen liegen derzeit auf den Isolierstationen der Krankenhäuser, darunter auch zunehmend jüngere Patienten ohne Vorerkrankungen, aber mit schwerem Krankheitsverlauf. In einer Telefonkonferenz Anfang der Woche mit den Verwaltungsleitern und den ärztlichen Direktoren aller oberbergischen Akut- und Rehakliniken hätten die Verantwortlichen ihre deutliche Sorge über die Entwicklung ausgedrückt: „Noch sind wir nicht in Not. Die aktuelle Situation ist beherrschbar, aber schon eine ganz andere als noch vor wenigen Wochen.“