Im KrisengebietOberbergische Notfallseelsorger in Erftstadt-Blessem im Einsatz
Oberberg/Erftstadt – Pfarrer Marc Platten sprach mit einer Erftstädterin, deren Haus direkt an der Abbruchkante der überfluteten Kiesgrube in Blessem steht: „Sie wusste nicht mehr weiter. Fragte mich, wie sie das alles ihrem kleinen Kind beibringen soll.“
Es sind schwierige Gespräche, die der Bergneustädter Platten und seine Kollegen von der Notfallseelsorge seit Wochenbeginn im Katastrophengebiet südwestlich von Köln führen. Die Oberberger gehören zu einer großen Gruppe Notfallseelsorger, die vom Landespfarramt in das verwüstete Gebiet entstand werden. Dort stehen viele Menschen tatsächlich vor den Trümmern ihrer Existenz.
Noch nie so eine Situation erlebt
Platten ist evangelischer Pfarrer in Bergneustadt, steht seit 2006 als Notfallseelsorger vielen Menschen in Krisensituationen bei. Doch mit einer Situation wie der in Erftstadt war auch er noch nie konfrontiert. Schon die Anfahrt sei bemerkenswert gewesen, schildert der 46-Jährige.
Horst Rau von der Marienhagener Kirchengemeinde brachte ihn und seine Kollegin Sandra Veith mit dem Bus der Notfallseelsorge in das Katastrophengebiet. Je näher sie kamen, desto mehr Einsatzkräfte und Sperrmüllberge sahen sie. Veith positionierte sich an den Absperrungen zu den von den Fluten zerstörten Wohngebieten, Platten ging in einer zum Notfallzentrum umfunktionierte Schule.
Koordination von Oberberg aus
Den Einsatz der Oberberger koordiniert Sigrid Marx von der evangelischen Gemeinde in Hülsenbusch-Kotthausen. Die Diakonin hat erst zum 1. Juli die Leitung der Notfallseelsorge übernommen. Das Telefon in ihrem heimischen Büro steht seit Tagen kaum mehr still. Seit vergangenem Montag waren insgesamt acht Oberberger vor Ort in Erftstadt, am Sonntag fahren noch mal drei – auch Marx selbst.
Trotz der überwältigenden Fernsehbilder sei sie ob des bevorstehenden Einsatzes nicht nervös, sagt Marx: „Ich möchte in Erftstadt Ruhe verbreiten, viel Zeit zum Reden bringen, den Menschen signalisieren: Ihr seid nicht alleine!“ Genau so lässt sich die Aufgabe der Notfallseelsorger, von denen jeder eine spezielle Ausbildung durchlaufen hat, zusammenfassen.
Viel Redebedarf
Pfarrer Platten hat erlebt, wie offen, wie redebedürftig viele Betroffenen sind. „Die vorherrschende Emotion ist bei allen Verärgerung“, hat er beobachtet: „Die Menschen fühlen sich von den Behörden unzureichend informiert. Sie wollen wissen, wann und ob überhaupt sie in ihre Häuser zurückkehren können.“
Diese Ungewissheit zermürbe viele. „Sie berichten von schlaflosen Nächten, Zukunftsängsten.“ Erst am Donnerstag erlaubten es die Verantwortlichen, dass einige der Evakuierten wieder in ihr Heim zurückkehren – um binnen weniger Minuten wenigstens ein paar persönliche Dinge zu retten.
Mit den Menschen sprechen
Der Job der Notfallseelsorger ist es, zuzuhören. Sie gehen auf die Menschen zu und sprechen sie an. „Denn vielen sieht man ja an, dass sie verzweifelt sind, dass sie jemanden zum Austausch brauchen“, erklärt Marx. Weil alle Notfallseelsorger lilafarbene Einsatzjacken tragen, sind sie gut erkennbar. Die wird auch Marx tragen, wenn sie am Sonntag zur nicht mal einstündigen Fahrt nach Erftstadt aufbricht. Die Notfallseelsorger arbeiten dort in zwei Schichten, von 6 bis 14 Uhr und von 14 bis 22 Uhr. Nach getaner Arbeit geht es für sie dann wieder nach Hause, in die eigenen vier Wände.
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Und wer hilft den Notfallseelsorgern dabei, die Eindrücke zu verarbeiten? „Die Supervision, also Gespräche im Team, sind ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit“, erklärt Marx: „Wir müssen darauf achtgeben, dass wir auch selbst ohne emotionalen Schaden aus solchen Situationen rauskommen.“