NS-ZeitWarum die Spuren der Oberberger Juden nur schwer zu finden sind
Oberberg – Köln war „die letzte Zwischenstation vor der Vernichtung“, so der Titel der Veranstaltung in der Halle 32, in der Lokalhistorikerin Birte Klarzyk aus Köln über die Wege, auf denen oberbergische Juden von den Nazis in die Vernichtungslager und den sicheren Tod gebracht wurden, berichtete. Die Oberbergische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit hatte die Mitarbeiterin am Kölner NS-Dokumentationszentrum gewinnen können.
Vorsitzender Wolfgang Birkholz beklagte eingangs die schwierige Forschungslage in Oberberg: Zeitzeugen seien verstorben, es gebe kaum Quellen und: „Die Öffentliche Hand unterstützt die Arbeit nur wenig.“
Jüdische Familien ziehen in die Anonymität der Großstadt
Die Kölner Forscherin beschrieb drei Phasen der Entwicklung anhand der Schicksale ausgewählter oberbergischer Familien. Phase 1: Schon vor 1931 zogen zehn Familien in die Anonymität der Großstadt Köln, so wie Siegmund und Else Löwenstein. Leo und Mary Leeser verließen Waldbröl bereits 1907 und lebten bis 1941 im bürgerlichen Lindenthal. Leeser war als Ingenieur sehr gut integriert. Das Großstadtleben, so eine These der Forscherin, senkte den sozialen Druck, der auf dem Land schon früh spürbar war.
In Köln lockte zudem ein Netzwerk jüdischer Einrichtungen. Man konnte hier eine mögliche Auswanderung vorbereiten. Die jüdische Gemeinde zählte bis 1933 einen Zuwachs von 1000 Mitgliedern pro Jahr.
Leo Löwenstein betrieb ein Textilgeschäft in Gummersbach. Die Machtergreifung der NSDAP verschärfte die Diskriminierung, so mit dem Boykottaufruf gegen jüdische Geschäfte. Die Löwensteins blieben bis zu den Pogromen im November 1938, bei denen nicht nur ihr Geschäft, sondern auch ihre Wohnung zerstört wurden. Am nächsten Tag flohen sie nach Köln. Die zweite Phase hatte begonnen. Auch das Leben in der Metropole war jetzt beherrscht von sozialer Isolation, Ausschluss aus Vereinen und dem kulturellen Leben.
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Nach dem Kriegsbeginn 1939 kamen Ausgehverbote und Rationierung von Lebensmitteln hinzu, dann der sogenannte „Judenstern“ und die Zwangsnamen Sara und Israel in den Ausweisen. Etwa 3000 jüdische Einwohner Kölns mussten Zwangsarbeit leisten. Jüdische Ärzte wurden zu „Krankenbehandlern“ für ausschließlich jüdische Patienten. Das Jüdische Krankenhaus in Ehrenfeld war die letzte erlaubte Klinik und zog Patienten aus dem ganzen Rheinland an. Max Lob aus Remshagen und Emil Herz sind dort im „Asyl“ verstorben.
Sperrbezirke werden 1941 eingerichtet
Phase 3: 1941 wurden Sperrbezirke in Köln eingerichtet. Für Juden blieb ein schmaler Wohnkorridor, bis sie später in „Ghettohäuser“ umziehen mussten. 5500 Juden lebten in 250 dieser Häuser. Auch die verwitwete Emma Buxbaum aus Nümbrecht musste hier einziehen. Aus wenigen Briefen ergibt sich ein Bild der mühsam aufrecht erhaltenen Ordnung im Chaos. In der Venloer Straße 23 lebten rund 60 Bewohner – mit entsprechenden Konflikten, etwa zwischen den frommen Juden und denen, die sich gar nicht mehr als Juden verstanden.
Die letzte Station waren die Holzbarackenlager und die Kaserne im „Fort V“ in Müngersdorf. Alle Ghetto-Insassen wurden hierhin verlegt. Es gibt nur zwei Fotos vom Lager, sie zeigen Überfüllung und Chaos. Acht Personen teilten sich 16 Quadratmeter. Immerhin gab es Besuchsmöglichkeiten, und der Rabbiner hielt Gottesdienste ab. „Die Religion“, sagt Birte Klarzyk, „wurde wieder wichtiger.“ Matsch, Schimmel und Zwangsarbeit prägten diesen letzten Wohnort vor der Deportation. Am Ende warteten in den Deutzer Messehallen 3000 Menschen auf ihren Abtransport. Am 22. und 23. Oktober 1941 brachte die Reichsbahn auch die Familie Bär und Meta Herz mit den anderen Oberbergern ins Ghetto Litzmannstadt (Lodsch). Die letzten Stationen hießen Theresienstadt oder Minsk. Hier wurden sie ermordet.