Das Projekt „Kurve kriegen – Wege aus der Kriminalität“ des Oberbergischen Kreis richtet sich an Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 18 Jahren, die bereits straffällig geworden sind
Programm „Kurve kriegen" gestartetMit Spaß weitere Straftaten verhindern

Projekt „Kurve kriegen' der Kreispolizeibehörde des Oberbergischen Kreis: v. links: Sandy Diedrich (Pädagogische Hilfskraft) und Kriminalhauptkommisarin Nadin Kreißl.
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Auch wer in einem Kanu sitzt und das Paddel in wilde Wogen taucht oder sich an einer Kletterwand in die Höhe arbeitet, der hat vielleicht etwas ausgefressen und ist vor Gericht gelandet. Denn auch Aktivitäten in der Freizeit – wie eben Rudern und Klettern – gehören zum Programm „Kurve kriegen – Wege aus der Kriminalität“, das Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 18 Jahren von weiteren Straftaten abhalten und auf einen guten Kurs bringen soll – keine Belohnung, keine weitere Bestrafung, das ist das Prinzip.
Im vergangenen Juli ist diese Initiative des Ministeriums des Innern auch in Oberberg gestartet, umgesetzt wird sie gemeinsam von Polizei und dem Kreisverband der Caritas. „Zurzeit betreuen wir vier Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 15 Jahren“, berichtet die Hauptkommissarin Nadin Kreißl. Die Polizei ist es, die junge Straftäter auswählt, den Kontakt zu den Familien aufnimmt und die Teilnahme an diesem Projekt empfiehlt. „Ein Muss gibt es nicht, es ist alles freiwillig“, betont die Reichshoferin Kreißl (46).
„Kurve kriegen": Auch Langeweile ist Auslöser
Hat sie mit ihren Gesprächen Erfolg, kommt Sandy Diedrich ins Spiel: Die 33 Jahre alte Pädagogin von der Caritas organisiert wöchentliche Treffen mit den Kindern und Jugendlichen, überlegt, was diesen Spaß macht und ihrem Tun eine neue Richtung geben könnte. „Dazu gehört auch eine erfolgreiche Gestaltung der Freizeit“, sagt die Gummersbacherin. „Denn auch die klassische Langeweile kann dazu führen, dass junge Menschen Unsinn machen und straffällig werden.“
Stets gehe es darum, durch eigenes Handeln etwas in Bewegung zu bringen, etwas zu erreichen, über den eigenen Schatten zu springen. Dafür wiederum holt Diedrich die Anbieter von Jugendhilfe ins Boot, zum Beispiel den Verein Outdoor Oberberg aus Waldbröl. „Wenn die Kinder und Jugendlichen dagegen Probleme mit Wut und Aggressionen haben, vermitteln wir entsprechende Trainings“, ergänzt die Diplom-Pädagogin. Therapie kann „Kurve kriegen“ allerdings nicht leisten. Auch junge Menschen, die bereits als Intensivtäter gelten, kommen dafür nicht in Frage.
Aus der täglichen Arbeit weiß die Polizistin Kreißl, dass auch Kinder Straftaten begehen: „Das ist selten, kommt aber vor.“ Einem bestimmten sozialen Milieu ließen sich die jungen Straftäterinnen und Straftäter nicht zuordnen, betont die Beamtin, „ganz im Gegenteil“. Oft seien die Eltern überrascht, dass Tochter oder Sohn in Konflikt mit dem Gesetz geraten ist. „Sie sind hilflos, wissen nicht, wie sie ihre Kinder behandeln, wie sie mit der weiteren Erziehung umgehen sollen“, sagt Nadin Kreißl. „Da helfen wir ebenfalls.“
„Oft entstehen Straftaten aus einer Gruppe heraus und ohne eine wirkliche Motivation“
Als häufigste Taten nennt sie Gewaltdelikte – dazu gehören auch Mobbing und Beleidigung – und Eigentumsdelikte, etwa Diebstähle. „Wir suchen nach Kindern und Jugendlichen, die bereits mehrfach in Erscheinung getreten und vor Gericht vielleicht auch verurteilt worden sind“, schildert die Beamtin mit Blick auf die enge Zusammenarbeit mit den Jugendsachbearbeitern in Oberbergs Kriminalkommissariaten.
Die Aussagen von Zeugen und die Berichte der Kollegen über das Vergehen und seine Art liefern Kreißl weitere Hinweise, wer für die Aufnahme in das Programm geeignet ist. „Oft entstehen Straftaten aus einer Gruppe heraus und ohne eine wirkliche Motivation“, erklärt die Kommissarin – will sagen: Junge Leute finden die falschen Freunde, geraten in schlechte Gesellschaft und schlittern auf die schiefe Bahn. „Es geht es also nicht um den Streit unter Mädels um einen Jungen, sondern um tatsächliche Delikte.“
Zentren für jugendliche Kriminalität gebe es in Oberberg offenbar noch nicht, sagt Nadin Kreißl. Doch nennt sie größere Kommunen im Kreis als Orte, an denen Jugendliche gern abhängen und auf dumme Ideen kommen. Wie lang die Teilnahme am Programm dauert, das hängt jeweils von den Teilnehmenden ab. Da es in Oberberg gerade erst gestartet ist, gibt es bisher nur erste Erfolge. Kreißl und Sandy Diedrich sind sich aber einig: „Wir hatten einen ausgezeichneten Start, die Arbeit mit den Teilnehmenden und ihren Familien läuft bisher super.“