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Prozess wegen SozialbetrugAmtsgericht Wipperfürth verurteilt Rentner-Ehepaar

Lesezeit 3 Minuten
Amtsgericht_wipperfürth

Der Eingang zum Amtsgericht in Wipperfürth

  1. Ein Rentnerehepaar hat viele Jahre lang als Minijobber gearbeitet, bezog aber zugleich als Aufstocker Rente vom Sozialamt.
  2. Den betagten Eheleuten wurde nun vor dem Amtsgericht Wipperfürth der Prozess wegen Sozialbetrugs gemacht.
  3. Die Strafe fiel deutlich härter aus als die Staatsanwaltschaft beantragt hatte.

Lindlar – In einem Strafprozess wegen zu Unrecht bezogener Sozialleistungen hat das Amtsgericht Wipperfürth gegen ein Rentner-Ehepaar deutlich höhere Strafen verhängt als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Die beiden 76 und 79 Jahre alten Lindlarer kassierten wegen gemeinschaftlichen Betrugs je 90 Tagessätze à 10 Euro Geldstrafe – die Anklage hatte zuvor auf jeweils 30 Tagessätze plädiert.

Sozialamt schätzt den Schaden auf 55.000 Euro

Seit 2009 erhielt die Frau zur Aufstockung ihrer Rente Geld vom Sozialamt. Etwa im gleichen Zeitraum übernahm sie die Übermittagsbetreuung in einer Schule – ein Mini-Job für vier bis fünf Stunden pro Woche, der von ihrem Arbeitgeber auch angemeldet wurde. Ab 2015 arbeitete ihr Ehemann für den gleichen Arbeitgeber. In mehreren Fragebögen der Sozialbehörde hätten beide indes immer abgestritten, Einkommen zu beziehen, so die Anklage.

Den Schaden für die öffentliche Kasse bezifferte die Staatsanwaltschaft auf 13.500 Euro. Dabei berücksichtigten die Strafverfolger nur die Leistungen seit September 2014 – frühere Zahlungen waren bereits verjährt und blieben vor dem Strafrichter unberücksichtigt.

Angeklagter war das Unrecht nicht bewusst

Eine Verwaltungsmitarbeiterin sprach im Zeugenstand von insgesamt rund 55 000 Euro, die das Paar gemeinsam verdient habe, ohne sie anzugeben. Die Lindlarerin betonte, ihr sei das angeklagte Unrecht nicht bewusst. „Für mich war immer klar, dass ein Rentner dazu verdienen darf“, sagte ihr Mann.

Behandelt wurde im Prozess auch die Frage, warum der Schwindel zehn Jahre lang unentdeckt blieb. Für den Bereich der Grundsicherung habe das Sozialhilferecht damals keine Abgleichmöglichkeit mit den Sozialversicherungsträgern zugelassen, informierte die Zeugin.

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Bei einer solchen Überprüfung wäre der Mini-Job der Lindlarerin aufgefallen. Die Behörde hätte früher reagieren und die Schadenssumme begrenzen können. Erst nachdem der Bund durch Gesetz zum Abgleich ermächtigte, erhielt man Mitte 2019 im Lindlarer Rathaus einen ersten Vergleichs-Datensatz – und stieß prompt auf die Erwerbstätigkeit der Angeklagten.

Nach genauerer Ermittlung stellte die Gemeinde Strafanzeige. „Es läpperte sich über Jahre zu einer hohe Gesamtsumme“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Trotzdem sei die kriminelle Energie der beiden Senioren nicht hoch, beide Lindlarer seien nicht vorbestraft.

Angeklagte hofften auf Milde

30 Tagessätze zu 20 Euro erachte die Staatsanwaltschaft für jeden Angeklagten als sachgerecht. Die Senioren plädierten gegen eine Geldstrafe. Sie seien zahlungswillig, aber schlicht nicht zahlungsfähig, so der Mann.

Das Gericht wies ihre Einwände zurück und entschied auf jeweils 90 Tagessätze zu zehn Euro. Der Vorsitzende Richter sprach von „Beharrlichkeit“, mit der die Angeklagten über Jahre hinweg die Formulare des Sozialamtes wahrheitswidrig ausfüllten, um Sozialleistungen zu beziehen. „Darüber könne man nicht einfach wegsehen. Auch gebe es kein Mitverschulden der Behörde, die inzwischen bestandskräftig die Rückforderung von 25.000 Euro erlassen habe.

„Bei der Frage der Strafzumessung spielt auch eine Rolle, dass sie auf diese Rückforderung vermutlich nie einen Cent werden leisten können“, so der Vorsitzende zum Prozessabschluss. Das Wipperfürther Urteil ist noch nicht rechtskräftig.