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Quarantäne, Tests und andere SorgenGummersbacher Grundschulleiterin über die Krise

Lesezeit 5 Minuten

Sarah ist ein echter Experte in Sachen Corona-Schnelltest. Angst hat die 8-Jährige davor nicht. Sie findet es „ziemlich cool“.

Niederseßmar – Seit August 2020 ist Nina Odrowski als kommissarische Schulleitung an der Gemeinschaftsgrundschule Niederseßmar tätig. Genau wie die neuen Erstklässler hat sie den normalen Schulalltag hier bislang kaum erlebt. Seit Dienstbeginn sind Quarantäne, Wechsel- und Distanzunterricht ein lediger Dauerbrenner. Eigentlich hätte es nach den Osterferien mit Schnelltests weitergehen sollen. Drei große Kartons mit über 1200 Tests stehen nun in ihrem Büro und warten auf den Einsatz, der ursprünglich die Grundlage für Präsenzunterricht sein sollte.

Aktuell lernen die Kinder noch zu Hause. Oft mehr schlecht als recht, denn die technische Ausstattung an den Grundschulen ist nach wie vor ausbaufähig. So verfügt diese Schule derzeit über 64 Tablets für 200 Schüler. „40 davon konnten wir Kindern zu Hause zur Verfügung stellen, der Rest bleibt in der Schule, damit die Kinder in der Notbetreuung an den Online-Meetings teilnehmen können.“ Jeder Lehrer böte mindestens zweimal pro Woche einen solchen Video-Chat an. Genutzt wird dabei derzeit die kostenlose Version von Zoom von dem US amerikanischen Softwareunternehmen Zoom Video Communications. „Die Gratisversion lässt ein Meeting von maximal 40 Minuten zu. Danach wird die Kommunikation unterbrochen. Das ist keine ganze Schulstunde“, erklärt Odrowski.

Eltern haben viele Bedenken

Das Schulgebäude von innen sehen dürfen aktuell nur die Kinder, deren Betreuung zu Hause nicht zuverlässig gewährleistet werden kann. „Und natürlich die Kinder, denen es in dieser Situation aufgrund sozialer Strukturen zu Hause nicht gut geht. Hier entscheidet das Jugendamt in Zusammenarbeit mit uns, dass die Notbetreuung einen geregelten Tagesablauf besser gewährleisten kann.“ Rund 30 Schüler sind das im Schnitt, wäre aktuell nicht schon wieder eine Gruppe samt Lehrerin für zwei Wochen in Quarantäne. „Dabei haben wir uns an alles gehalten. Ich dachte wirklich, ich höre nicht richtig, “ bedauert die 46-Jährige. Für die Eltern sei es ebenso unverständlich. Und das wird zunehmend zum Problem.

Wenn per Email neue Corona-Auflagen hereingeflattert kommen, muss Nina Odrowski oft sehr schnell für ihre Grundschule handeln.

Auch nach der Einführung der Testpflicht an Schulen hätten viele Eltern starke Bedenken angemeldet. „Einige haben Angst vor der Krankheit, andere davor, dass die Kinder sich beim Testen verletzten oder mit positivem Ergebnis stigmatisiert werden könnten.“ Viele Emails hätte sie bereits in den Osterferien bekommen. „Und der Ton wird deutlich schärfer, unsachlich und oft persönlich. Besonders in den sozialen Medien“, bedauert Odrowski. „Ich kann gut nachvollziehen, dass viele an ihren Grenzen sind, aber es muss klar sein, dass uns als Lehrer oder Schulleiter nicht die Schuld trifft. Wir sind als Landesbeamte unserem Dienstherren verpflichtet und das bedeutet, dass es unser Job ist, die aktuell geltenden Auflagen und Regeln an die Eltern und damit die Schüler weiterzugeben.“ Leider würden in der Kommunikation zunehmend Grenzen überschritten. „Hier wünschen wir uns einfach wieder mehr Respekt und Höflichkeit.“

Aktuelle Lage als Chance

Odrowski weiß, dass Aufklärung eine große Rolle spielt. „Deshalb sehe ich den aktuellen Zustand auch als Chance. Jetzt können wir in kleinen Gruppen schauen, wie gut das mit den Selbsttests klappt und was wir optimieren können, bevor dann hoffentlich bald wieder alle Schüler in die Schule kommen können.“

Seit etwa zwei Wochen testen sich die Kinder in der Notbetreuung zwei Mal pro Woche unter Anleitung der Lehrer. „Und es klappt gut. Die meisten Kinder sehen es als Experiment und haben wirklich ein großes Interesse mitzumachen. Für die, die wirklich Angst davor haben, können wir uns jetzt die Zeit nehmen, alles in Ruhe zu erklären und auszuprobieren.“

Sarah ist in der dritten Klasse und schon ein echter Testprofi. Sie kennt die Abläufe ganz genau. „Es kitzelt nur ein bisschen. Weh tut es nicht, “ erklärt die 8-Jährige. Langsam führt sie das Teststäbchen in ihr rechtes Nasenloch, vorher hat sie eine spezielle Flüssigkeit in ein kleines Reservoir gefüllt. „Jetzt muss das Stäbchen für eine Minute da rein und dann muss man es wieder entfernen und die Flüssigkeit auf den Test tropfen.“ Nach etwa 15 Minuten ist das Ergebnis da: „Negativ!“

Alle Kollegen kennen ihre Kinder gut

Aber was passiert, wenn ein Ergebnis positiv ist? „Wir hatten diesen Fall zum Glück noch nie, aber wir können versichern, dass wir damit behutsam und diskret umgehen. In der Grundschule kommt es immer wieder vor, dass Kindern plötzlich schlecht wird, sie Fieber bekommen oder sich gar in die Hose machen. Alle Kollegen haben Erfahrung im Umgang damit und kennen ihre Schüler gut. Natürlich wird jede Situation angemessen in der Klasse aufgeklärt“, versichert Odrowski. Sie wünscht sich in Zukunft mehr Planungssicherheit, um die Kommunikation zu den Eltern so transparent wie möglich gestalten zu können. „Bislang war es oft der Freitagnachmittag, an dem wir erfahren haben, was ab Montag gilt.“

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Aktuell verbietet die hohe Inzidenz im Oberbergischen Kreis den Präsenzunterricht. Wenn der Wert konstant unter die Marke von 165 fällt, dürften auch an der Grundschule Niederseßmar bereits die sogenannten Lollitests eingeführt worden sein. NRW plant die Nutzung in den Grundschulen ab Mitte Mai. Diese Ergebnisse werden dann in Laboren untersucht und könnten viele Vorbehalte seitens der Eltern auflösen. Diese PCR-Tests gelten als deutlich zuverlässiger, außerdem muss kein Stäbchen mehr in Rachen oder Nase eingeführt werden.

Ob bis dahin auch die Digitalisierung im Sinne der Einführung datenschutzkonformer Lernplattformen vorangeschritten ist und Endgeräte für alle Schüler zur Verfügung stehen, bleibt abzuwarten.