Der Oberberger Dr. David Flitsch wanderte mit Miriam Wiesner aus dem Rhein-Sieg-Kreis auf dem legendären Weg im Westen der USA.
Pacific Crest TrailAus Reichshof und Eitorf zu Fuß durch die USA
Der Pacific Crest Trail (PCT) im Westen der USA gehört zu den längsten Wanderwegen der Welt. Dr. David Flitsch (37) aus der Reichshofer Ortschaft Hahnbuche hat ein halbes Sabbatjahr dazu genutzt, sich zusammen mit seiner Freundin Miriam Wiesner (32) aus Eitorf (Rhein-Sieg-Kreis) dieser Herausforderung zu stellen — und er kam mit einzigartigen Eindrucken zurück.
Start an der Grenze zu Mexiko
Am 12. April ging's an der Grenze zu Mexiko los. Viereinhalb Monate später, am 24. August, erreichten sie das Ziel an der Grenze zu Kanada. Dazwischen: 4250 Kilometer Trampelpfad, auf dem man fast durchweg nur hintereinandergehen kann.
Zwei Dutzend Naturschutzgebiete, sieben Nationalparks, Übernachtungen im Zelt; Gebirgspässe bis zu einer Höhe von 4000 Metern, in der Summe 150 000 Höhenmeter, reißende Flüsse, Gletscherseen. Eine ausgekugelte Schulter, Knöchelverletzung; Eis und Schnee, Gluthitze, Moskitos, brennende Täler — und jede Menge beeindruckende Tierbegegnungen.
Nach 800 Kilometern durch abwechslungsreiche Wüste wartete die erste größere Überraschung: Die Extrem-Wanderer mussten sich durch bis zu drei Meter hohen Schnee kämpfen. Aufbruch nachts um 2 Uhr „Dieses Jahr war ein Rekordschneejahr in Kalifornien“, sagt Flitsch. Er berichtet von gefährlichen Überquerungen reißender Flüsse inmitten kalter Schneelandschaften, zerstörten Brücken und dem Einsatz von Microspikes und Eisaxt — in Gegenden, in der in normalen Jahren kaum Schnee fällt.
2023 bringt Kalifornien Rekordschnee
„Da startet man dann um 2 oder 3 Uhr nachts, damit man seine Meilen schafft, weil der Schnee dann noch gefroren ist.“ Man muss Strecke machen, denn: „Man hat ja nur für eine gewisse Anzahl Tage Essen dabei.“ Vormittags wurde das Fortkommen schwierig, im weich gewordenen Schnee sanken die Wanderer knietief ein: Anstrengend, wenn man sieben oder acht Kilo Gepäck plus Essen und zwei bis drei Liter Wasser auf dem Rücken trägt.
Mehr als ein Kilo wiegt allein der vorgeschriebene Bärenkanister aus Hartplastik, in dem die Wanderer ihr Essen verstauen müssen. „Wenn ein Bär einmal gelernt hat, dass es da, wo Menschen sind, Essen gibt, muss er geschossen werden.“ Das will natürlich niemand.
Wanderer müssen den Proviant vor Bären schützen
Die außergewöhnlichen Schnee- und Eismassen verlangten den beiden Wanderern gleich zu Beginn ihrer Strecke viel ab. Um das Glück nach einigen ziemlich gefährlichen Situationen nicht über Gebühr herauszufordern, schildert Flitsch, beschlossen sie, auf weitere Schnee- und Eis-Abenteuer zunächst zu verzichten — sie übersprangen 800 Kilometer.
Dabei hatten sie sich lange und ausgiebig auf das Abenteuer eingestellt, fast ein Jahr vor dem Start hatten Flitsch und Wiesner begonnen, sich auf den PCT vorzubereiten. Die beiden Extremwanderer fanden insbesondere auf Youtube viel informatives Material über den Trail. Soweit theoretisch überhaupt möglich, waren die beiden Wanderer auch auf erwartbare Begegnungen mit Tieren eingestellt: „Wir wussten, es gibt auf mehr als der Hälfte des Weges Klapperschlangen, und wir haben auch einige gehört und gesehen, unterschiedlich groß, unterschiedliche Arten“, sagt Flitsch.
Richtiges Packen und wenig Ausrüstung
Auch Schwarzbären sahen sie aus nächster Nähe. Flitsch: „Die haben sich aber Gott sei Dank so verhalten, wie sich Schwarzbären normalerweise verhalten: Sie sind panisch vor uns weggerannt.“ Ganz im Gegensatz zum Rehwild, das sich arglos näherte.
25 bis 30 Kilometer legten Flitsch und Wiesner am Anfang täglich zurück, am Ende ihres Fußmarsches schafften sie im Schnitt 36 Kilometer pro Tag — einmal sogar 46. Dabei mussten im Schnitt 1000 Höhenmeter pro Tag überwunden werden, und das bei bis zu 40 Grad Celsius.
Etappen mit 36 Kilometern auf dem PCT
Denkt man da nicht auch mal ans Aufgeben? „Zwischendurch schon“, gesteht David Flitsch und schildert als Beispiel die Erlebnisse einer Schneenacht, nach der sie, durch Flussdurchquerung komplett durchnässt und durchgefroren, elf Stunden ohne Pause durch Schnee und Regen marschiert sind. „Ich denke, das war mein schwerster Tag. Aber nachmittags kam die Sonne raus, und wenn man dann trocken im Schlafsack liegt, ist wieder alles gut.“
Andererseits gab es aber Momente der Euphorie, wenn sich manchmal wie von Zauberhand alles aufs Beste fügte. Das Auffüllen der Essensvorräte war ein Thema für sich, ein alle vier bis acht Tage wiederkehrender Programmpunkt: „In der Regel fährt man per Anhalter in eine Stadt, deckt sich ein, und dann geht's wieder zurück“, so Flitsch.
Geheimrezept für Energie ist die Ramen-Bomb
Dort gönnten sich die beiden dann regelmäßig eine Übernachtung im Bett — und ließen sich richtiges Essen mit frischem Obst und Gemüse schmecken. Mehr Aufwand war in der High Sierra nötig — dort ging es erst mal einen Tag vom Trail bis zur nächsten Straße. „Die Ernährung auf dem Trail ist nicht gesund, weil man rund 4000 bis 5000 Kalorien am Tag verbraucht.“
Zum Frühstück gab's immer ein Snickers-Riegel. Ansonsten: Käsesticks, Wraps mit Nutella, und nach den Tagesmärschen die immer gleichen Abendessen, zum Beispiel die sogenannte „Ramen-Bomb“. Man nehme: Nudelblock, Kartoffelpüree-Pulver, kochendes Wasser und schlage das Ergebnis in fettige Tortillas ein.
Energieverbrauch immer im Blick
„Man versucht, sich so weit wie möglich zu reduzieren“, erklärt Flitsch, auch bei der Ausrüstung. „Ich bin in einem Langarmshirt und in einer kurzen Hose gelaufen, auch im Schnee“, für die Nächte im Zelt, teils bei Minusgraden, hatte er noch eine lange Unterhose dabei. „Man sagt: 500 Gramm mehr Gewicht am Fuß wirkt sich auf den Energieverbrauch aus wie fünf Kilo zusätzliches Gepäck auf dem Rücken“, sagt Flitsch. „Deshalb läuft man auch nicht in dicken Wanderschuhen, sondern in sehr dünnen, leichten Schuhen.“
Davon ist er unterwegs gleich fünf Paar durchgelaufen. Neue Schuhe, online bestellt, lässt man sich von unterwegs zu einer Poststation vorschicken. Seit wenigen Wochen ist der Oberberger David Flitsch nun wieder zurück, zurzeit in Reichshof zu Besuch bei seiner Familie — die Wohnung in Aachen war noch untervermietet.
Miri Wiesner ist immer noch auf dem PCT unterwegs
Seine Freundin Miri Wiesner aber ist noch immer unterwegs auf dem Pacific Crest Trail. Sie absolviert jetzt noch den Teil der Strecke, den die beiden anfangs übersprungen haben. Übrigens gibt es noch mehr Eitorfer, die hier unterwegs waren. „Für mich war aber klar: Am Ziel ist Schluss, ich möchte nicht zurück“, sagt Flitsch. Körperlich war er einfach am Limit, hatte sich vier Tage vor Ende noch den Knöchel verletzt.
Davon abgesehen, dass er sein halbes Sabbatjahr nicht verlängern konnte. Aber irgendwann möchte er schon gerne wieder mit Miri Wiesner die Wanderschuhe schnüren. „Ich kann mir vorstellen, dass wir in einigen Jahren, wenn unsere Lebenssituation es zulässt, noch mal so was Langes probieren, oder ansonsten für drei, vier Wochen Teilstücke laufen.“ Diese Wanderung werden die beiden sicher nie vergessen. „Das war auch ein Grund: Einen Sommer draußen zu sein und eine Erinnerung zu schaffen.“
Was ist der „Pacific Crest Trail“?
Der Pacific Crest Trail (Crest = Kamm, Trail = Pfad) führt tief im Westen der Vereinigten Staaten über 4250 Kilometer von der mexikanischen bis zur kanadischen Grenze, durch die Bundesstaaten Kalifornien, Oregon und Washington, entlang der Gebirgskämme der Sierra Nevada und der Kaskadenkette.
Die meisten der rund 5000 Menschen, die sich pro Jahr an dieses Abenteuer wagen, starten im Süden. Wer den Weg oder ein Teilstücke gehen möchte, muss sich zuvor bei der Pacific Crest Trail Association um eine Erlaubnis („Permit“) bewerben. Diese ermöglicht dann etwa das kostenlose Kampieren am Weg.
Mojave-Wüste, Yosemite-Nationalpark, Sierra Nevada — die Strecke, die viele bekannte Sehenswürdigkeiten kreuzt, stellt Wanderer vor ganz unterschiedliche Herausforderungen, nicht zuletzt viel Auf und Ab — und all das muss mit dem Reisegepäck samt Verpflegung für mehrere Tage auf dem Rücken bewältigt werden.