Oberberg – 21 Stolpersteine erinnern im Oberbergischen Kreis bislang an das Schicksal jüdischer Mitbürgern, Widerständlern und Menschen mit Behinderung, die in der Zeit zwischen 1932 und 1942 deportiert und umgebracht worden sind – oder deren Verbleib bis heute unbekannt geblieben ist. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hat Oberbergs Stolpersteine und rund 15.000 weitere in Nordrhein-Westfalen jetzt erstmals aufgelistet und auf einer Internetseite sowie in einer App dokumentiert – „Stolpersteine NRW – Gegen das Vergessen“ , so der Titel dieses Projekts.
Der Kölner Sender möchte damit die Geschichte jener Menschen hinter den Steinen zugänglich machen – mit Texten, Fotos, Tonaufnahmen und Illustrationen. Intendant Tom Buhrow sagte bei der Vorstellung des neuen Angebots: „Wir dürfen die Menschen, an deren furchtbares Leid mit den Stolpersteinen erinnert wird, niemals vergessen. Internetseite und App regen zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Opfern des Nationalsozialismus vor der eigenen Haustür an.“
Stolpersteine in Oberberg
Stolpersteine
21 Stolpersteine erinnern in Oberberg und an der Kreisgrenze an diese Menschen:
Gummersbach: Hulda, David, Alfred, Sophie und Klaus Simons
Hückeswagen: Bruno Blumberg
Morsbach: Albert, Selma, Hans-Hermann und Brunhilde Levy
Nümbrecht: Julius, Ida, Helmut und Siegmund Baer
Waldbröl: Albert, Hedwig und Gustav Elias
Radevormwald: Paula Dürhager, Hilde Hahne
Windeck-Kohlberg:Helene und Franz Weber. (bu)
Die Geschichte hinter den Stolpersteinen
Hinter den Morsbacher Stolpersteinen verbirgt sich folgende Geschichte: Die jüdische Familie Levy aus Morsbach, Vater, Mutter und zwei Kinder im Alter von 14 und 18 Jahren, mussten sich 1942 in den Messehallen von Köln-Deutz einfinden. Von diesem Sammelpunkt aus wurden viele rheinische Juden per Bahn zur Tötungsstätte Maly Trostinec deportiert und dort umgebracht. Dokumentiert ist dies in einem Gedenkbuch im Bundesarchiv. Vor dem letzten Wohnsitz der Familie Levy in Morsbach hat Gunter Demnig 2021 vier Stolpersteine in das Pflaster des Bürgersteigs gesetzt. (bu)
Mit der App, der Internetseite und einer interaktiven Karte ist es erstmals digital möglich, jeden einzelnen Stein in Nordrhein-Westfalen auf Exkursionen und Geschichtsrouten anzusteuern und mehr über die Menschen zu erfahren. „Damit wollen wir vor allem Jüngeren auf ganz neue Art ermöglichen, sich mit dem Lebens- und Leidensweg dieser Menschen auseinanderzusetzen“, betonte der Siegburger Buhrow. Mit der App erfahren Smartphone-Nutzer zu jedem Stein, für welchen Menschen und für welches Schicksal dieser steht. Über die Internetseite kann man zudem in der Datenbank recherchieren und zahlreiche Biografien durchsuchen. Auf Basis von Namen oder Adressen lassen sich die Stolpersteine dann gezielt finden.
Die 21 Stolpersteine in Oberberg verteilen sich über das gesamte Kreisgebiet. In Radevormwald sind zwei Steine in den Bürgerstein eingelassen worden, in Hückeswagen nur einer. In Gummersbach werden ab 17. August gleich fünf Stolpersteine an das Schicksal einer jüdischen Familie erinnern, in der Gemeinde Nümbrecht wird vier getöteter Juden gedacht.
Im Kreissüden komplettieren drei Steine in Waldbröl und vier in Morsbach den Reigen der Stolpersteine und erinnern an das Schicksal jüdische Mitbürger, die in Konzentrationslagern ermordet worden sind. Unmittelbar an der Gemeindegrenze von Morsbach und Richtung des Nachbarkreises Rhein-Sieg befinden sich in Windeck-Kohlberg noch zwei Stolpersteine von Kindern, die in Kinderheime „verlegt“ worden sind und deren Schicksale bis heute unbekannt geblieben sind.
Demnig unterstützt das Projekt von Anfang an
Seit den 1990er Jahren setzt der Künstler Gunter Demnig die auf Pflastersteinen befestigten Messingtafeln in die Bürgersteige ein. Der heute 74-Jährige hat sein Atelier im hessischen Elbenrod. Gemeinsam mit Experten aus mehr als 200 Kommunen Nordrhein-Westfalens, Initiativen und Aktionsbündnissen werden Archive durchforstet, historische Dokumente gesichtet, Berichte von Überlebenden ausgewertet und Quellen abgeglichen. Das Schicksal der deportierten Morsbacher Juden hat beispielsweise ein Lokalhistoriker des örtlichen Heimatvereins recherchiert. Der WDR hat solche Informationen gesammelt und multimedial aufbereitet. Auch gibt es umfangreiches Unterrichtsmaterial für Lehrkräfte.
Stolpersteine-Initiator Demnig unterstützte das Projekt von Anfang an. Zum neuen WDR-Angebot sagt er: „Ich bin fasziniert von dem, was da entstanden ist. Besonders gelungen finde ich, dass ein pädagogisches Konzept mit eingebaut wurde mit der Absicht, sich an junge Menschen, an Schülerinnen und Schüler zu wenden. Das wird ein ganz anderer, neuer Geschichtsunterricht.“ Zum Gedenken lassen sich auch virtuelle Kerzen an den Steinen entzünden. Das digitale WDR-Angebot enthält zudem mehr als 200 gezeichnete Kurzgeschichten, die sich mit den Biografien der Menschen auseinandersetzen. Alles werde fortlaufend aktualisiert, teilt der Sender dazu mit. „Stolpersteine NRW“ ist als App auf dem Smartphone und Tablet sowie an Computer und Laptop in einem Desktop-Browser nutzbar.