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Süße Ausbeute für KleingeldFreilichtmuseum Lindlar sucht alte Kaugummiautomaten

Lesezeit 3 Minuten

Ein Profi in Sachen Kaugummiautomaten ist Leo Spiegel aus Lindlar.

Lindlar – Münze einwerfen, kräftig am Drehgriff ruckeln, es rappelt vor der Metallklappe und schon verschwindet die bunte Beute im Mund. Für Leo Spiegel ist der Gang zum Kaugummiautomat eine hochspannende Angelegenheit. Täglich steuert der Achtjährige das rostrote Exemplar an der Kreuzung Voßbrucher Straße/Auf dem Korb an, um zehn oder zwanzig Cent in dessen klebrigen Inhalt zu investieren.

Leos aktueller Favorit sind die „Happy Duck Candys“ aus dem Fach ganz links außen, auf dessen Abdeckung eine Armada aus Quietscheentchen wirbt. Zumindest, seit die „fiesen“Befüller die großen Kaugummikugeln für zwanzig Cent aus dem Sortiment genommen haben, für die der Lindlarer Einzelhandel nun einen ganzen Euro verlangt. Eine Geschäftspolitik, die Leo mit einem genervten Kopfschütteln quittiert.

Je älter, desto besser

Momentan ist Leo aber nicht der einzige Lindlarer, der sich mit Hingabe dem Dasein des Kaugummiautomaten widmet. In dieser Woche hat das LVR-Freilichtmuseum einen Aufruf gestartet, mit dem die Historiker nach einem Altertümchen fahnden, das Generationen von bergischen Kindern fasziniert und manchmal auch frustriert hat. Je älter der Automat, desto besser.

Münze einwerfen, kräftig drehen, dann gibt’s Süßes oder Schmuck.

„Wir suchen ein solches Exemplar für die Baugruppe Steinscheid, die vor allem das Landleben in den 1950er und 60er Jahren dokumentiert“, erklärt Frederik Grundmeier, Archivar des Museums. Denn genau dort passe der Kaugummiautomat thematisch hervorragend hin. „Er ist ein einst überall präsentes Symbol für den steigenden Konsum der Nachkriegszeit.“

Die allgemeine Historie zu den rechteckigen Verkaufsstätten haben Grundmeier und seine Kollegen bereits recherchiert. Angefangen beim Siegeszug des Kaugummis auf deutschem Boden, der unmittelbar nach dem Krieg in den Innentaschen amerikanischer Besatzungssoldaten begann. „Nach und nach schraubte praktisch jeder Gastwirt und jeder Ladenbesitzer einen solchen Automaten an die Wand“, so Grundmeier.

Rund 500 000 Automaten hängen in Deutschland

Gegen alle Vollsortiment-Supermärkte verteidigt der Kaugummiautomat seine Existenz bis heute tapfer. Rund 500 000 Kästen mit dem typischen Drehgriff stehen und hängen immer noch in Deutschland, schätzte der Verband der Automaten-Fachaufsteller (Vafa) im vergangenen Jahr. „Oft gehören die Automaten für die Anwohner so selbstverständlich zum Straßenbild, dass sie gar nicht mehr bewusst wahrgenommen werden“, erklärt Grundmeier.

Damit soll nun Schluss sein. Das Museum bittet die Menschen im Bergischen, sich bewusst umzusehen und zu erinnern. Wo steht ein besonders origineller Kaugummiautomat? Wer kennt jemanden, der solche Automaten betreibt oder betrieben hat, sie sammelt oder der als Befüller gearbeitet hat? Wer verbindet mit einem Automaten eine besondere persönliche Anekdote?

Kontakt

Tipps zu Standorten der Automaten, Hinweise auf Personen und persönliche Geschichten rund um die bergischen Kaugummiautomaten nimmt Archivar Frederik Grundmeier vom LVR-Freiilichtmuseum in Lindar per E-Mail an frederik.grundmeier@lvr.de entgegen.

Innerhalb eines Tages nach dem Internet-Aufruf hat der LVR bereits Hinweise auf rund 50 Automaten-Standorte in der Umgebung erhalten. „Darunter sind viele Tipps aus Lindlar und Wipperfürth, aber auch Nachrichten aus Solingen haben wir schon bekommen“, verrät Grundmeier, der sich auf weitere Hinweise aus dem gesamten Bergischen Land freut (siehe Kontakt). „Die Rückmeldungen sind der Beweis, dass die Automaten tatsächlich noch zahlreich existieren.“

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Leo findet es nur richtig, dass dem Kaugummiautomaten nun mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird – allerdings hofft er, dass es nicht ausgerechnet seine Anlaufstelle trifft, die demnächst ins Lingenbacher Tal versetzt wird. Er amüsiert sich köstlich über die zahlreichen Kinder und tatsächlich auch Erwachsenen, die das Zählwerk stets vergeblich mit Kunststoff-Münzen zu überlisten versuchen oder mit dünnem Draht in den Tresor vordringen wollen.

Im Mai brachten es rabiate Zeitgenossen tatsächlich fertig, den kompletten Automaten aus der Verankerung zu reißen und mitgehen zu lassen. Leos Mutter verständigte die Polizei, die mit einem richtigen Streifenwagen auftauchte, um den Vorfall aufzunehmen. Nur Tage später sorgte der Betreiber für ersehnten Ersatz. Das Gehäuse sah allerdings genauso aus wie das alte und das davor. Zumindest optisch hat sich in 70 Jahren Kaugummiautomat nichts geändert.