Tierwelt im Oberbergischen KreisGelbhalsmaus ist auf dem Vormarsch
Oberbergischer Kreis – Die „klassische“ Maus ist für die meisten Menschen wohl die Hausmaus. Sie zählt zu der verwirrend komplexen Familie der Langschwanzmäuse. Typische Merkmale dieser Familie sind natürlich der lange Schwanz (der sie von den eher kurzschwänzigen Wühlmäusen abgrenzt), zudem die dunklen Kulleraugen und die großen runden Ohren, die auch in der Silhouette des wohl bekanntesten Artgenossen, Micky Maus, ausgeprägt hervortreten.
Diese Erkennungszeichen treffen aber neben der Hausmaus auch auf die Waldmaus und ihre nahe Verwandte zu, die weitgehend unbekannte Gelbhalsmaus. Im wissenschaftlichen Artnamen „Apodemus flavicollis“ steckt das lateinische Wort „flavus“, was so viel wie blond bedeutet und ebenfalls auf das gelbliche Brustband hindeutet. Die Unterscheidung von anderen heimischen Langschwanzmäusen ist dennoch auf den ersten Blick kaum möglich.
Übernachtung in Vogelnistkästen
Gelbhalsmäuse schlafen manchmal in Vogelnistkästen, die sie nach der Brut der Vögel zur Zwischenmiete nutzen. Die Art gilt als typischer Bewohner von Buchenwäldern und Eichen-Hainbuchenwäldern. Das sind jene Waldtypen, die ohne Eingriffe des Menschen in vielen Teilen des Bergischen Landes vorherrschen würden.
In Buchen-Hallenwäldern, das sind alte ausgewachsene Buchenwälder, die über einen hallenartigen Charakter verfügen, stellt sie oft die einzige Nagetierart dar. Sie mag kühl-feuchte, schattige und unterwuchsreiche Wälder. Die Art kann nur in ausgedehnten Waldgebieten langfristig stabile Populationen bilden.
Träger des Rustrela-Virus
Nach neuesten Forschungen können die flinken Nager das erst 2020 entdeckte Rustrela-Virus in sich tragen und damit andere Tiere tödlich infizieren – erstaunlicherweise sogar biologisch weit entfernte Arten wie Esel, Wasserschwein und Baumkänguru, wie es sich in einem norddeutschen Zoo ereignete.
Das Virus ähnelt stark dem Erreger, der bei Menschen die Röteln verursacht. Nach Einschätzung von Virologen gibt es bisher aber keinen Hinweis darauf, dass das Rustrela-Virus von den Mäusen auf Menschen übergehen könnte. Ausschließen können es die Wissenschaftler jedoch nicht. (fs)
In den 1970er Jahren hieß es noch in Fachkreisen, die Verbreitungsgrenze der Gelbhalsmaus führe quer durch das Bergische Land, etwa entlang der Wasserscheide Agger-Sieg und etwas westlich der Bundesstraße 256. Südlich dieser Wasserscheide und im Osten des Oberbergischen Kreises kam die Art vor, im Westen des Bergischen Landes nicht.
Seit den 1990er Jahren breitet sie sich aus
Gegen Ende der 1990er Jahre verbreitete sich unter Zoologen dann die Gewissheit, dass sich die Art über die Arealgrenze hinaus ausbreitet. Es gab erste Funde im Bereich der Wupper und sogar westlich des Rheins. Genauere Untersuchungen in Rösrath im Jahr 1999 durch die Biologen Thomas Stumpf und Jeroen van der Kooij konnten die Ausbreitung jenseits der alten Arealgrenze hinaus bestätigen.
Um die Mäuse nachzuweisen, stellt man in der Regel keine Fallen auf, sondern untersucht die Gewölle von Eulen. Dabei handelt es sich um ausgewürgte Nahrungsreste wie Knochen und Haare. Anhand der enthaltenen Kieferknochen lässt sich die Art bestimmen.
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Einige Experten gehen davon aus, dass das Verschwinden der Gelbhalsmaus in Nordwestdeutschland einst von den „mittelalterlichen Waldverwüstungen“ herrührte. Ab dem frühen Mittelalter wurden große Teile der mitteleuropäischen Urwälder als Quelle für Bauholz und Brennstoff gerodet. Deshalb musste sich die Gelbhalsmaus auf die höheren Lagen der waldreichen Mittelgebirge zurückziehen.
Dass die Gelbhalsmaus nur zaghaft in die Laubwälder, die im Tiefland wieder neu entstanden, zurückkehrt, hat nach Annahme der Wissenschaftler vielleicht damit zu tun, dass in allen geeigneten Lebensräumen schon überall sehr dichte Populationen der Waldmaus bestehen. Diese Art verfügt über eine sehr ähnliche ökologische Nische wie die Gelbhalsmaus und deswegen gibt es dort weder ausreichend Platz noch genug Nahrung für die Gelbhalsmäuse. Warum die Gelbhalsmaus seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert nun aber doch auf dem Vormarsch ist, ist auch in Fachkreisen unklar.
Inzwischen hat sich die Gelbhalsmaus in vielen Wäldern des Rheinlandes und des Münsterlandes ausgebreitet. Auch die über Gehölzstrukturen vernetzten, älteren Laubwaldbestände des Bergischen Landes wurden zum Großteil bereits durch diesen kleinen Säuger besiedelt.
An diesem Beispiel erkennt man, wie wichtig es ist, die Landschaft durch Baumreihen und Hecken miteinander zu verknüpfen. Diese Korridore sind essenziell, damit die Gelbhalsmaus ihre angestammten Lebensräume erreichen und ihre Funktion als Teil des Ökosystems in der bergischen Kulturlandschaft erfüllen kann.