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Träumen über bergischen WipfelnCarlos Arrufat Grümer baut Baumhäuser

Lesezeit 5 Minuten

Carlos Arrufat Grümer in seiner Werkstatt. Er ist Baumhausbauer.

Nümbrecht – Plötzlich ist klar: Nicht der Aufstieg ist die Herausforderung. Der Abstieg ist es. „Die linke Hand am besten aufs Geländer legen und mit der anderen immer am Stamm entlang“, empfiehlt Carlos Arrufat Grümer und geht voraus. Schmal sind die 71 Stufen, weit dagegen ist der luftige Raum zwischen diesen Tritten. Sie winden sich hinauf auf eine Höhe von mehr als 18 Metern, dort oben hat Arrufat Grümer eine Plattform in die Baumkrone gebaut. Der Blick nach oben ist atemberaubend. Und der nach unten erst recht.

Fliessendes Wasser und Strom im Baumhaus

Gepolsterte Bänke gibt es da oben, Wasser und Strom fließen. Und sogar eine Toilette hat der Nümbrechter installiert und in einem Schrank versteckt. Doch wer dieses Podest erklommen hat, der muss eben irgendwann auch wieder runter. Obwohl: Ginge es nach dem 52 Jahre alten Baumpfleger und Diplom-Landschaftsarchitekten, dann würde er wohl in einem Baum leben.

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„Möglich wäre es.“ Im vergangenen Jahr hat sich Arrufat Grümer, übrigens gelernter Baumschulist und Gärtnermeister, mit einem weiteren Unternehmen selbstständig gemacht: Er plant und baut Baumhäuser – Baumhochhäuser, um genau zu sein. Der Nümbrechter will höher hinaus. Und denkt er daran, was in so manchem Vorgarten steht, rümpft Arrufat Grümer die Nase: „Ein Baumhaus ist nur dann ein echtes Baumhaus, wenn es den Baum als Fundament nutzt und nicht nur daran angelehnt ist.“

Das Dach fehlt noch

Gleich zwei davon finden sich in Grümers Garten: So trägt eben eine mehr als 18 Meter hohe Hybridpappel aus Kanada das eine Baumhaus, auf einer Höhe von 22,85 Metern befindet sich in einer etwa 50 Jahre alten Lärche das andere. 84 Wendelstufen führen in die Krone, Lichterketten säumen den Weg hinauf und bilden eine leuchtende Kegelkuppel über der Plattform – bei Nacht ein spektakulärer Anblick.

In den Ästen einer Lärche: Dort schläft der Nümbrechter sogar – wenn er nicht gerade in seiner Werkstatt über neuen Ideen brütet.

Allerdings fehlt beiden Baumbauten ein echtes Dach: „Kommt aber noch, daran arbeite ich gerade“, verrät Arrufat Grümer. „Ich möchte beim Schlafen nämlich nicht mehr nass werden, wenn es regnet.“ Weil er in klaren Sommernächten den Blick in den Sternenhimmel liebt, soll dieser Regenschutz aber unbedingt beweglich gelagert sein.

Die ersten Ideen kamen als Kind

Die ersten Ideen zu einem solchen Bauwerk hatte Arrufat Grümer freilich schon als Kind. „Weil ich immer schon der Junge war, der am besten klettern konnte, war immer ich es, der in die Äste und in die Kronen kraxelte“, erinnert sich der gebürtige Oberwiehler und erklärt, warum er dann auch beruflich beim Baum geblieben ist. Die Träume aus der Kindheit führten vor acht, neun Jahren endlich zu ersten Entwürfen. „Denn mein Garten hatte alles, bloß keine Aussicht.“

Auf einer Höhe von fast 19 Metern hat Carlos Arrufat Grümer die Krone einer kanadischen Pappel mit einer Plattform ausgestattet.

Will sagen: Die dichten Wälder mit ihren hohen Wipfeln ließen den Panoramablick ins Bergische und sogar ins Siebengebirge nicht zu. Wo sich dieser urige Garten befindet, möchte der Experte indes nicht preisgeben – liebestolle Oberberger könnten das nämlich als Einladung zu luftigen Schäferstündchen verstehen, „ist ja schon mal vorgekommen“. Und nicht nur das: Er wisse auch von einem Heiratsantrag über den Wäldern. „Und der war wohl ganz erfolgreich.“ Guten Freunden mache er es aber gern mal gemütlich, auch mit Weinbegleitung oder wenigstens einer Kanne Kaffee.

Die Bäume sollen so schonend wie möglich bebaut werden

Zurück zur Pappel. Die hat Arrufat Grümer damals immer wieder umkreist, bis ihm plötzlich klar geworden sei: Diese Krone trägt. In einem langen Winter dann habe er erste Skizzen gezeichnet, aus eher einfachen Steighilfen mit Seilen und Gurten seien dann echte Stufen geworden. „Ein befreundeter Metallverarbeiter aus der Nachbarschaft hat bei der Umsetzung geholfen“, schildert Arrufat Grümer, der seither viele Teile entworfen hat, um Baumhäuser zu errichten. Und diese Erfindungen sind heute geschützt.

Auf einer Höhe von 22,85 Metern befindet sich die Plattform in einer etwa 50 Jahre alten Lärche

Darunter sind zum Beispiel Winkelelemente aus verzinktem Stahl, die jene Druck- und Zugkräfte lenken und leiten, die beim Bau eines Baumhauses wirken. Sieben Zentimeter tief fressen sich die Schrauben in den Stamm. Dabei legt Arrufat Grümer größten Wert darauf, dass seine Arbeit dem Baum so wenig wie möglich Schade zufüge: Seine Baumhäuser seien so angelegt, dass der Stamm wachsen könne.

„Der Baum reagiert sehr schnell und ersetzt das verletzte Gewebe, sodass sich um jede Schraube neues Holz bildet.“ Das festige die Schraube überdies. Regelmäßig, bei der Lärche etwa mindestens alle zwei Jahre, kontrolliert der Fachmann anschließend, ob der Baum genügend Raum hat – und wenn nicht, dreht er an den Schrauben, sodass ein neuer Abstand entsteht. „Meist geschieht dies immer nach fünf, sechs Jahren.“

Ein Statiker prüft die Konstruktionen

Zudem schaut ein Statiker dem Baumhausbauer Arrufat Grümer auf die Finger und kontrolliert, ob die Häuser stabil sind. Welches Gewicht ein Baum tragen kann, das hänge von seiner Art, vom Alter und auch vom Standort ab. „Bei einem Test hat eine Fichte eine maximale Last von fast 1500 Kilogramm ausgehalten“, beschreibt der Nümbrechter einen Versuch mit einer Trägerkonstruktion aus Holz.

„Eigentlich ist die Fichte der schwächste Baum.“ Jetzt hofft Carlos Arrufat Grümer, dass Baumhäuser auch in Deutschland so beliebt werden wie etwa in Amerika oder Skandinavien, zum Beispiel als Hotels. „Und natürlich hoffe ich auch, dass es bald ein Baurecht für Bäume gibt, damit mehr Menschen in den Genuss von Baumhäusern und Baumterrassen kommen.“