AboAbonnieren

Hilfe in OberbergIm Sozialpsychiatrischen Zentrum sind die Zwänge weit entfernt

Lesezeit 4 Minuten
Im Psychosozialen Zentrum in Waldbröl sitzen die Gruppenleiterinnen Sarah Labisch (links) und Dagmar Titze an einem Tisch und spielen Karten mit psychisch beeinträchtigten Menschen, die einen geschützten Raum für den Austausch und Geselligkeit suchen.

Die offenen Treffen für junge Menschen mit psychischer Beeinträchtigung werden in Waldbröl geleitet von Sarah Labisch (l.) und Dagmar Titze. Es geht um Begegnungen auf Augenhöhe und ohne jegliche Vorurteile.

An den Standorten Waldbröl, Wipperfürth und Gummersbach bietet Oberbergische Gesellschaft zur Hilfe für psychisch Behinderte Treffen an.

Die Tür steht weit offen. Doch an diesem Nachmittag betritt niemand mehr die urige Villa an der Kaiserstraße in Waldbröl. Michaela und Patrick (dieser Name ist geändert) aber haben es geschafft: Sie sitzen am großen Tisch, zücken die Spielkarten. Was für viele Menschen gewöhnlich ein Freizeitspaß ist, das bedeutet für die beiden einen oft stundenlangen Kampf mit und gegen sich selbst.

Michaela und Patrick leiden unter psychischen Beeinträchtigungen. Die Wohnung zu verlassen, hinauszugehen und auf andere Menschen zu treffen, das ist für sie eine große Herausforderung. Im Sozialpsychiatrischen Zentrum (SPZ) der Oberbergischen Gesellschaft zur Hilfe für psychisch Behinderte (OGB) aber finden sie einen sicheren, einen geschützten Ort. Seit etwa zwei Jahren gibt es dort die Treffen für jüngere Menschen im Alter von 18 bis etwa 30 Jahren, die psychisch beeinträchtigt oder auch erkrankt sind. Acht Oberbergerinnen und Oberberger zählen derzeit zum Stammkreis.

In Oberberg gab es bisher nur wenige Angebote für jüngere Menschen

„Für diese Altersgruppe gab es zu wenige offene Angebote, sie ist bisher immer hinten runtergefallen“, sagt Gruppenleiterin Sarah Labisch. „Doch gerade in diesem Alter nimmt die Zahl der psychisch Beeinträchtigten rasant zu, vor allem nach Corona.“ Gemeinsam mit der 34-Jährigen organisiert Dagmar Titze (56) die Waldbröler Treffen. Und die sollen vor allem einen Raum bieten, an dem sich Betroffene anderen öffnen können, an dem sie Verständnis finden, an dem sie sich frei und ungehemmt austauschen. Soziale Anbindungen schaffen, so nennt es Titze. „Viele schämen sich für ihre Probleme, sie verschanzen sich.“

Was bei einem solchen Treffen geschieht, entscheiden die Teilnehmenden, auch Ausflüge gibt es. Und wer nicht reden will, der schweigt eben. „Das ist völlig okay, ich habe hier mal fast ein ganzes Treffen lang mit einem Buch in den Händen gesessen“, erinnert sich Patrick. Der 28-Jährige sieht diese Treffen als Training für den Umgang mit Menschen. „Wenn ich früher zum Angestellten an der Kasse im Supermarkt unfreundlich war, habe ich mich wochenlang darüber gegrämt und bin nicht rausgegangen.“ Der Gedanke, wie er von anderen gesehen wird, wie er auf andere wirkt, sei zu einem Zwang geworden, der sein Leben regiert habe, sagt der Reichshofer heute. „Hier aber kann ich sein, wie ich bin, und darf sagen, was ich sagen will.“

Auch Michaela spricht von Begegnungen auf Augenhöhe und ohne Vorurteile: „Hier werde ich verstanden, mit Gesunden ecke ich oft an.“ Seit etwa zehn Jahren leidet die Reichshoferin unter Angststörungen und dem Borderline-Syndrom, immer wieder durchlebt die bald zweifache Mutter depressive Phasen, erleidet Panikattacken. „Mit meinem Kind bekomme ich alles supergut geregelt“, betont die 34-Jährige. „Aber sobald es um mich geht, komme ich nicht mehr klar, bin antriebslos und ohne Motivation, quäle mich zu Hause.“ Lange habe sie nach einem Ort wie diesem gesucht.

Weil es den Beobachtungen der in Gummersbach ansässigen OGB auch in Oberberg immer mehr Menschen im Alter von Michaela und Patrick so geht, sind solche Treffen jüngst auch in der Kreisstadt und in Wipperfürth gestartet. Ebenso wie der Treff in Waldbröl stehen sie jedem offen – nicht nur Menschen, die ohnehin von der OGB betreut werden.


Die drei Treffpunkte im Oberbergischen Kreis

Die offenen Treffen in Waldbröl finden an jedem zweiten Montag im Monat im SPZ, Kaiserstraße 85, statt, und zwar in der Zeit von 16.30 bis 18.30 Uhr (ohne Anmeldung).

Die Wipperfürther Gruppe für junge Mensch mit psychischer Beeinträchtigung wird geleitet von Klara Dörpinghaus und trifft sich wöchentlich immer donnerstags von 17 bis 18.30 Uhr in den Wipperfürther OGB-Räumen an der Marktstraße 23. Fragen werden beantwortet unter 0160/94 67 53 72.

Die Gummersbacher Gruppe kommt unter der Leitung von Saskia Ossig an jedem zweiten Dienstag im Monat zusammen, und zwar in der Zeit von 17.30 bis 19 Uhr. Treffpunkt ist die OGB-Tagesstätte im Stadtzentrum, Marktstraße 12. Weitere Auskünfte dazu gibt es unter (02261) 2 12 14.