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4,5 Millionen Kubikmeter Holz totBorkenkäfer und Unwetter vernichten die Wälder

Lesezeit 4 Minuten
Fichtensterben

Zwei trockene Sommer in Folge und der Borkenkäfer haben ihre Spuren hinterlassen.

Oberberg – Bis zum Jahr 2023 wird die Hälfte aller bergischen Fichten dem Borkenkäfer zum Opfer fallen. Diese und weitere aktuellen Zahlen zur Käferplage stellten Kay Boenig, Leiter des Regionalforstamtes Bergisches Land, und Hans-Friedrich Hardt vom Vorstand des NRW-Waldbauernverbandes auf dem Metabolon-Gelände in Lindlar vor.

Boenig rechnet in seinem Zuständigkeitsbereich zwischen Wuppertal, Leverkusen und Waldbröl mit insgesamt 4,5 Millionen Kubikmetern Schadholz.

1,45 Kubikmeter abgestorbene Fichten

Bis zum Ende dieses Jahres werde der Landesbetrieb Wald und Holz NRW hier bereits abgestorbene Fichten mit einem Volumen von 1,45 Millionen Kubikmetern zählen. Für 2020 erwarten die Experten mindestens die gleiche Menge.

Task-Force Borkenkäfer

Seit diesem Herbst geht es dem Borkenkäfer auch per Satellit an den Kragen. Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW hat detailliertes Kartenmaterial im Internet veröffentlicht, mit dem sich jedermann ein Bild vom Zustand der oberbergischen Nadelwälder machen kann.

Die Parzellen sind mit sieben verschiedenen Farben markiert. Dunkelrote Flächen sind bereits abgestorben, je heller der Ton, desto gesünder die Bäume. Die „Task-Force Borkenkäfer“ des NRW-Umweltministeriums aktualisiert die Karten laufend. „Wir können so viel besser einschätzen, wo die Bekämpfung erfolgversprechend ist“, betont Dr. Mathias Niesar vom Regionalforstamt in Gummersbach.

Die Übersicht der Schäden ist unter dem Reiter „Waldschäden und Gefahrenabwehr“ und dann unter „Vitalitätsabnahme“ zu finden. (sfl)

www.waldinfo.nrw.de

Am stärksten betroffen sei der Oberbergische Kreis. Kay Boenig schätzt, dass über die Hälfte der befallenen Bäume zwischen Wupper und Agger steht, mit weitem Abstand gefolgt vom Rheinisch-Bergischen und dem Raum Wuppertal/Solingen.

Borkenkäfer brütete bis in den Dezember

Auf mindestens 500 Millimeter Niederschlag zwischen Mai und Oktober seien Wurzelwerk und Verdunstungssystem der hiesigen Fichten ausgelegt. In diesem und im Vorjahr seien im genannten Zeitraum aber nur je 200 Millimeter zusammengekommen, berichtet Boenig.

Durch die warme Witterung im Spätherbst 2018 habe der Borkenkäfer bis in den Dezember hinein brüten und damit drei Generationen hervorbringen können. „Aus einem Weibchen sind so fast 200.000 Käfer geworden“, betont Hans-Friedrich Hardt.

„Das Käferholz muss raus aus dem Wald und weg“

„Die Bäume standen nicht im Saft und wurden obendrein von mehreren Tausend Tieren attackiert.“ Immense Probleme bereitet laut den beiden Forstexperten weiterhin die Aufarbeitung und Vermarktung des Käferholzes. „Es fehlt an Waldarbeitern, Forstmaschinen, Holztransportern und Sägewerken“, sagt Boenig. Nur etwa ein Viertel des Holzes habe man bisher als Rohstoff vermarkten können, im großen Stil auch nach China.

Forstamt

Regionalforstamtsleiter Kay Boenig (l.) und Hans-Friedrich Hardt, Vize-Vorsitzender des Waldbauernverbandes.

„Durch die Sturmtiefs Burglind und Friederike mit europaweiter Zerstörung Anfang 2018 ist der Markt auf unserem Kontinent weiterhin überschwemmt, wir bekommen das Holz hier nicht untergebracht“, betont Hardt. Die Kritik, dass der Transport per Schiff nach Fernost nicht gerade als umweltfreundlich gilt, kann er verstehen. Aber: „Wir betreiben hier reine Entsorgung, das Käferholz muss raus aus dem Wald und weg.“

Schäden treffen vor allem Kleinstbesitzer

Den bisherigen Schaden im Bergischen Land beziffert Boenig auf etwa 50 Millionen Euro. Betroffen seien vor allem die rund 30.000 Kleinstbesitzer mit ihren zwei bis vier Hektar großen Flächen. Der Festmeter-Preis stürzte von über 90 auf 34 Euro, Tendenz aktuell weiter fallend. „Für Holzunternehmer und den Transport zahlt man 30 Euro, da bleibt nichts übrig“, so Hardt. „Die jahrzehntelang gepflegte Sparkasse der Waldbauern ist plötzlich leer.“ Vor allem mit Blick auf die Pflicht, in der Nähe von Straßen und Wanderwegen für sicheren Wald zu sorgen, seien viele Menschen finanziell schlicht überfordert.

Investitionen von Bund und EU in Wiederaufforstung

Der Wald gehe alle an, finden Kay Boenig und Hans-Friedrich Hardt. Zusätzlich zum NRW-Förderprogramm müssten deshalb auch der Bund und die EU mit ins Boot. Die nötigen Investitionen für die Wiederaufforstung allein im Bergischen beziffern sie auf fast 30 Millionen Euro – für eine erwartete Fläche von fast 5.000 Fußballfeldern.

Möglicherweise werde der Bürger künftig auch mit der Sperrung von Waldgebieten konfrontiert, ganz sicher aber mit Dreck und Lärm durch die Abfuhr von Schadholz. „Da wird schon jetzt viel geschimpft“, berichtet Boenig aus seinem Alltag. „Wir werben inständig für mehr Verständnis in dieser Ausnahmesituation.“

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