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Wer mal in die Zeitung gehörtSonderpädagoge über seine Arbeit in Oberbantenberg

Lesezeit 3 Minuten

Michael Kaspers ist leidenschaftlicher Sonderpädagoge.

Oberbantenberg – Eigentlich wollte Michael Kaspers nur 17 Monate Zivildienst leisten an einer Körperbehindertenschule in Duisburg. Dann wurde ein ganzes, langes Berufsleben daraus. „Mir hat die Wertschätzung gefallen, die mir vom Team entgegengebracht wurde. Und dann schien es mir lohnenswert, mich um Kinder mit Benachteiligung zu kümmern.“ Deshalb studierte er Sonderpädagogik in Köln und trat 1987 seine erste Stelle an der damaligen Rheinischen Schule für Körperbehinderte in Oberbantenberg an – und blieb, bis heute.

„Diese Schule ist etwas Besonderes“, sagt der 62-Jährige, „geprägt von einer heiteren Gelassenheit. Der Zusammenarbeit im Team mit Krankenschwestern, Therapeuten, Lehrern und Lehrerinnen und jungen Praktikanten. Von Überlegungen, was Menschen gut tut.“

Geht nicht unbedingt um Schulabschluss

Jungen Menschen, die sehr verletzlich sind, weil sie etwa chronisch krank sind. Deren Beeinträchtigung fortschreitet, zum Beispiel durch eine Muskeldystrophie. Von denen einige nur noch eine begrenzte Lebenserwartung haben. „Es geht hier nicht unbedingt um einen Schulabschluss. Als Lehrer muss ich nicht mit fachlichen Leistungen brillieren.“ 14 Fächer habe er im Laufe der Zeit unterrichtet, erzählt er schmunzelnd. „Alles außer Kunst. Da bin ich so ein Dummbatz, dass ich froh war, wenn das eine Kollegin übernahm.“ Wichtiger als das Fachliche sei die Beziehung. „Jeden Morgen gut gelaunt zur Schule zu gehen und Freude daran zu haben, das ist das Geheimnis, das spüren die Schüler.“

Ob das in so vielen Berufsjahren immer gelingt? In Jahren, die Veränderungen brachten: Die alte Schule, mit Eimern unterm undichten Dach, brannte 1990 ab. Unterrichtet wurde behelfsmäßig in Kirchen, Wohnheimen und sogar Privatwohnungen bis zum Umzug ins ehemalige Bergneustädter Krankenhaus. Schließlich war die neue Schule fertig, heute heißt sie Hugo-Kükelhaus-Schule. Viel schwerer als die äußerlichen Veränderungen wiegen andere. „Die Schülerschaft hat sich verändert. Unter anderem durch die Inklusion. Viele Kinder, die früher hier gewesen wären, gehen heute zu anderen Schulen.“

„Nachhaltiger Frust“

Behutsam tastet sich Michael Kaspers an ein brisantes Thema heran, erzählt von denen, die bedingt durch die Gesetzgebung sehr spät erst von der Regelschule überwiesen werden. Vom „nachhaltigen Frust“ der Kinder, die dort scheitern und zurückkehren. „Da brauchen wir ein Jahr, um das aufzufangen und so etwas wie eine Motivation wieder aufzubauen.“

Seit einigen Jahren werden auch die Autismus-Spektrum- Schüler immer mehr – 30 bis 40 Prozent seien es an der Schule, in seiner Klasse sogar die Hälfte. Kinder und Jugendliche, denen die Kontrolle ihrer Reaktionen schwerfällt, die sich schwer tun mit angemessenem Sozialverhalten, auch aggressiv werden.

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„Es wurde so anstrengend, dass ich gern eine Alternative gehabt hätte. Nicht mehr an vorderster Front stehen. Ich fühlte mich pädagogisch überfordert, kam an meine Grenzen. Aber wer will denn einen Lehrer mit so vielen Berufsjahren?“ Hilfe kam – unverhofft – von jüngeren Kolleginnen: „Die hatten das alles voll auf dem Schirm. Ich habe von ihnen gelernt. So wurden die letzten Jahre doch noch froh und gut.“

Und mit dem Distanzunterricht, den festen Strukturen und fehlenden Sozialkontakten kämen gerade die Autisten viel besser zurecht als ihre Geschwister an anderen Schulen. Noch zwei Monate, dann geht Kaspers in ein Sabbatjahr und danach in den Ruhestand. „Bis zum letzten Tag tue ich alles für meine Schülerinnen und Schüler. Aber dann muss Schluss sein. Darauf freue ich mich.“

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