„Süchtig nach der Bühne“Bielsteiner Tanzmäuse trainieren für die Zeit nach Corona
Bielstein – Den Teppich eingerollt, den Wohnzimmertisch an die Seite geschoben, die Isomatte auf dem Boden ausgebreitet, die Handykamera ausgerichtet – und los geht’s! 50 Hampelmänner, dann 30 Liegestützen. Trainerin Charena Jannicke, ihr Mann René und Co-Trainer Wolfgang Müller machen es vor, und 38 junge Frauen und Männer, zugeschaltet per Videokonferenz, machen mit. Da kommt auch Kommandant Dennis Gründler in Jogginghose, Turnschuhen und Schlabbershirt ordentlich ins Schwitzen. Das Handtuch zum Abtrocknen liegt griffbereit. So sieht das Training der Karnevalstanzgruppe Tanzmäuse im Karnevalsverein Bielstein in Coronazeiten aus. „So halten wir uns fit, und witzig ist es auch.“
Denn sie können sich alle gegenseitig sehen auf dem Bildschirm, drücken gilt nicht, aber das hat auch niemand vor. „Ohne regelmäßige Dehnübungen geht gar nichts, da bekommen wir die Beine nicht mehr in die Höhe und die Mädels können den Spagat vergessen“, seufzt Kommandant Gründler. Sowieso würde es Monate dauern, wieder auf den Stand von „Vor-Corona“ zu kommen.
Jede Woche wenigstens eine halbe Stunde
So wird jede Woche wenigstens eine halbe Stunde gemeinsam trainiert, statt zweimal wöchentlich rund drei Stunden. Außerdem joggt der Kommandant, er radelt. Und weil er und seine Tanzpartnerin Vanessa Schlag auch im echten Leben ein Paar sind, dürfen sie sogar manchmal eine - sonst als Kontaktsport zur Zeit verbotene - Hebefigur proben.
„Auch mal auf der Terrasse, das ist dann für die Nachbarschaft ein Hingucker“, schmunzelt der 28-jährige. Ohne ganzjähriges Training sei die Verletzungsgefahr zu groß, wenn – ja, wenn! – es wieder los geht mit dem Auftritten. Irgendwann.
Wie sieht Session dieses Jahr aus?
„Eigentlich wäre jetzt die große Zeit der Sitzungen“, bedauert der Tanzmäuserich. Sie wären im eignen Tourbus unterwegs zu rund 50 Auftritten, jedes Wochenende auf Achse, Beifall garantiert. „Das ist Stress, aber positiver Stress, es macht extrem viel Spaß“, schildert Gründler. „Wie die anderen auch bin ich geradezu süchtig nach der Bühne.“ Selbst wenn er mal im Laufschritt zum Auftritt rennen müsse, weil es auf der Arbeit spät geworden sei. „Das nimmt man gern in Kauf und freut sich auf den Höhepunkt an Weiberfastnacht und am Rosenmontag.“
Dieses Jahr? „Da gehe ich ganz normal arbeiten werde wohl ziemlich nachdenklich und traurig sein“, ahnt der Geschäftsleiter eines Autohauses. „Abends dann gucken wir auf der Couch vielleicht ein Video von einer schönen Sitzung und schwelgen in wehmütigen Erinnerungen.“
Ein kleines Trostpflaster
Immerhin - ein kleines Trostpflaster gibt es. Ein befreundeter Verein plant ein großes Video, und spontan haben sich 21 Tanzmäuse zum Mitmachen angemeldet . Ein Mariechen hat die Choreografie zu einem Lied entworfen, jeder filmt sich dann selbst, im Kostüm natürlich, im Keller, im Wohnzimmer oder auf der Terrasse, dann wird das zusammen geschnitten.
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„So können wir wenigstens digital zusammen Karneval feiern.“ Die langjährige Trainerin und „Mäusemama“ Gaby Winkler ist ganz froh, dass sie sich aus der aktiven Arbeit zurückgezogen hat und der Truppe angesichts der Herausforderungen dieser Zeit nur noch moralisch „aber mit viel Herzblut“ den Rücken stärkt, sagt sie.
Viele Aufgaben außerhalb der Auftritte
Ein paar Aufgaben gibt es auch jetzt. So werden in diesem Tagen Kostüme gepflegt und angepasst, der abgestellte Karnevalswagen in Schuss gehalten, Sponsoren gesucht, die Internetpräsenz gepflegt. Ein neuer Tanz liegt fix und fertig in der Schublade und muss noch einstudiert werden.
Denn es gibt ein Karnevalsleben nach Corona, davon ist Gründler, der seit zehn Jahren bei den Mäusen tanzt, fest überzeugt. Und mit ihm die ganze Truppe. Bisher habe niemand entmutigt und frustriert aufgegeben. „Wenn es überhaupt etwas Gutes gibt in dieser Zeit, dann ist das unser großartiger Zusammenhalt als Gruppe, dass wir alle füreinander einstehen und geschlossen mit ,Bielstein kapaaf!’ Gas geben, sobald es wieder möglich ist.“