BestattungskulturEin neues Konzept für die Wiehler Friedhöfe

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Ein Mann und eine Frau stehen vor einer Bank auf dem Friedhof.

Mit neuen Bänken hat die Neugestaltung des Wiehler Friedhofs begonnen. Pia Tillmann und Kevin Markus haben noch viele Ideen.

Mehr Leben nach dem Tod: Die sechs städtischen Friedhöfe sollen nicht trostlos sein. Im Wiehler Hauptort wurde mit der Umsetzung eines neuen Konzepts begonnen.

Dass er seine Toten bestattet, unterscheidet den Menschen vom Tier. Wie er selbst bestattet werden will, unterscheidet sich wiederum von Mensch zu Mensch. Die letzte Ruhe ist heutzutage eine sehr individuelle Entscheidung geworden, was sich beim Rundgang über den Wiehler Friedhof an der Vielfalt der Grabstätten ablesen lässt.

Kevin Markus (33) beispielsweise möchte auf jeden Fall verbrannt werden. „Das habe ich mit meiner Frau schon so besprochen“, sagt der im Rathaus für die sechs Wiehler Friedhöfe zuständige Fachbereichsleiter. Seine Kollegin Pia Tillmann (27) hingegen weiß schon, dass sie komplett in einem Sarg unter die Erde gebracht werden möchte, „so wie ich gekommen bin“. Tillmann ist gelernte Bestattungsfachkraft und neu bei der Stadtverwaltung. Mit ihrer Erfahrung soll sie einen entscheidenden Beitrag bei der Neukonzeption der Friedhöfe leisten.

Weitere Urnenwände in Marienhagen und Weiershagen

Mit ihrer Entscheidung für eine Erdbestattung im Sarg gehört Tillmann inzwischen zu einer Minderheit. Schon vor zehn Jahren wurden auf den Friedhöfen im Stadtgebiet weniger als die Hälfte der Menschen auf diese Weise beerdigt, im vergangenen Jahr war es weniger als ein Drittel. Die allermeisten Menschen werden eingeäschert. Zugleich wächst der Wunsch nach „pflegefreien“ Grabstätten, denn immer weniger Verstorbene haben Kinder, die noch im Ort wohnen.

Wer nicht selbst regelmäßig zu Schere und Schaufel greifen oder eine Gärtnerei beauftragen möchte, hat die Wahl zwischen Rasenflächen, auf denen die Urne unter einer schlichten Platte oder ganz anonym vergraben wird, und Urnenwänden. Auf den Friedhöfen in Marienhagen und Weiershagen müssen bald neue Wände aufgestellt werden. Keinen freien Urnenplatz mehr gibt es in dem einzigen Wiehler Begräbniswald, der dem Friedhof Steinacker im Bechtal angegliedert ist.

Friedhof Wiehl leidet unter Sanierungsstau

Der Stadtrat hat der Stadtverwaltung aufgetragen, auf allen sechs Friedhöfen dauerhaft alle Bestattungsformen zu ermöglichen. Im Zuge des Konzepts haben sich Kevin Markus und Pia Tillmann zudem zum Ziel gesetzt, die Friedhöfe als Grünflächen zu modernisieren. Kevin Marcus bedauert, dass es in den vergangenen Jahren zu einem Sanierungsstau gekommen ist. Auch und gerade, wenn man trauert, sollte die Umgebung nicht trostlos sein.

Der Friedhof im Zentrum ist der größte im Stadtgebiet, dort beginnt die Zukunft der Wiehler Bestattungskultur. In diesen Tagen hat die Stadt als erstes Ergebnis der Umgestaltung 15 neue Bänke aufstellen lassen. Es sind dieselben Sitzgelegenheiten aus Sibirischer Lärche, die im Wiehlpark im Zuge der Innenstadtverschönerung aufgestellt wurden. Für viele Besucher ist der Friedhof gleichsam ein Ort der Naherholung. In diesem Sinne möchten Markus und Tillmann eine Fläche oberhalb der Friedhofshalle zum „Garten der Erinnerung“ umgestalten und in einen Treffpunkt verwandeln, an dem Trauergruppen zusammenkommen können.

Wiehler Mammutbaum als letzte Ruhestätte

Nun kann der Friedhof, anders als der Wiehlpark, nicht einfach abgeräumt und neu gebaut werden.  Dem Gestaltungsdrang stehen Gräber entgegen, deren Ruhezeit von 25 Jahren noch nicht abgelaufen ist und die bis dahin nicht angerührt werden dürfen, selbst wenn sie nur einzeln und verstreut in einer Rasenfläche liegen. Die Operation erfolgt sozusagen am lebenden Objekt. Die städtischen Gärtner können jeweils nur kleinere Flächen in Angriff nehmen. Und für einen echten Begräbniswald ist ohnehin kein Platz. Wer die eigene Asche oder die der Großmutter im Wurzelwerk eines Baumes betten will, soll dennoch auch in Wiehl eine Gelegenheit bekommen. Etwa unter dem stattlichen Mammutbaum im unteren Bereich des Geländes.

Blühstreifen und Bäume sollen den Totenacker naturnah beleben. Auch die derzeit recht düstere Trauerhalle würde Pia Tillmann gern umgestalten. „Die Leute mögen es heute gern etwas heller“, berichtet die Expertin. „Oft liest man ja schon in Traueranzeigen, dass die Gäste bei der Trauerfeier weiße Kleidung tragen sollen.“

Auch solche Fragen kann man schon zu Lebzeiten klären. Wichtiger noch aber ist eben die Frage, ob die eigenen sterblichen Überreste dereinst verbrannt werden sollen und welchen Platz die Urne bekommen soll. Pia Tillmann empfiehlt jedem, sich rechtzeitig festzulegen. „Das macht es den Hinterbliebenen leichter.“ In Wiehl wird sich dann ein Platz finden.


Teure Grabkammern in Engelskirchen

Die Umsetzung des Wiehler Friedhofskonzepts ist ein Langzeitprojekt, bei dem auch die Kassenlage maßgeblich sein wird. Aus Kostengründen hat die Stadt denn auch darauf verzichtet, für einen sechsstelligen Betrag ein externes Fachbüro zu beauftragen, sondern vertraut auf eigene Kräfte. Im Prinzip sollen auch die Modernisierungsmaßnahmen durch die Gebühreneinnahmen gedeckt werden. Mit Jahresbeginn hat die Stadt die Friedhofsgebühren um rund zehn Prozent erhöht, das ist allerdings immer noch deutlich weniger als die 25,5 Prozent, die eigentlich für die Kostendeckung notwendig wären. Weitere Erhöhungen werden kommen. Im kommunalen Vergleich sind die Bestattungskosten in Wiehl (z.B. Reihengrab 1333 Euro, Urnenreihengrab 826 Euro) noch vergleichsweise günstig, vor allem in Engelskirchen sind sie bei allen Bestattungsformen teils deutlich höher (1606 und 1446 Euro).

Kostentreiber in der Gemeinde Engelskirchen sind zum einen die Freiflächen, die dort in Erwartung einer Einwohnerentwicklung ausgewiesen wurden, die nicht eingetreten ist, berichtet Abteilungsleiter Andreas Kiel. Zum anderen gebe es in der Gemeinde zwei konfessionelle Friedhöfe, die die Auslastung und somit die Wirtschaftlichkeit der sechs kommunalen Friedhöfe schmälern. Kurios ist der dritte Grund: Der Gebührenhaushalt werde bis heute durch eine Fehlinvestition aus den 1990er Jahren belastet, berichtet Kiel. Damals habe man geglaubt, dem Wunsch nach kürzeren Ruhezeiten nachzukommen, indem man für 750.000 Mark Grabkammersysteme aus Beton anlegen ließ. Diese sorgen dafür, dass der Sarg nur am Boden mit Erde in Kontakt kommt, was die Zersetzung von Leichnam und Sargholz in 15 Jahren gewährleistet. Kiel: „Dieses Angebot wird so gut wie gar nicht angenommen.“

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