Der Musikzug der Wiehler Feuerwehr besteht seit 100 Jahren. In den 1960er Jahren erfand sich die Kapelle neu und spielte fortan Tanzmusik.
100. GeburtstagWie aus der Wiehler Feuerwehrkapelle eine Partyband wurde
Der Musikzug der Feuerwehr Wiehl trägt bei seinen Auftritten selten Uniform. Er ist auch längst keine Blaskapelle mehr, sondern unter dem Namen „Nachtexpress“ als flotte Tanzcombo im Einsatz. In diesem Jahr feiert er sein 100-jähriges Bestehen.
In der Geburtstagsfete ist Musik drin: Nach einem Empfang für geladene Gäste feiert der „Nachtexpress“ sein Jubiläum am Samstag ab 19 Uhr mit Konzert und Party in der Turnhalle im Gründungsort Marienhagen. Einlass ist um 18 Uhr, der Eintritt ist frei.
Der genaue Gründungstag lässt sich nicht mehr feststellen, denn die Kapelle entwickelte sich aus einem lockeren Zusammenschluss von Musikliebhabern. Fest steht aber, dass 1973 das 50. Jubiläum und im Jahr 1998 der 75. Geburtstag begangen wurde. Musikzugführer Ralph Bonfanti hat sich in den vergangenen Wochen mit der Geschichte des Vereins auseinandergesetzt.
Dabei ist er auf die handschriftlichen Aufzeichnungen von Ulrich Haschek gestoßen, der seine Erinnerungen an die Gründungszeit festgehalten hat. Demnach hatten dieser und sein Arbeitskollege Eugen Theis damals den Gedanken, „eine kleine Hausmusik zu gründen, welche zur eigenen Unterhaltung dienen sollte“. Mit fünf Leuten fand dann an einem Dienstagabend Ende Juli 1922 die erste Probe bei Robert Theis in Marienhagen statt.
Freibier für die Wiehler Musiker
Haschek schreibt dazu: „Es war ein wahres Ereignis für Marienhagen. Mit Vorliebe lauschte man bei offenen Fenstern unseren Klängen, die allerdings noch viel zu wünschen übrig ließen.“ Weiter heißt es in der Chronik: „Den auswärtigen Kollegen hat es sehr gefallen, denn es gab immer Freibier.“ Das Instrumentarium wurde aus privaten Mitteln bezahlt und bestand aus verschiedenen Blasinstrumenten und einem Tambourin.
Nach mehrwöchigem Proben begleitete die inzwischen auf acht Musiker angewachsene Gruppe erstmals eine Übung der Feuerwehr: „Trotz allen unseren Anstrengungen klappte die Marschmusik nicht besonders“, stellt Haschek fest. Daher wurde Wilhelm Strässer aus Driesch zum ersten ordentlichen Probenleiter bestellt.
Nach mehrmaligem Dirigentenwechsel sollte eine Tuba als Hauptinstrument angeschafft werden, was schließlich durch Spenden und das Einlösen von 12 Zentner Getreide verwirklicht werden konnte. Im Laufe des Jahres 1924 schloss sich die Kapelle schließlich der Freiwilligen Feuerwehr Marienhagen an und führte sie von nun an in ihrem Namen.
Die „Freiwillige-Feuerwehr-Kapelle Marienhagen“ wurde Mitte 1933 – mittlerweile 22 Mann stark – zur „Sturmbannkapelle“ ernannt. Der langjährige Leiter Friedrich Veit musste sein Amt niederlegen, da er nach Meinung der nationalsozialistischen Entscheidungsträger „der Sache nicht mehr gewachsen“ war.
Allerdings schrumpfte der Mitgliederstamm unter dem Bickenbacher Militärmusiker Karl Bertram dann im Laufe eines Jahres auf nur noch neun Musiker, so dass Veit doch wieder als Leiter eingesetzt wurde. Es gelang ihm, die Kapelle wieder spielfähig zu machen, wofür er übrigens keine große Bezahlung verlangte: „Fleißiges und tüchtiges Üben sind mir Dank und Anerkennung genug.“
Der Musikzug hat sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte kontinuierlich weiterentwickelt und das Repertoire und Instrumentarium dem Zeitgeist angepasst. Schließlich erfand er sich gleichsam neu: Aus der Blaskapelle wurde in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts eine moderne Tanz- und Partyband mit kräftigem Bläsersatz, Schlagzeug, Keyboard, Bass, Gitarre und Gesang. In dieser Zeit wurde auch der Name „Nachtexpress“ eingeführt, das reine Bläserensemble löste sich bald auf.
Heute besteht der Musikzug aus elf aktiven Musikern, seit drei Jahren unter der Leitung von Tim Marrenbach. Eine Abteilung der Feuerwehr ist der Nachtexpress geblieben. Der Auftrag lautet nur nicht löschen oder retten, sondern „Spaß an der Musik haben und damit gute Stimmung verbreiten“.