Bald werden Sophia Janz (30) und Rosana Sug (30) in der Herren-Bundesliga pfeifen. Im Interview verraten die Wiehlerinnen, worauf es dann ankommt.
GlückwunschZwei Schiris aus Wiehl gehören jetzt zur Elite im deutschen Handballsport
Mit den Oberwiehlerinnen Sophia Janz (30) und Rosana Sug (30) ist ein Frauengespann, 15 Jahre nachdem sie zum ersten Mal zur Pfeife gegriffen haben, aus dem Bundesligakader in den Elite-Anschlusskader des Deutschen Handballbundes (DHB) aufgestiegen. Damit gibt es schon bald ein zweites Frauengespann in der Handball-Bundesliga der Männer neben Tanja Kuttler und Maike Merz, die zurzeit bei den Olympischen Spielen pfeifen. Am vergangenen Wochenende haben die beiden Oberwiehlerinnen den Elitekaderlehrgang absolviert. Was das für sie bedeutet und wie sie dahin gekommen sind, darüber sprach Andrea Knitter mit den beiden Handballschiedsrichterinnen.
Sie sind in den Elite-Anschlusskader aufgestiegen, den zweithöchsten Schiedsrichterkader, den es in Deutschland gibt. Was ist das für ein Gefühl?
Sophia Janz: Das ist etwas ganz Besonderes für uns. Wir arbeiten schon lange daran, es bis in die Spitze zu schaffen. Um dieses Ziel langfristig zu erreichen, werden wir weiterhin stetig daran arbeiten.
Schauen Sie mit einem Auge auch auf die Olympischen Spiele als ganz großes Ziel? Da sind zwei deutsche Gespanne am Start.
Rosana Sug: Nein, das ist sehr weit weg. Vor allem auch, weil wir in Deutschland quasi ein Luxusproblem bei den Spitzengespannen haben. Das liegt daran, dass wir die stärkste Handballliga der Welt haben und dadurch auch sehr viele, sehr gute Gespanne für Deutschland pfeifen. Unser mittelfristiges Ziel ist es daher erstmal, in der Herren-Bundesliga anzukommen und Fuß zu fassen.
Karriere startete in Oberwiehl
Wann hat Ihre Schiedsrichterlaufbahn begonnen?
Janz: Wir haben 2009 beim CVJM Oberwiehl zusammen begonnen, mit einem Schiedsrichterlehrgang in Bergneustadt, damals unter Schiedsrichterwart Daniel Köpplin.
Wie kam es dazu?
Sug: Wir haben zusammen Handball gespielt und uns überlegt, dass wir es auch mal mit der Pfeife probieren wollen und haben diese daraufhin nie wieder weggelegt.
Waren Sie da schon Freundinnen?
Janz: Wir kennen uns seit dem Latein-Unterricht in der siebten Klasse des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums. Wir haben in einer Mannschaft gespielt und sind seitdem so gut wie unzertrennlich.
Wiehlerinnen begannen als Schülerinnen mit dem Pfeifen
Wie ist die Leidenschaft fürs Pfeifen gewachsen?
Janz: Lehrgänge waren interessant und die ersten Spiele haben Spaß gemacht und wir haben irgendwann einen gewissen Ehrgeiz entwickelt. Dazu kam, dass man ein bisschen Geld nebenbei verdienen konnte, was für uns als Schülerinnen ein weiterer Vorteil war.
Sug: Es war aber auch gut, dass wir von Anfang an zusammen gepfiffen haben, denn sonst hätte es nur halb so viel Spaß gemacht.
Spielt es eine Rolle, dass Sie ein weibliches Schiedsrichtergespann sind?
Sug: Für uns nicht. Natürlich ist klar, dass das Zuschauern und Spielbeteiligten auffällt und mitunter auch mal überrascht. Wir mussten in der Vergangenheit auch schon das ein oder andere Mal darum kämpfen, auf den Parkplatz der Schiedsrichter gelassen zu werden, weil man es uns einfach nicht geglaubt hat. Aber am Ende des Tages möchten alle gute Schiedsrichter haben. Ich glaube, den Gummersbacher Fans oder den Handballern in der Bundesliga ist es egal, ob zwei Frauen oder zwei Männer die Spiele pfeifen.
Wie war Ihr Werdegang?
Janz : Wir haben zunächst auf Kreisebene gepfiffen bis hin zu den Seniorenspielen, sind in den Mittelrheinkader aufgestiegen und haben dort die Jugend-Oberligen gepfiffen, weiter ging es über die Verbandsklassen und die A-Jugend-Bundesliga über die Frauen-Bundesligen bis hin zum Elite-Anschlusskader, dem wir ab jetzt angehören.
Was bedeutet das?
Sug: Dass wir jetzt auch Spiele in der ersten Bundesliga der Männer pfeifen werden. Wann das erste Spiel sein wird, steht aber noch nicht fest. Erfahrungen mit Männerspielen haben wir ja schon in der Zweiten Liga gesammelt. Vor knapp drei Jahren haben wir dort unserer erstes Spiel gepfiffen. Es war die Partie zwischen Bietigheim und Eisenach, wo damals noch der Strombacher Markus Murfuni Trainer war.
Wiehlerinnen investieren 20 Stunden pro Woche in das Pfeifen
Was macht gute Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter aus?
Sug: Man muss selbstkritisch sein, ohne Selbstkritik hat man keine Chance. Außerdem sind wir alle im Herzen Handballer, lieben den Sport, haben eben nur eine andere Rolle eingenommen.
Janz: Man muss den Sport lieben, denn der Großteil der Freizeit und der Urlaubstage geht für das Schiedsrichtern drauf. Dafür braucht man als Schiedsrichter unter anderem auch die passende Unterstützung aus seinem Umfeld, sowohl vom Arbeitgeber als auch privat. Ich arbeite als Disponentin bei den Packmitteln in einem Arzneimittelunternehmen und bekomme zum Glück diese Unterstützung von meinem Arbeitgeber.
Auf wie viele Stunden kommen Sie mit ihrem Hobby?
Sug: Es summiert sich auf circa 20 Stunden die Woche, ist also quasi eine Halbtagsstelle. Dazu gehören die Trainingseinheiten, Vor- und Nachbereitung der Spiele ebenso wie Hotel- oder Mietwagenbuchungen. Bis 700 Kilometer für Hin- und Rückfahrt machen wir an einem Tag, bei längeren Touren übernachten wir dann in der Regel , denn die Einsätze erfordern viel Konzentration. Ich arbeite als Wirtschaftspsychologin bei OBI und werde ebenfalls von meinem Arbeitgeber gefördert und unterstützt.
Die beiden Frauen aus Wiehl gibt es nur im Doppelpack
Wie reagieren Ihre Partner und Familien darauf, dass Sie so viel Zeit mit Ihrer Schiedsrichterkollegin verbringen?
Janz: Die unterstützen uns so gut sie können und kennen uns auch nur im Doppelpack. Getrennt sind wir eigentlich nur zweimal im Jahr, nämlich dann, wenn wir Urlaub haben.
Sug: Unsere Partner sagen, sie wissen, dass sie nur die zweite Ehe sind. (lacht). Wir freuen uns aber auch, wenn es im Sommer mal eine kurze Handballpause gibt.
Janz: Unsere Familien akzeptieren auch, dass wir nicht immer bei allen Geburtstagen und Familienfeiern dabei sein können.
Gab es auch schon mal den Gedanken, alles hinzuschmeißen?
Sug: Es gibt auch mal Phasen, in denen es nicht so läuft. Schwierig war die Zeit, als wir in der Dritten Liga ausschließlich Frauenspiele gepfiffen haben. Das war eine Phase, da war Durchhalten gefragt. Die Spiele haben natürlich Spaß gemacht , aber langfristig fehlte uns zu diesem Zeitpunkt die mögliche Perspektive. Mittlerweile hat DHB-Schiedsrichterchefin Jutta Ehrmann-Wolf die Regelung aufgehoben. Insgesamt sind es aber auch nur ganz wenige Momente gewesen, in denen wir zweifelten.
Wiehlerinnen ergänzen sich perfekt
Was waren denn echte Highlights für Sie?
Janz: Die Teilnahme am Länderpokal war so ein Highlight. Außerdem sind die jeweils ersten Spiele in einer neuen Liga ein Highlight, da dies Spiele sind, auf die wir zum Teil lange hingearbeitet haben.
Sug: Toll war auch die Schulweltmeisterschaft in Serbien, bei der wir im Halbfinale gepfiffen haben.
Sie treffen sich fünf Tage die Woche und das seit fast 15 Jahren. Was macht die Freundschaft für Sie aus?
Janz: Nach 15 Jahren im Team wissen wir so gut wie alles voneinander und wissen, wie der jeweils andere Dinge beurteilt. Da gibt es viel konstruktive Zusammenarbeit aber nie Streit.
Sug: Wir können uns alles sagen und akzeptieren es. Zwischen uns gibt es eine absolute Aufrichtigkeit. Wir wirken auf den ersten Blick eher unterschiedlich, sind uns aber sehr ähnlich und ergänzen uns. Wir verstehen uns als Team, in guten und schlechten Zeiten.
Wie würden Sie jemandem das Schiedsrichtern schmackhaft machen?
Sug: Es ist ein cooler, attraktiver Job im Handball, in dem man viel erreichen kann. Wir wünschen uns, dass auch andere Handballer diesen spannenden Rollenwechsel mal ausprobieren und vielleicht für sich entdecken, denn wir brauchen mehr Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen in Deutschland!