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Skandal an der NeyetalsperreMehrere hunderttausend Liter Gülle fließen ins Naturschutzgebiet

Lesezeit 4 Minuten
Ein toter Fisch im Wasser.

Mehr als 100 verendete Fische wurden bislang gefunden, aufgesammelt und entsorgt.

Die Gülle stammt von einem landwirtschaftlichen Betrieb in Kotten (Märkischer Kreis), von dort strömte sie in einen Nebenarm der Neye.

Mehrere hunderttausend Liter Gülle sind zwischen Donnerstag, 5. September, und Samstag, 7. September, in die Neyetalsperre geflossen. Die Gülle stammt von einem landwirtschaftlichen Betrieb in Kotten (Märkischer Kreis), von dort strömte sie in einen Nebenarm der Neye und von dort in die Talsperre. Bislang wurden über 100 verendete Fische gefunden, aufgesammelt und entsorgt.

Der Oberbergische Kreis hat Umweltalarm ausgelöst. Gemeinsam mit dem Märkischen Kreis und dem Wupperverband wird jetzt das Ausmaß des Schadens untersucht. Die Trinkwasserversorgung sei nicht gefährdet, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung.

Im Jahr 2015 hatte die Neyetalsperre bundesweit für Schlagzeilen gesorgt

2015 hatte die Neyetalsperre bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Damals waren rund 1,7 Millionen Liter Gülle in die Neye und die Talsperre gelangt, eine Umweltkatastrophe von bislang ungekanntem Ausmaß. Doch es war nicht der erste Vorfall dieser Art. Bereits 2014 waren von dem Hof in Kotten 20.000 bis 40.000 Liter Gülle in die Neye geflossen.

Der jetzige Vorfall ist somit bereits der dritte dieser Art. „Es ist für uns alle schwer verständlich, warum dieser Hof noch nicht stillgelegt worden ist“, sagt Klaus Zehrtner von der Energie- und Wasser GmbH (EWR), einer Tochter der Stadtwerke Remscheid. Ihr gehört die Talsperre, obwohl diese auf Wipperfürther Gebiet liegt. Der erneute massive Gülleeintrag müsse Konsequenzen haben, so die Forderung der EWR.

Ein verschmutztes Gewässer.

Anwohner hatten den Revierförster informiert, dass im Bereich der Neye-Zuläufe ein auffälliger Geruch und eine Trübung zu beobachten war

Die Technische Betriebe Remscheid GBR – zuständig für den Forst rund um die Talsperre – hat am Samstag gegen 19 Uhr der Rufbereitschaft des Umweltamtes des Oberbergischen Kreises einen möglichen Schadenseintrag in einem Nebenarm der Neye (Neye II) gemeldet. Zuvor hatten Anwohner den Revierförster informiert, dass im Bereich der Neye-Zuläufe ein auffälliger Geruch und eine Trübung zu beobachten war.

Die Neye II bildet auf einer Länge von rund 2,5 Kilometern die Grenze zwischen dem Oberbergischen und dem Märkischen Kreis. Vor Ort trafen sich kurz darauf Vertreter des Umweltamtes des Oberbergischen Kreises, der Technische Betriebe Remscheid (TBR) sowie des Wupperverbandes, der für den Talsperrenbetrieb zuständig ist. Dabei stellten die Experten einen massiven Gülleeintrag in das Gewässer fest. Boden- und Wasserproben wurden genommen. In rund zwei Wochen soll das Ergebnis vorliegen.

„Dem Landwirt wurden umgehende Maßnahmen aufgegeben“

Die Untere Wasserbehörde des Märkischen Kreises hat ein nicht mehr funktionsfähiges Regenrückhaltebecken auf dem Betrieb in Kotten festgestellt. „Dem Landwirt wurden umgehende Maßnahmen aufgegeben, dieses wieder funktionsfähig zu machen und durch weitere Sicherungsmaßnahmen, unter anderem Wälle und Gräben, einen erneuten Gülleeintrag in Gewässer zu verhindern“, heißt es in der Pressemitteilung.

Der Zulauf zu den ehemaligen Fischteichen an der Neye und der Stollen zur benachbarten Bever-Talsperre wurden geschlossen, ebenso wie die Überleitung in die Eschbachtalsperre. Es wird kein Wasser an den Bachlauf unterhalb der Talsperre abgegeben.

Polizei und Staatsanwaltschaft sind informiert und ermitteln, die Polizei bittet um mögliche Hinweise. „Das ist eine Katastrophe, die aufgeklärt werden muss“, sagte Wipperfürths Bürgermeisterin Anne Loth in einer ersten Stellungnahme. Entsetzt zeigte sich auch Burkhard Mast-Weisz, Oberbürgermeister von Remscheid.

Von einem „Skandal erster Güte“ spricht Seb Schäfer, Fraktionsgeschäftsführer der oberbergischen Grünen. Die Grünen waren am Wochenende von den Naturschutzverbänden informiert worden und hatten gestern unsere Zeitung informiert. Die Frage, wer dafür verantwortlich zeichnet, dürfte die jetzt beginnende Diskussion bestimmen


Güllekatastrophe sorgte schon einmal für Schlagzeilen

Für bundesweite Schlagzeilen sorgte im Jahr 2015 eine Güllekatastrophe an der Neyetalsperre in Wipperfürth. Bis heute beschäftigt der Fall die Gerichte.

18. März 2015: Von einem Bauernhof in Kotten (Märkischer Kreis) strömen rund 1,7 Millionen in de Neyebach. Der Schlauch eines 8000 Kubikmeter fassenden Güllebehälters war umgelegt worden. Die Polizei ermittelt, der Landwirt spricht von „Sabotage“.

25. März 2015: Der Wupperverband beginnt damit, die Gülleblase über eine stillgelegte Wasserleitung ins Klärwerk nach Hückeswagen abzupumpen. Der Neyebach und die angrenzenden Teiche sind ökologisch tot.

März 2016: Ein Jahr nach der Katastrophe wird die Neyetalsperre immer noch regelmäßig kontrolliert. Bei warmem Wetter weist das Reservoire einen geringen Sauerstoffgehalt aus, was die Bildung von Blaualgen fördert.

Juni 2017: Das Oberlandesgericht Hamm verurteilt den Landwirt aus Kotten in einem Zivilprozess zu Schadensersatz. Ein weiterer Zivilprozess, den die EWR angestrengt haben, läuft bis heute.

Oktober 2017: Vor dem Landgericht Hagen endet der Strafprozess gegen den Landwirt aus Kotten mit einem überraschenden Freispruch – aus Mangel an Beweisen.