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GesundheitswesenStadt und Ärzte entwickeln in Wipperfürth ein Modell gegen den Ärztemangel

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Eine Medizinerin untersucht einen Patienten mit einem Stethoskop.

Immer mehr Hausärzte, die in den Ruhestand gehen (wollen), finden keine Nachfolger für ihre Praxis – auch in Wipperfürth.

Die Stadt Wipperfürth richtet eine „Stabsstelle Gesundheit“ ein, um auf die aktuellen Entwicklungen im Gesundheitswesen zu reagieren.

Der Ärztemangel ist insbesondere in den ländlichen Regionen ein zunehmendes Problem. Immer mehr Hausärzte, die in den Ruhestand gehen (wollen), finden keine Nachfolger für ihre Praxis. Junge Menschen wollten sich oft nicht selbstständig machen und seien auch nicht mehr so selbstverständlich bereit, 60 oder mehr Stunden pro Woche zu arbeiten, wie das in seiner Generation eigentlich üblich gewesen sei, sagt Bernd Wigger. Er war rund 40 Jahre als niedergelassener Arzt in der Hansestadt Wipperfürth tätig, bevor er die Praxis an seinen Sohn übergeben hat.

Die Situation in Wipperfürth sei noch nicht dramatisch, aber schon deutlich angespannt. Und es sei schon jetzt absehbar, dass sich die Entwicklung weiter verstärken werden. Zum einen gebe es immer mehr ältere Menschen, die häufiger einen Arzt benötigten, zum anderen gebe es immer weniger Hausärzte, sagt Wipperfürths Bürgermeisterin Anne Loth.

Rückgang bei Fachärzten, stationärer Versorgung und bei den Apotheken

Auch bei den Fachärzten und der stationären Versorgung sowie bei den Apotheken gebe es zunehmend einen Rückgang, berichtet Günter Müller. Er ist Strategieberater im Gesundheitswesen und Geschäftsführer des Unternehmens „Galeriavital“.

Die Kommunen würden erst von der Schließung von Praxen erfahren, wenn kaum noch eine Unterstützung möglich sei. Drei bis fünf Jahre dauere es in der Regel, bis eine Arztpraxis neu besetzt werden könne, so Müller.

„Was können wir machen, um Ärzte in Wipperfürth zu halten und neue zu holen?“, sei die Kernfrage gewesen. Die Antwort war ein gemeinsam von Verwaltung, Müller und Wigger entwickeltes Konzept, um rechtzeitig auf Veränderungen in der Gesundheitsvorsorge reagieren zu können: das Wipperfürther Modell. Dazu wurde in der Verwaltung die Stabsstelle Gesundheit geschaffen.

Lokales Gesundheitswesen soll gesichert und verbessert werden

Citymanager Lars Schreckegast hat dabei die Aufgabe übernommen, das lokale Gesundheitswesen zu sichern und zu verbessern. Es ist eine herausfordernde und umfassende Aufgabe, bei der er auf viele Gespräche und die Zusammenarbeit mit den Ärzten, den anderen Gesundheitsdienstleistern in der Stadt, dem Krankenhaus und auch den Apotheken setzt. Wichtig sei ein intensiver Austausch, um frühzeitig zu erfahren, wo eine Veränderung ansteht, ein Arzt aufhören will oder eine Apotheke schließt, erläutert Lars Schreckegast.

Dazu ist eine Analyse erforderlich, wie die beruflichen Perspektiven der Ärztinnen und Ärzten und deren Lebensmodelle aussehen, macht Experte Müller deutlich. So laufe die Stadt Wipperfürth nicht den Ereignissen hinterher, sondern könne vorbeugen und rechtzeitig etwa freie oder frei werdende Praxissitze bewerben.

Ein Baustein, um junge Ärztinnen und Ärzte nach Wipperfürth zu holen, seien flexible Arbeitszeiten, Teilzeit, Elternzeit und Kinderbetreuung. Denn die Medizin werde weiblich, sagt Wigger. Das liege vor allem daran, dass junge Frauen beim Abitur die besseren Noten hätten und damit deutlich häufiger den für das Medizin-Studium erforderlichen Numerus clausus erreichen. Ein weiterer Baustein seien Fortbildungsangebote. „Wir müssen in den offenen Dialog kommen“, fordert Wigger.

Wir müssen in den offenen Dialog kommen.
Bernd Wigger, Arzt

Angesichts der aktuellen Entwicklung, an der die Politik eine gehörige Mitschuld trage, denn sie habe rund 4500 Medizin-Studienplätze abgeschafft, könne nicht mehr jeder Arzt wie früher nur auf sich und seine Praxis schauen. Es gebe viele Möglichkeiten, über die man reden könne und müsse. Dafür sei die Stabsstelle die richtige Adresse. Dort sollen alle Fäden zusammenkommen.

Beim Wipperfürther Modell ist auch die Kassenärztliche Vereinigung mit im Boot, mit der auch Gespräche geführt wurden. Bernd Wigger sieht noch viel Potenzial in der Hansestadt, die Schulstadt sei und in der es viele junge Menschen gebe. Diese müsse man frühzeitig für den Medizinberuf begeistern.

Große Ärztehäuser seien laut Wigger nicht sinnvoll, wenn sie nicht von und mit Ärzten geplant würden. In den Praxen gebe es noch viel Platz für weitere Ärzte und der Trend gehe zu größeren Gemeinschaftspraxen, die flexibler seien und dem einzelnen mehr Möglichkeiten bieten würden.

Stabsstelle Gesundheit der Stadt Wipperfürth, Lars Schreckegast, Telefon (0 22 67) 64-202, E-Mail: lars.schreckegast@wipperfuerth.de.