Wo sind sie hin?Lindlarer Jäger verdutzt über plötzlichen Wildschwein-Schwund
Wipperfürth/Lindlar – Die oberbergische Wildsau ist von der Bildfläche verschwunden. Während sich aktuell im Rheinisch-Bergischen Kreis und dem rechtsrheinischen Köln Beschwerden über zerstörte Beete häufen, die Wildschweine mitunter am helllichten Tag Komposthaufen und Mülllager umpflügen und die Verwaltungen Ratschläge für die unerwartete Begegnung im Garten veröffentlichen, fahnden die Jäger an Wupper, Sülz und Agger regelrecht nach dem Borstentier.
Lindlarer Hegering: „Fragen uns, wo die Schweine stecken“
„Tatsächlich fragen wir uns seit Monaten, wo die Schweine stecken“, verrät Hans Martin Thönnes, Leiter des Lindlarer Hegerings, etwas ratlos. Er berichtet von Revieren, in denen regelmäßig 30 bis 40 Tiere pro Jahr erlegt wurden – und die zuletzt ganze drei Abschüsse meldeten. Von einer Wildschweinplage könne keine Rede sein, im Gegenteil. „Man braucht schon sehr viel Geduld, um das Schwein überhaupt aufzustöbern“, erklärt Thönnes.
Auch in Wipperfürth stehen die Schwarzkittel auf der Vermisstenliste. Dort ist Hans Beinghaus Chef des Hegerings und auch er hält eindeutige Zahlen bereit. So erlegten die Jäger der Hansestadt im vergangenen Jagdjahr, das am 31. März 2021 endete, nur noch halb so viele Schweine wie im Jahr zuvor.
Wildschwein-Schäden in Landwirtschaft in Oberberg gesunken
Ein weiterer Beweis für die gesunkene Wildschwein-Population seien die „drastisch gesunkenen Schäden an landwirtschaftlichen Flächen“, allen voran an Maisfeldern, in denen es sich die Rotten gerne einen ganzen Sommer lang gemütlich machen.
Als Hauptgrund vermuten Beinghaus und Thönnes die „harte Bejagung“ der Schweine seit spätestens 2017. „Mit Blick auf die Afrikanische Schweinepest wurden die Bestände verringert, um die Zahl möglicher Überträger auf das Hausschwein zu verkleinern“, so Thönnes.
Dass die schlauen Wildschweine unter dem oberbergischen Jagddruck nun das Wipperfürther Neyetal verlassen haben, um den Supermarkt in Paffrath zu überfallen, scheint allerdings ausgeschlossen. Das Wildschwein gilt als standorttreu.
Die oberbergische Kreisverwaltung untermauert die These der beiden Hegering-Chefs mit Zahlen (siehe auch Kasten). Auf Anfrage unserer Zeitung erklärt die Untere Jagdbehörde in Gummersbach, dass die Schwarzwilddichte kreisweit unterschiedlich sei – eine besondere Problemlage sei zwischen Reichshof und Lindlar allerdings nicht bekannt.
Pandemiebedingter Ausfall von Gesellschaftsjagden hatte kaum Einfluss
Vor allem betont die Behörde jedoch, dass der pandemiebedingte Ausfall großer Gesellschaftsjagden aus ihrer Sicht wenig Einfluss auf die hiesige Wildschweinpopulation habe. Denn hier hätten Drückjagden – anders als in den Nachbarkreisen – keinen bedeutenden Einfluss auf die sogenannte Gesamtjahresstrecke. Heißt: In Oberberg werden die allermeisten Schweine vom Hochsitz aus geschossen.
Die Experten des Kreises bezweifeln zudem, dass man überhaupt aus dem Auftauchen der Borstentiere in Wohngebieten zwingend auf eine höhere Population schließen könne. Vielmehr dürften die intelligenten Schweine inzwischen festgestellt haben, dass es dort ein gutes Nahrungsangebot gibt und die Jäger zugleich kaum Möglichkeiten zur effektiven Bejagung haben.
Sorgen von Lindlarer Jägern: Ohne Aufforstung wird Jagd schwierig
Stichwort Jagdmöglichkeit: Um die sorgen sich auch die Lindlarer Jäger um Hans Martin Thönnes. Grund ist der aktuelle Umbau der Wälder. „Vor allem dort, wo Käferholz gefällt wurde und es keine Wiederaufforstung gibt, wird es Probleme geben“, erwartet Thönnes.
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Zwischen liegenden Fichtenstämmen oder in meterhohem Dickicht mit Brombeeren und Springkraut hätten Jäger wie Hunde keine Chance gegen die Schweine. „Es ist gut möglich, dass wir deshalb im nächsten Jahr eine regelrechte Explosion der Wildschweinzahlen erleben werden.“