Eine 23-Jährige bezichtigt 58-Jährigen im Prozess um Betrug in Millionenhöhe der emotionalen und physischen Gewalt.
MillionenbetrugGladbacher Angeklagte wirft Vater vor Gericht vor, sie wie „einen Sklaven“ zu behandeln

Mehr als drei Tage lang sagte die Frau vor dem Landgericht aus. (Symbolbild)
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Mehr als drei Verhandlungstage hat eine Angeklagte (23) in einem Prozess um Betrugstaten in Millionenhöhe unter anderem im Zusammenhang mit staatlichen Leistungen während der Corona-Pandemie ausgesagt und den mit ihr angeklagten Vater (58) schwer belastet.
Die 23-Jährige nannte Ross und Reiter und erläuterte die Umtriebigkeit ihres Vaters beim Erkennen von Betrugsmöglichkeiten. Sie beschrieb aber auch, wie skrupellos der 58-Jährige sie — aus ihrer Sicht — in seine Straftaten hineingezogen hatte, wie er sie Firmen gründen ließ, die kaum geschäftliche Aktivitäten entfalteten, für die der Vater dann aber dennoch Corona-Soforthilfe sowie andere staatliche Pandemie-Subventionen, wie Novemberhilfe, Dezemberhilfe, Neustarthilfe und Überbrückungshilfe, in Millionenhöhe unberechtigt beantragte und zum Teil auch erhalten haben soll (diese Zeitung berichtete).
Die Befragung der 23-Jährigen endete mit einer Abrechnung an ihrem Vater
Mit einem Umsatzsteuerkarussell soll der Mann außerdem den polnischen Fiskus um sieben Millionen Euro betrogen haben. Als im Februar 2013 sein Haus in Polen durchsucht wurde, stellten Beamte knapp 180.000 Euro Bargeld sowie mehr als hundert Kilogramm Goldbarren sicher.
Am Dienstag endete Einlassung und Befragung der 23-Jährigen durch Gericht und Staatsanwaltschaft. Beendet wurde die Aussage der 23-Jährigen dann aber noch mit einer persönlichen Erklärung, die einer finalen Abrechnung mit ihrem Vater gleichkam.
Ein richtiger Vater behandelt das eigene Kind nicht wie eine Angestellte, oder einen persönlichen Sklaven
Prozessbeobachter hatten hernach den Eindruck, als habe eine Tochter mit ihrem Vater Schluss gemacht. Mit bebender Stimme und zeitweise zu Tränen gerührt sagte die Angeklagte, dass sie aus der Sache einen „immensen Schaden“ davontragen werde — nicht nur finanziell, weil ihr Vater „nie genug bekommen“ konnte.
Nein, vor allem emotional habe sie Schaden erlitten, weil sie von ihrem eigenen Vater „getrieben und benutzt“ worden sei. „Ein richtiger Vater behandelt das eigene Kind nicht wie eine Angestellte, oder einen persönlichen Sklaven“, sagte die 23-Jährige, räumte aber auch ein, sich selbst schuldig gemacht zu haben.
Nicht ich habe die Familie zerstört, das hat bereits mein Vater durch seinen Umgang mit den Mitmenschen und durch die Anstiftung zu Straftaten getan
Nach der Verhaftung des Trios im Sommer 2024 hatte lediglich die 23-Jährige mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiert und umfassend ausgesagt zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft. Ein Umstand, der dazu geführt habe, dass ihr Vater sie für „schwach“ halte, „weil ich nicht, wie er es nennt, durchhalten konnte. Jetzt aber weiß ich, dass der einzig Schwache er ist.“
Auch vor Gericht finde der Vater nicht die Kraft „Verantwortung“ zu übernehmen, sagte die 23-Jährige. Und weiter: „Nicht ich habe die Familie zerstört, das hat bereits mein Vater durch seinen Umgang mit den Mitmenschen und durch die Anstiftung zu Straftaten getan.“ Sein gesamtes Leben basiere auf „Lügen“, in die er beständig andere Menschen — gerade die, die ihm sehr nahestehen oder standen — hineingezogen habe. Hierdurch habe er seine Lieben dazu gezwungen, „diese Lüge auch zu leben“.
Polnische Männer sollen die Frau laut Justizkreisen bedroht haben
Zudem behauptete die Frau, ihr Vater habe versucht, sie einzuschüchtern zu lassen: „Er hat mich, sein eigenes Fleisch und Blut, bedrohen lassen. Ich hatte Angst in meinen eigenen vier Wänden. Habe immer über meine Schulter geguckt.“ Nachdem die 23-Jährige sich dazu entschlossen hatte bei der Staatsanwaltschaft auszupacken, war sie aus der Untersuchungshaft entlassen worden.
Wieder auf freiem Fuß soll es Justizkreisen zufolge zu Bedrohungen der jungen Frau durch polnische Männer gekommen sein — der 58-Jährige stammt aus Polen. Zudem sollen wiederholt von Unbekannten sogenannte Polenböller auf den Balkon der Wohnung in Bergisch Gladbach geworfen worden sein, die dann dort explodierten.
„Ein richtiger Vater distanziert sich von emotionaler und physischer Gewalt“, sagte die 23-Jährige. Zwar bleibe der 58-Jährige ihr „biologischer Vater“, mehr aber auch nicht, sagte die Angeklagte. Durch die Therapie, die sie gerade mache, sei sie dabei zu lernen, „dass ich ohne Dich in meinem Leben ein besserer Mensch bin“, wandte sich die 23-Jährige zum Abschluss der Erklärung noch mal persönlich an ihren Vater. Der Prozess wird fortgesetzt.