InterviewFirma Miltenyi Biotec engagiert sich für Verlängerung der Linie 1
- In dieser Woche wurde die Machbarkeitsstudie zur Erweiterung der Linie 1 vorgestellt.
- Das Unternehmen Miltenyi Biotec hatte sich daran nicht nur finanziell beteiligt.
- Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine Fortführung der Linie 1 zwar technisch machbar, aber nicht förderfähig ist.
- Im Interview erklärt Stefan Miltenyi, Gründer von Miltenyi Biotec, warum er die Erweiterungspläne nicht in die Schublade stecken will.
Bergisch Gladbach – An der diese Woche vorgestellten Machbarkeitsstudie zur Weiterführung der Stadtbahnlinie 1 über den Technologiepark und Moitzfeld bis nach Herkenrath und Spitze hat sich das Unternehmen Miltenyi Bitoec nicht nur finanziell beteiligt, sondern das Projekt auch bereits seit Jahren unterstützt. Über das Ergebnis der Studie, Konsequenzen und nächste Schritte hat Guido Wagner mit Stefan Miltenyi gesprochen, der das heute weltweit aktive Unternehmen Miltenyi Biotec vor 30 Jahren an der heutigen Zentrale bei Moitzfeld gegründet hat.
Die Machbarkeitsstudie kommt zu dem Ergebnis, dass eine Fortführung der Linie 1 zwar technisch machbar ist, nach den derzeitigen Richtlinien allerdings nicht förderfähig. Was ist Ihre Schlussfolgerung daraus?
Stefan Miltenyi: Dass nach dem standardisierten Verfahren für die Förderfähigkeit ein Faktor von unter 1 herauskommen würde, war uns bewusst, als wir in die Studie reingegangen sind. Wir mussten die Studie aber einfach aus formalen Gründen durchführen. Und das Ergebnis zeigt, dass das Projekt eigentlich gar nicht so schlecht abschneidet.
Der erste Reflex bei Kreis und Stadt war aber: Keine Förderfähigkeit heißt aktuell keine Realisierungsmöglichkeit . . .
Die Bewertungsmaßstäbe, die dort angelegt werden, waren mir bisher auch neu. Aber ich verstehe jetzt, warum der Öffentliche Personennahverkehr in Deutschland nicht wirklich ausgebaut wird.
Warum?
Die Förderkriterien, die dort angelegt werden, sind einfach nicht zeitgemäß. Das zeigt sich ja auch an der Entwicklung der Straßenbahnlinie 1. Die ist vor 100 Jahren nach Bensberg gebaut worden und im Jahr 2000 noch einmal 500 Meter weiter. Über die Jahre sind aber Zehntausende von Menschen in die Region gezogen, letztendlich jedoch ist es zu keiner weiteren Erschließung gekommen.
Was müsste jetzt passieren, damit es jetzt weitergeht?
Zum einen gibt es eine öffentliche Diskussion, wie öffentliche Verkehrssysteme verbessert werden können. Da ist meine Hoffnung, dass die Kriterien überdacht und überarbeitet werden.
In welchen Punkten zum Beispiel?
Im jetzigen Verfahren geht es gar nicht um tatsächliche Kosten, sondern um Plankosten. Im jetzigen Verfahren sind auch Potenziale der Zukunft gar nicht mit einberechnet – man denke nur einmal an die diskutierten Gewerbegebiete entlang der schon heute jeden Tag verstopften Landstraße durch Herkenrath und Moitzfeld zur ebenfalls verstopften A 4. Auch wir wachsen sehr stark, haben zurzeit 1500 Mitarbeiter in Moitzfeld. Und es kann sehr gut sein, dass wir in vier Jahren 1000 Mitarbeiter mehr am Standort haben. Das hieße, dass nochmal 1000 Autos mehr anrollen würden – wenn das überhaupt geht . . .
Was ist, wenn sich die Förderkriterien nicht kurzfristig ändern?
Zum anderen gibt es im Moment sehr tatkräftige Unterstützung der Landesregierung, die uns sehr viel Mut macht, das Projekt eben doch zu realisieren.
Das heißt, man müsste mehr in direkten Kontakt eintreten und in Düsseldorf für das Projekt Unterstützung suchen?
Genau das machen wir im Moment. Damit sich Visionen in Deutschland auch einmal realisieren.
Übernehmen Sie damit nicht Aufgaben, die man eigentlich von der Politik und der öffentlichen Verwaltung erwarten würde?
Wir unterstützen die kommunale Ebene dabei – und die kommunale Ebene unterstützt uns. Gemeinsam kann man solche Projekte bewegen. Natürlich sind das Dinge, die schon vor Jahrzehnten hätten angeschoben werden müssen. Gut, jetzt helfen wir eben mit, Dinge zu realisieren. Und wenn wir uns etwas in den Kopf gesetzt haben, dann ziehen wir das in der Regel auch durch.
Welche Unterstützung könnten Sie sich im weiteren Verlauf vorstellen?
Wir haben sicher keine Probleme, einige Millionen für ein Projekt dazuzugeben. Wichtig ist aber, dass wir das zusammen machen. Wir brauchen Kreis und Stadt, und ich bin mir sicher, dass wir dabei auch noch weitere Bürger und Unternehmen gewinnen können, die sich engagieren und von denen wir auch noch Geld für das Projekt einsammeln können.
Wären bei innovativen Verkehrslösungen für Sie auch solche wie der zurzeit in Bergisch Gladbach diskutierte Bau einer Seilbahn von der heutigen Endhaltestelle der Linie 1 über den Technologiepark in Richtung Herkenrath und Kürten denkbar?
Jedes Umsteigen bringt einen Verlust mit sich. Und es gibt ja auch eine Menge innovativer Möglichkeiten, den Verkehrsträger Schiene weiter zu entwickeln.
Zurzeit werden gerade die Bahnsteige entlang der Linie 1 verlängert, um dreiteilige Züge einsetzen zu können . . .
Das ist nicht gerade förderlich, um Kosten zu reduzieren, wenn wir an die Peripherie fernab vom Neumarkt denken. Derzeit wird viel über die Zukunft selbstfahrender Autos gesprochen, aber viel zu wenig über selbstfahrende Bahnen, wie es sie bereits in Paris oder anderen Städten gibt. Denkbar wären ja auch Straßenbahnen mit kleinen Waggons, die alle fünf Minuten starten, eine „TRAM on demand“ sozusagen. Da gibt es ein ungeheures Innovationspotenzial.
Sie nutzten selbst häufiger die Straßenbahn. Wie legen Sie die letzten Kilometer von Bensberg zu Ihrem Unternehmen bei Moitzfeld zurück?
Mit dem Fahrrad. Oder mit dem Bus. Es gibt mittlerweile eine ganz gute Busanbindung, mit der uns der Kreis großzügig entgegen gekommen ist. Aber auch der Bus steht im Stau – und man muss eben aus der Bahn in ihn umsteigen.
Könnte die Unterstützung am Standort Bergisch Gladbach größer sein?
Natürlich müssen sich Kommunen fragen, ob sie uns haben wollen. Aber wir sehen, dass der Kreis und die Stadt Bergisch Gladbach sehr bemüht sind, eine gute Lösung zu finden und wir begrüßen es sehr, dass Verkehrsausschuss ausdrücklich die Trasse freihalten will. Es bedarf natürlich auch einer gewissen Intensität, um solch ein Projekt durchzuziehen. Gemeinsam aber können wir das schaffen.
Was muss nun der nächste Schritt sein?
Bislang haben wir ja nur grobe Schätzkosten, als nächstes bräuchten wir konkrete Angebote, um dann zu versuchen, mit der Landesregierung gemeinsam, die Finanzierung auf den Weg zu bekommen.
Was wäre für Sie ein akzeptabler Zeitraum, bis die erste Bahn tatsächlich auch am Technologiepark oder in Moitzfeld am Bahnsteig hält?
In Deutschland muss Innovation wieder erlebbar werden. Es wäre schon wünschenswert, wenn wir das Projekt in wenigen Jahren auch realisieren können. Und die Rahmenbedingungen dafür sind dazu in der aktuellen Situation eigentlich sehr gut. Man muss sie nur nutzen. Denn es wäre schön, wenn die Zukunft nun bald beginnen würde.
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Kreisverkehrsausschuss für Trassen-Erhalt
Dass die Machbarkeitsstudie zur Verlängerung der Straßenbahnlinie 1 sich zur Nicht-Machbarkeitsstudie entwickelt hätte, wie die Vorlage zum Kreisverkehrsausschuss vermuten ließ, wollten die Ausschussmitglieder am Donnerstagabend nicht so stehen lassen. Wie berichtet hatte die Studie ergeben, dass das Projekt zwar technisch möglich, aber unter den derzeitigen Vorgaben nicht förderfähig sei.
„Solche Bedingungen können sich aber ändern“, so Grünen-Politiker Friedhelm Weiß, der vehement dafür plädierte, weiter am Projekt einer Fortführung der Linie 1 in Richtung Technologie-Park, Herkenrath und Kürten-Spitze festzuhalten. Mit den Kommunen müsse zudem darauf hingewirkt werden, dass eine mögliche Bahntrasse nicht verbaut werde, forderten auch CDU-Vize-Fraktionschef Christopher Schiefer und SPD-Fraktionschef Gerhard Zorn. „Das Ergebnis der Machbarkeitsstudie ist keine Beerdigung“, bekräftigte Ausschussvorsitzender Wilmund Opladen (CDU).
Entsprechend ließen die Politiker den von der Kreisverwaltung vorgeschlagenen Beschluss, nun ein wissenschaftlich begleitetes Folgeprojekt zur Suche nach Alternativen zu starten, erweitern: Am Projekt einer Verlängerung der Linie 1 soll grundsätzlich festgehalten und eine Trasse dafür im Dialog mit den Kommunen freigehalten werden. In der Machbarkeitsstudie, die Teil eines standardisierten, bundesweiten Verfahrens ist, waren unter anderem die Nutzen (Reiseersparnis, Einsparung an Umweltemissionen, Betriebskosten-Ersparnis Autoverkehr, vermiedene Unfallkosten, zusätzliche Fahrgeldeinnahmen) zu den zu erwartenden Kosten (Investitionen von Planung über Baukosten bis Fahrgastinfrastruktur) in Verhältnis gesetzt.