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Brisantes Schreiben vom MinisteriumSpritzen-Einsatz in Rhein-Berg erneut gestoppt

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Trotz erneuter Bremse aus dem Ministerium sollen die vom Kreis beschafften Zero-Residual-Spritzen ab Mittwoch im Gladbacher Impfzentrum eingesetzt werden, um mehr Impfdosen zu generieren – auch wenn das Ministerium sich aus der Verantwortung zieht.

Rhein-Berg – Es klang wie eine „Sondergenehmigung“ für eine nach vier Wochen vom NRW-Gesundheitsministerium doch noch erlaubte Verwendung der Zero-Residual-Spritzen im Gladbacher Impfzentrum. Tatsächlich aber hat das Gesundheitsministerium nach der „Einfach machen“-Äußerung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) in der Fernsehsendung „Maischberger – die Woche“ ein brisantes Schreiben an Landrat Stephan Santelmann geschickt. Das hat zwischenzeitlich sogar dazu geführt, dass die Verwendung der Null-Rückstand-Spritzen, mit denen sich laut leitendem Impfarzt Dr. Hans-Christian Meyer kontinuierlich sieben statt sechs Impfdosen aus jeder Biontech/Pfizer-Ampulle ziehen lassen, am Wochenende erneut gestoppt wurde. Diesmal aus Sorge der Beteiligten vor Ort.

Denn: In dem Schreiben aus Düsseldorf lässt der im NRW-Gesundheitsministerium für Medizinprodukte zuständige Ministerialrat Dr. Reinhard Kasper zwar „ausnahmsweise“ die vom Kreis „bereits erworbenen Spritzen“ zu, schiebt die Verantwortung für die Verwendung der Spritzen aber komplett den Verantwortlichen vor Ort zu. Wörtlich heißt es in dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt: „. . . habe ich ausnahmsweise keine Bedenken gegen die eigenverantwortliche Verwendung der von Ihnen bereits erworben Spritzen“.

NRW-Ministerium lehnt Haftung für Zero-Residual-Spritzen ab

„Da hat uns das Ministerium am Ende doch eiskalt den Schwarzen Peter zugeschoben“, sagt ein Beteiligter, der lieber nicht genannt werden möchte. Für den Leitenden Impfarzt Dr. Hans-Christian Meyer, der die Spezialspritzen ausfindig machte und testete, ein Unding. Zumal das Ministerium für die selbst gelieferten Spritzen die Haftung übernimmt.

Dass auch die Zero-Residual-Spritzen über ein Zertifikat des TÜV Süd sowie eine europaweite CE-Zertifizierung verfügen, hatte die Verantwortlichen im Ministerium wie berichtet nicht überzeugen können, die 25 000 vom Kreis unbürokratisch auf Meyers Empfehlung hin beschafften Spritzen zuzulassen. Im Gegenteil: Wie berichtet wurde auch die CE-Zertifizierung der Spritzen in Frage gestellt.

Mehr als vier Wochen lang ausgebremst

Mehr als 1500 Impfdosen haben nach Angaben des Leitenden Impfarztes Dr. Hans-Christian Meyer im Gladbacher Impfzentrum nicht gewonnen werden können, weil das NRW-Gesundheitsministerium die Verwendung der vom Kreis beschafften Zero-Residual-Spritzen am 19. Februar mit Verweis auf medizinproduktrechtliche Bedenken plötzlich gestoppt hatte. Mit den Impfdosen hätten weitere Menschen aus der ersten Impfprioritätgruppe geimpft werden können, so Meyer. Die Kassenärztliche Vereinigung hatte bereits zugesagt, zusätzliche Termine freizuschalten, sobald das Pilotprojekt laufe. Doch so weit war es erst mal nicht gekommen. (wg)

Zwar gebe es „Spritzen gleicher Art“, die sich „rechtmäßig im Verkehr“ befänden, teilte das Ministerium Landrat Santelmann in dem Schreiben mit, die Zero-Residual-Spritzen aber, die der Kreis gekauft habe, befänden sich „nicht rechtmäßig im Verkehr“. Und das Ministerium geht noch weiter, macht Santelmann Vorwürfe, die Spritzen überhaupt erworben zu haben.

Teile des Inhalts dieses Schreibens an den rheinisch-bergischen Landrat macht das Ministerium nach Informationen dieser Zeitung mittlerweile auf Anfragen von Bürgern öffentlich, wenn sich diese kritisch wegen der Haltung des Ministeriums im Spritzen-Streit an das Ministerium gewendet haben.

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Kreis, Mediziner und die im Impfzentrum tätigen Pharmazeuten wollten deshalb aber nicht resignieren. Nach einer rechtlichen Überprüfung soll die Verantwortung nun gemeinsam vor Ort geschultert werden. „Ab Mittwoch werden die Zero-Residual-Spritzen wieder im Impfzentrum eingesetzt“, sagte Kreissprecherin Birgit Bär am Dienstagnachmittag auf Anfrage. Die Verwendung werde in einem engmaschigen Monitoring dokumentiert, alles rund um das anfangs doch vom Ministerium genehmigte Pilotprojekt werde „genauestens dokumentiert“.

Denn das Hauptanliegen ist den Beteiligten nach eigenem Bekunden nach wie vor, angesichts der immer noch bestehenden Knappheit der Impfstoffe mehr Impfungen zu ermöglichen. „Weil in den Zero-Residual-Spritzen beim Impfen kein Impfstoffrest zurückbleibt, der dann nachher mit der Spritze weggeworfen wird, können wir eben damit kontinuierlich die siebte Impfdosis aus jeder Ampulle gewinnen“, sagt Mediziner Meyer. „Das sind 15 Prozent mehr Impfungen“.

Meyer hofft nun, dass er und seine Kollegen damit jetzt auch endlich loslegen können. Immerhin hätten durch das Bremsmanöver des Ministeriums vor mehr als vier Wochen bereits 1500 Impfdosen nicht gewonnen werden können. „In der aktuellen Situation einfach unfassbar.“