Bergisch GladbachAktionskunst für schnelles Internet am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium
Bergisch Gladbach – Ausgerüstet mit Spitzhacken und Schaufeln graben Schüler der Klasse 5d des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums einen Graben für schnelles Internet im Unterricht: eine Kunstaktion, die mit klaren Forderungen an Stadt und Kreis verbunden ist. Denn was die Stadt ihren 14 weiterführenden Schulen anzubieten hat, ist allenfalls ein Schneckentempo. Alle wissen das – eigentlich. Aber es passiert nichts.
Mit rot-weißem Flatterband ist die Strecke abgespannt. Mit ihren Spatenstichen in den harten Boden gehen die Jungen und Mädchen auf die Suche nach dem schnellen Internet. „Ich finde hier aber nur Wurzeln“, sagt Emil. Kein Glasfaserkabel, natürlich nicht. Bis auf das Otto-Hahn-Schulzentrum ist nämlich noch kein einziger Schulstandort ans Breitbandnetz angeschlossen.
892 Kilometer Glasfaserkabel
Bei einem EU-weiten Ausschreibungsverfahren hatte die Telekom als einziger Anbieter ein Angebot abgegeben für den kreisweiten Breitbandausbau, gefördert im Rahmen des Bundesprogramms. Den Zuschlag erhielt der Netzbetreiber Ende März 2020, teilt die Pressestelle des Kreises mit. Derzeit befinde sich das Projekt in der Feinplanung durch die Telekom, unter anderem müssten Tiefbauunternehmer gefunden werden. Ziel sei es, 74 Schulen, 750 Unternehmen sowie 5500 bisher unversorgte Haushalte mit schnellen Internetanschlüssen zu versorgen. Dafür müssen in acht Kommunen 892 Kilometer Glasfaserkabel verlegt werden. (ub)
Die Stelle für seinen Event hat Kunstlehrer Piet Beuys bewusst ausgewählt: Hinterm alten Schulgebäude, nicht ausgestattet für das digitale Zeitalter, mit Blick auf den Neubau des Kreishauses. Er will deutlich machen: „Als Schule müssen wir den Anschluss ans moderne Kreishaus finden.“
Beuys ist nicht etwa sein Spitzname. Der Kunstlehrer ist wirklich verwandt mit Joseph Beuys. Wie der berühmte Aktionskünstler – Cousin seines Opas – möchte auch er auf einen Missstand aufmerksam machen: die marode Digitalstruktur am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium. „Wollen zehn Schüler gleichzeitig nach einem Bild auf Tablets recherchieren, bricht die Internetverbindung zusammen“, berichtet Beuys. Dabei verfüge er für seinen Kunstunterricht über eine Top-Ausstattung: 30 Tablets hat der Förderverein der Schule finanziert, damit die Schüler lernen, mit dem Internet umzugehen.
Internetverbindung reicht für vierköpfige Familie
Aber die Geräte müssen im Koffer bleiben. Die Ladezeiten sind endlos. Die Schule verfügt über eine Internetverbindung, die höchstens eine Geschwindigkeit von 50 Megabits pro Sekunde erreicht. Kapazitäten, die auf einen Vier-Personen-Haushalt ausgerichtet sind, nicht für 900 Schüler und 80 Lehrer. Schnelle Lernfortschritte? „Eher nicht“, bedauert Schulleiter Frank Bäcker und hofft, dass die ausgefallene Art des Protests bei den Behörden ankommt. „Seit vier Jahren werden wir immer wieder vertröstet.
Zuständigkeiten werden hin und her geschoben“, ärgert sich Bäcker. Das Problem dabei sei: „Uns läuft die Zeit davon.“ Zeitgemäße Bildung brauche zeitgemäße Technik, „sonst verlieren wir ganze Schülergenerationen, die von der Schule gehen, ohne ein einziges Mal im Internet gewesen zu sein.“ Da nützten auch die besten Konzepte und der Titel „Digitale Schule“ nichts. „Bei uns stimmen Fortbildungen und Motivation der Lehrerschaft. Was fehlt ist die Technik, für die ist der Schulträger zuständig.“
Bürgermeister erklärt Internet zur Chefsache
Bürgermeister Frank Stein betont, er habe das Thema zur Chefsache erklärt: „Den Breitbandausbau an unseren Schulen sehe ich als eine Aufgabe an, die auf der Prioritätenliste ganz nach oben gehört.“ Er sei davon überzeugt, dass Schulträger und Schulen mit dem Breitbandausbau ein gemeinsames Ziel verfolgen und bis zur endgültigen Umsetzung auch gemeinsam daran arbeiten werden.
Das wird nichts daran ändern, dass das Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium noch länger in der Internet-Pampa sitzen wird. Für die Umsetzung des Ausbaus der Breitbandversorgung der Schulen ist Gladbach an einer Fördermaßnahme von Bund und Land beteiligt, die der Kreis für seine angeschlossenen Gemeinden koordiniert (siehe Infokasten). Auftragnehmer ist die Telekom, die Laufzeit beträgt drei Jahre bis Frühjahr 2023.
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Aktuell gibt es noch keinen konkreten Zeitplan für die 74 Schulen im Kreisgebiet. Laut Telekom Deutschland GmbH solle ab Juni 2021 an den ersten Baustellen mit den Arbeiten begonnen werden. Dies geschehe parallel an mehreren Stellen im Kreisgebiet, teilt die Kreisverwaltung mit.
„Wenn ich mit meinen Fünftklässlern jeden Mittwoch weiter grabe, könnten wir in acht Monaten einen Großteil des Grabens ausgehoben haben. Und das wird wahrscheinlich schneller sein, als die Umsetzung durch die Stadt“, vermutet Beuys. Hört sich an wie eine Utopie: „Aber wir würden das wirklich machen, wenn man uns ließe.“