Kraftakt im EiltempoBergisch Gladbach saniert Container in Lückerath für Geflüchtete
Bergisch Gladbach – Eine Mitarbeiterin zieht noch mit einem Rasenmäher ihre Runden. Ein Arbeiter klettert auf einer Leiter aufs Dach, um dort die letzten undichten Stellen zu flicken. Die Zeit drängt. Noch in dieser Woche werden die ersten Kriegsvertriebenen aus der Ukraine in das Containerdorf an der Gladbacher Straße in Lückerath einziehen. Die Unterkunft wieder zu einem Wohnort zu aktivieren, ist ein Kraftakt im Eiltempo, den die Stadtverwaltung meistern muss.
An vielen Stellen sieht es hier am frühen Montagmorgen noch aus wie in einer verfallenen Geisterstadt. Pflastersteine müssen noch neu verlegt werden, Kabel und Werkzeuge liegen auf dem Boden. Das Flüchtlingsheim entstand 2017 für Geflüchtete vor allem aus Syrien. Ein Teil der Wohncontainer blieb stehen, verrostet, verdreckt und zerstört von Vandalen. Bodenbeläge mussten ausgetauscht, alle Fensterscheiben erneuert werden.
Zwei Einzelcontainer für größere Familien möglich
„Wir sind trotzdem froh, dass wir die Container jetzt haben“, sagt Sozial-Dezernent Ragnar Migenda. Bezugsfertig ist ein Riegel in L-Form, bestehend aus 100 Einzelmodulen, zweigeschossig aufgebaut, ausgerichtet für die mögliche Höchstbelegung von 110 Menschen. Am Eingang hängt ein kleines weißes Schild mit der Adresse. „Gladbacher Straße 92“ ist da zu lesen.
Geflüchtete in Gladbach
Zwei Drittel der Menschen leben bei Privatleuten
Knapp 800 Geflüchtete aus der Ukraine sind, Stand Freitagmorgen, inzwischen aus der Ukraine in Bergisch Gladbach angekommen. Etwa zwei Drittel der Kriegsvertriebenen sind bei Privatleuten untergekommen. Ein Drittel lebt in städtischen Einrichtungen – aufgeteilt auf das ehemalige Lübbehaus an der Senefelder Straße in Heidkamp, die beiden Erstaufnahmestellen an der Saaler Mühle und der Hermann-Löns-Straße sowie in von der Stadt angemieteten Wohnungen, berichtete Sabine Hellwig, Leiterin des Jugendamtes, in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses. Im Lübbehaus konnten 149 Erwachsene und 88 Kinder Unterschlupf finden. In den Containern neben dem Otto-Hahn-Schulzentrum an der Saaler Mühle haben 75 Menschen ein Dach über dem Kopf gefunden. In dem Belkaw-Gebäude an der Herman-Löns-Straße sind jetzt noch 24 Geflüchtete untergebracht. Von dort konnten am vergangenen Wochenende 42 Ukrainerinnen und Ukrainer umziehen in ein Tagungsgebäude hinter dem Bensberger Schloss, das die Generali-Versicherung der Stadt zur Verfügung gestellt hat. Dazu kommen noch 730 nicht-ukrainische Flüchtlinge, die in städtischen Unterkünften oder angemieteten Wohnungen leben.
Sozialdezernent Ragnar Migenda dankte in der Ausschusssitzung seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die, „bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit oder darüber hinausgehende Unterstützung“. Auch aus der Zivilgesellschaft gebe es „eine Welle der Solidarität“, unter anderem 180 Unterbringungsangebote. (ub)
10,5 Quadratmeter misst ein Zimmer, das sich zwei, maximal drei Menschen teilen müssen. Ein Stockbett, ein Einzelbett, dazwischen ein Schrank ein kleiner Tisch mit Stühlen – das muss reichen. „Für größere Familien besteht die Möglichkeit, zwei Einzelcontainer zu verbinden“, berichtet Tanja Dieball, Sachgebietsleiterin Bauausführung in der Abteilung Hochbau.
In den vergangenen drei Wochen wusste sie manchmal nicht mehr, wo ihr der Kopf steht. „Das war ein extrem knackiges Zeitfenster“, bestätigt Thore Eggert, Immobiliendezernent, „sehr viele Kollegen haben sich richtig reingehängt, neben dem laufenden Geschäft. Dafür bin ich sehr dankbar.“
Gemeinschaftsküchen als wichtige Bezugsorte
Auch viele Gladbacher Handwerksfirmen seien kurzfristig zur Stelle, ergänzt Tanja Dieball. Die Belkaw hat in der Kürze der Zeit die Versorgungsleitungen für Wasser und Strom angeschlossen: „Normal wartet man auf einen Hausanschluss ein halbes Jahr.“ Die geplanten Kosten in Höhe von 100.000 Euro für die Sanierung der Anlage seien aber wohl nicht einzuhalten, prognostiziert Dieball. Ein Kinderspielplatz wird noch gebaut, der Sand ist schon da. Spielgeräte und Tischtennisplatten folgen. Der Bolzplatz soll ebenfalls geöffnet werden.
Die Zimmer wirken gestern morgen noch trostlos kahl. Das soll sich schon am Nachmittag ändern, wenn mit Hilfe der Feuerwehr im Akkord die Möbel aufgebaut werden. Dazu gibt es auf jeder Etage einen Aufenthaltsraum, einen Waschraum mit Waschmaschinen sowie getrennt für Frauen und Männer Duschräume und Toiletten. Wichtige Orte werden wohl auch die beiden Gemeinschaftsküchen sein. Die Herde und Kühlschränke werden noch geliefert. Ein separater Dusch-Wohncontainer für Corona-Infizierte wird noch aufgebaut, berichtet Dieball.
Kein W-LAN im Containerdorf
Das Gelände ist umzäunt. Dem Eindruck, die Geflüchteten sollen hier eingesperrt werden, tritt Migenda entschieden entgegen. Der Zaun sei schon aus Schutz vor Diebstahl notwendig. Hinzu kommt ein Sicherheitsdienst, der rund um die Uhr vor Ort ist. „Durch das Tor können sowohl Bewohner als Besucher ganz normal kommen“, betont Migenda. Um das Wohl der Menschen – erwartet werden hauptsächlich Frauen mit ihren Kindern – kümmern sich als Betreiber das Deutsche Rote Kreuz sowie städtische Sozialarbeiter.
Einen Internetzugang über W-Lan gibt es aber nicht. „Wir mussten uns auf das Wesentliche beschränken: Dass die Leute ein Dach über dem Kopf haben“, sagt Eggert, obwohl ihm bewusst sei, wie wichtig es für Kriegsgeflüchtete sei, mit Verwandten auf der Flucht oder in der Heimat Kontakt zu halten.
„Krise wird erstmal zur Normalvorstellung“
Die Nutzung der Unterkunft ist auf zwei Jahre befristet. Baurechtlich sei es nicht möglich, auf dem 12.300 Quadratmeter großen Areal auf Dauer Wohnungsbau zu etablieren, erläutert Bürgermeister Frank Stein. Der bestehende Bebauungsplan weist das Gelände als Sportfläche aus.
Abgesehen davon halte die Stadt selbstverständlich an ihrem Ziel fest, auf dem Areal einen neuen Bewegungs-Kindergarten plus Sportflächen für die Allgemeinheit zu errichten, wie Stein betont. Eine Änderung des Baugesetzbuches erlaube es, in Krisenzeiten vorübergehend für drei Jahre eine vom B-Plan abweichende Nutzung zu gestatten. Mit dem Grundstückseigentümer und Vermieter sei dies abgesprochen.
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„Wir müssen uns aber darauf einstellen, dass die Krise erstmal zur Normalvorstellung wird“, meint Stein. Deshalb soll ein weiterer Container-Riegel als Puffer im hinteren Teil des Geländes in Richtung Wald ertüchtigt werden. Als Gerippe stehen die Bauten da, Bodenplatten und Seitenwände fehlen noch. 50 Menschen sollen dort ein Dach über dem Kopf finden können.