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Streit um GutachtenDer neue Rat startet mit dem alten Zanders-Problem

Lesezeit 3 Minuten

Die Büste von Richard Zanders auf dem Firmengelände erinnert an bessere Tage der Papierfabrik.

Bergisch Gladbach – Fast keine Gladbacher Ratssitzung in den vergangen Jahren, in denen das Thema Zanders nicht auf der Tagesordnung stand. Der frisch gewählte Gladbacher Rat setzt diese heute Tradition fort. Immer noch geht es um den Pachtvertrag zwischen der Stadt als Immobilieneigentümerin und der Papierfabrik. Dabei hat sich in den vergangen Tagen die Faktenlage erheblich verändert.

Ausgangspunkt aller Schwierigkeiten mit dem Pachtvertrag ist das von der Stadt verlangte Gutachten, dass dem Werk eine positive Zukunftsperspektive attestiert. Ganz konkret wird ein IDW S6 von der Stadt verlangt. Hinter der Abkürzung verbirgt sich ein standardisiertes Prüfungsverfahren, dass das „Institut der Wirtschaftsprüfer“ (IDW) erarbeitet hat.

Es gibt verschiedenen Verfahren und das mit der Nummer 6 ist eine sehr weitgehende Prüfung und eigens entwickelt, um Unternehmen in Schwierigkeiten zu helfen, wenn sie zum Beispiel um weitere Kredite bei Banken nachfragen. So gesehen liegt es im Eigeninteresse von Zanders das IDW S6 vorzulegen. Allerdings argumentiert Zanders andersherum: Ohne langfristigen Pachtvertrag kein Vertrauen bei den Kunden, damit verschlechterte Wirtschaftsaussichten – und schließlich keine gute Prognose im Gutachten. Es ist ein Teufelskreis, indem sich Zanders und die Stadt seit Monaten befinden.

Viele Gutachten von der Zanders

Tatsächlich hat Zanders in der Vergangenheit eine ganze Reihe anderer Gutachten bereits vorgelegt. Zanders-Investor Tom Olander hatte zuletzt im Gespräch mit dieser Zeitung betont, dass bereits etliche Gutachten vorliegen würden. „Nie hat es gereicht.“ Olander hält es für möglich, dass auch das IDW S6 Gutachten nicht ausreichen wird. Rund eine Million Euro habe man bereits für Gutachten ausgegeben. Dass die Stadt trotz Corona-Krise, in der sich die wirtschaftliche Lage schnell ändere, auf das IDW S6 bestehe, kann Olander keinesfalls nachvollziehen. Er will nun frühestens im Frühjahr 2021 das IDW S6 vorlegen. Bis dahin soll der jetzige Pachtvertrag fortgeschrieben werden.

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Das funktioniert so allerdings nicht mehr. Bislang zahlte die Zanders-Papierfabrik an die aus der Insolvenz hervorgegangen Gesellschaft. Diese Gesellschaft überwies die Pacht – rund 90.000 Euro im Monat – an die Stadt. Mit diesem Konstrukt soll verhindert werden, dass bei einer erneuten Insolvenz der Papierfabrik die gezahlten Pachteinnahmen zurückgezahlt werden müssen. Die Rede ist von großen Haftungsrisiken. Dieses Dreiecks-Konstrukt gibt es so nicht mehr.

Denn die Insolvenzgesellschaft sieht nun ihrerseits ein Haftungsrisiko und drängt auf einen direkten Vertrag zwischen Stadt und Papierfabrik. Die Rechtsanwälte von Zanders hatten stets betont, dass es dieses Haftungsrisiko für die Stadt gar nicht bestehe. Der von der Stadt beauftragte Rechtsanwalt widersprach. Der frühere Bürgermeister Lutz Urbach handelte nach der Einschätzung dieser Kanzlei. Der neue Bürgermeister Frank Stein beauftragte einen dritten Rechtsanwalt, um die Position der Stadt zu überprüfen. Mit dem Ergebnis: Das Haftungsrisiko besteht.

Neuer Vorschlag für Miet-Regelung

In dieser Situation hat Zanders-Chef Olander nun eine neue Konstruktion ins Spiel gebracht: Die Stadt soll die Miete nicht von Zanders erhalten, sondern von der Jool-Invest – das ist schwedische Investitionsgesellschaft, der Zanders praktisch gehört. Olander ist Chef von Jool-Invest. Ob das neue Dreieck-Verhältnis funktioniert, ob die Stadt damit auf der sicheren Seite ist, wird geprüft.

Für die rund 400 Zanders Mitarbeiter geht damit die Hängepartie in die nächste Runde. Betriebsratsvorsitzender Taner Durdu appelliert an die Politik, Zanders eine Chance zu geben. „Es geht hier um Existenzen und um den industriellen Produktionsstandort. Ich sehe, wenn überhaupt, dann doch ein übersichtliches Risiko für die Stadt. Zanders ist es wert, dies einzugehen.“ Und es sei verständlich, dass der Investor mitten in der Coronakrise Wichtigeres zu tun haben, als Gutachten anzufertigen. Durdu kündigte an, dass die Belegschaft um das Werk kämpfen werden. Möglich seien weitere Demonstrationen und Mahnwachen.