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BetreuungsnotstandDie Kita-Krise in Bergisch Gladbach bleibt ungelöst

Lesezeit 4 Minuten
Man sieht eine Kinderhand, die ein Auto aus Holzbausteinen schiebt.

Politik und Verwaltung in Bergisch Gladbach suchen nach Lösungen in der Kita-Krise. 

Unterm Strich fehlen im neuen Kindergartenjahr 583 Betreuungsplätze. Politik und Verwaltung finden keine Lösungen.

Verzweifelte Eltern, überbelastete Erzieherinnen und Politik und Stadtverwaltung, die Familien keine Lösung anbieten können. Im Jugendhilfeausschuss in Bergisch Gladbach kann man die Betreuungsmisere in Kitas live miterleben. Das traurige Fazit lautet am Ende des Abends: Das größte Problem der Familienpolitik lässt sich nicht von heute auf morgen lösen. Letztendlich sind die Familien auf sich allein gestellt.

In Bergisch Gladbach fehlen, wie berichtet, laut Prognose im kommenden Kindergartenjahr 361 Plätze, Überbelegungen in den Gruppen eingerechnet. Dazu kommt das Defizit von 32 Plätzen bei der Kindertagespflege. Diese erschreckenden Zahlen beruhen zum ersten Mal auf den höheren Kinderzahlen der Bevölkerungsprognose für die nächsten 15 Jahre. Das Angebot wird Jahr für Jahr ausgebaut, aber es reicht trotzdem hinten und vorne nicht.

Das Defizit summiert sich auf 583 Plätze

Bei den ausgewiesenen 4266 Betreuungsplätzen in den Kindertagesstätten handelt es sich zudem lediglich um eine planerische Größe. Denn zum Beginn des Kindergartenjahres im August stehen gar nicht alle Plätze zur Verfügung: Die drei Neubauprojekte in Schnellbauweise an der Jakobstraße sowie in den Stadtteilen Sand und Hebborn mit zusammen 190 Plätzen sind erst zum Ende des Kita-Jahres betriebsbereit. Damit summiert sich die Lücke in 2025/26 auf insgesamt 583 Plätze.

Für Eltern sind das nicht bloß Zahlen. Es entscheidet sich die private Zukunft, wie eine Familie leben und arbeiten kann. Brigitta Opiela berichtet von verzweifelten neu zugezogenen Eltern, die ohne Betreuung für ihre Kinder dastehen: „Wir versuchen, uns der Sache anzunehmen, können aber nicht alles möglich machen.“

Es gibt nicht für alle Plätze. Der gesetzliche Auftrag ist nicht zu erfüllen
Reinhard Blunk, Kinderschutzbund

Ihre Parteikollegin Gabriele von Berg kritisiert, dass die Genehmigung von Bauanträgen viel zu lange daure. Tino Symanzik (Grüne) stellt ernüchternd fest: „Wir dachten, wenn wir vier neue Kitas bauen, sind wir durch. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache.“ Auch er fordert: „Wir brauchen ehrliche Absprachen mit den Eltern.“

Reinhard Blunk, Kinderschutzbund, erwidert: „Das Problem ist nicht lösbar. Wir müssen den Leuten ehrlich sagen: Es gibt nicht für alle Plätze. Der gesetzliche Auftrag ist nicht zu erfüllen.“ Frank Cremer (AfD) fragt die Verwaltung nach einer konkreten Lösung. Jannes Komenda (SPD) berichtet: „In den Kitas herrscht die totale Verzweiflung.“ Er schlägt eine Kita-Task Force vor.

Weil Personal fehlt, ist die neue Kita nicht im Vollbetrieb

Doch was nützen noch so viele Kita-Plätze, wenn es keine Erzieherinnen gibt? Bestes Beispiel für den Fachkräftemangel ist die neue Kita Reiser-Mondsröttchen. Sie ist deshalb noch nicht im Vollbetrieb. Viele Einrichtungen müssen Gruppen schließen oder ihre Buchungszeiten verkürzen.

Stephan Dekker, kommissarischer Dezernatsleiter, stellt klar, dass die Zahlen deshalb so schlecht aussehen würden, weil die neue Bevölkerungsprognose angewendet worden sei. Lege man wie bisher die Einwohnerstatistik von Juni des Vorjahres zugrunde, liege der zusätzliche Bedarf bei nur 82 Plätzen. „Wir werden im kommenden Jahr beobachten, wie sich das entwickelt“, sagt er. Den Fachkräftemangel könne die Verwaltung nur bedingt beheben.

„Darauf hätte ich auch gerne eine Antwort“, meint Frank Köchling, Vorsitzender der AG-Jugendhilfe und damit Sprachrohr der Kita-Träger, und wirkt dabei etwas hilflos. Das Thema sei komplex: „Aber alle geben sich Mühe.“

Petra Liebmann, Leiterin der Abteilung Familienförderung, die seit vielen Jahren die erschreckenden Zahlen präsentieren muss, setzt an zu einer „flammenden Rede“, wie sie sagt, vielleicht die letzte in ihrer Amtszeit: „Wir müssen uns entscheiden: Machen wir eine qualifizierte Bildungsarbeit in den Einrichtungen und weisen viele Kinder ab, oder wir senken die Qualitätsstandards und nehmen mehr Kinder auf.“

Wenigstens als Zwischenschritt für die nächsten Jahre könnte dies eine Möglichkeit sein. Auch das Jugendamt erlebe fast täglich die Existenznöte der Eltern. Erst am Donnerstag wieder habe einer Mutter eines Inklusionskindes erklärt werden müssen, dass man es nicht unterbringen könne: „Wir müssen einen Mittelweg finden.“

Collin Eschbach (Grüne) sagt selbstkritisch: „Auch wir haben versagt. Ich habe die Nase voll. Wenn wir nicht mehr Geld in die Kitas stecken, werden wir untergehen. Die fehlenden Plätze sind ein klarer Standortnachteil.“