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Kita-KriseIn Bergisch Gladbach fehlen laut Prognose 296 Betreuungsplätze in Kindertagesstätten

Lesezeit 5 Minuten
Spielzeug liegt in einer Kindertagesstätte auf dem Boden.

Jahr für Jahr fehlen in Bergisch Gladbach Betreuungsplätze in den Kitas – obwohl das Angebot Jahr für Jahr ausgebaut wird.

Wie groß das Defizit genau ist, ist nicht klar. Die Verwaltung geht bei ihren Planungen davon aus, dass im Kita-Jahr 2025/26 die Lücke wieder groß ist.

Es werden mehr, sind aber noch nicht genug. In Bergisch Gladbach fehlen rein rechnerisch zum Sommer 296 Kita-Plätze und 32 in der Kindertagespflege. Die Lücke summiert sich sogar auf insgesamt 361 Plätze, rechnet man die Überbelegungen in den Gruppen ein. Ob es wirklich so schlimm kommt, ist aber noch nicht klar. Die Anmeldungen laufen aktuell noch.

Diese erschreckenden Zahlen der Verwaltung für 2025/26 beruhen zum ersten Mal auf den höheren Kinderzahlen der Bevölkerungsprognose für die nächsten 15 Jahre. Die Anwendung dieser Prognose hat der Stadtrat beschlossen, um böse Überraschungen bei Planungen zu verhindern, die es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben hat.

Anmeldungen in den Kitas laufen noch

Legt man dagegen die bisher für die Planungen für das neue Kita-Jahr verwendete Einwohnerstatistik vom 30. Juni 2024 zugrunde, liegt der zusätzliche Bedarf für das nächste Kindergartenjahr bei nur 82 Plätzen. Das ist zwar ebenfalls unbefriedigend, aber ein gravierender Unterschied. Das Jugendamt sagt zu, einen Abgleich von Bevölkerungsprognose und Einwohnerstatistik zeitnah zu überprüfen.

Die Aufnahmeverfahren in den 69 Kindertageseinrichtungen laufen aktuell noch. „Daher kann nicht gesagt werden, wie viele Kinder genau noch einen Platz brauchen“, sagt Stadtsprecher Patrick Ortmanns, auch deshalb nicht, weil das Jugendamt keine Warteliste für Kinder führt, die noch auf eine Zusage warten. Solche Listen würden nur in den Einrichtungen selbst geführt.

Nicht alle Plätze stehen zum Sommer zur Verfügung

Aber die Situation wird sich im kommenden Jahr in jedem Fall zuspitzen. Denn nicht alle 4266 Betreuungsplätze in den 69 Kindertagesstätten stehen schon zum Beginn des neuen Kindergartenjahres zur Verfügung. So können einige Einrichtungen aufgrund des „eklatanten Fachkräftemangels“, wie es heißt, beispielsweise nur mit einer reduzierten Gruppenanzahl starten.

Auch die neue Kita Reiser-Mondsröttchen ist deshalb noch nicht im Vollbetrieb. „Die Einrichtung nimmt weiterhin nach und nach Kinder in Abhängigkeit vom Personalstand auf“, heißt es auf Nachfrage aus dem Jugendamt. Trotzdem seien alle 93 Kita-Plätze dort vom Beginn des Kitajahres eingeplant worden, damit die Landesmittel dafür beantragt werden könnten.

Zudem stehen die drei geplanten Neubauvorhaben in Schnellbaubauweise in den Stadtteilen Sand und Hebborn sowie an der Jakobstraße in der Innenstadt mit zusammen 190 Plätzen erst gegen Ende des kommenden Kindergartenjahres zur Verfügung.

Die Leidtragenden sind Familien

Zwar gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab einem Jahr. Doch die Realität sieht anders aus. Egal, welche Prognose oder Statistik am Ende recht hat, die Lücke beim Betreuungsangebot wird kaum kleiner. Die Leidtragenden sind die Familien, meistens sind es die Frauen, die zu Hause bleiben, um ihre Kinder zu betreuen.

Die Fachberatung im Jugendamt sieht sich nach wie vor „einer massiven Beschwerdewelle“ ausgesetzt und rechnet mit Klagen. Mehrkosten für Zwangsgelder oder mögliche Ersatzleistungen, für selbst beschaffte Betreuungen in Nachbarkommunen oder im häuslichen Umfeld würden die Kosten erhöhen. Wie in den vergangenen Jahren, müssen sich Eltern wieder darauf einstellen, längere Fahrstrecken durch das Stadtgebiet in Kauf nehmen zu müssen, um eine Betreuung sicherstellen zu können.

Und die Stadt bleibt hinter ihren eigenen, selbst gesetzten Ziel-Quoten zurück. Massiv ist der Engpass in den Altersklassen der unter Zweijährigen, 188 fehlende Plätze, und der über Dreijährigen, Defizit von 173 Plätzen. Dafür gibt es ein Überangebot von 64 Plätzen für Zwei- bis Dreijährige.

Wie in den letzten Jahren wird es in bestimmten Stadtteilen eng

Besonders eng wird – wie in den letzten Jahren – wieder in den Stadtteilen Herkenrath, Bensberg, Lückerath und Moitzfeld: Insgesamt fehlen hier 95 Kindergartenplätze. Die Realisierung eines Neubaus auf der Lena-Wiese ist, wie berichtet, auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Bau einer neuen Einrichtung auf dem Gelände des Containerdorfs an der Bensberger Straße ist frühestens 2030 zu realisieren. Auf kurze Sicht gibt es hier also keine Entwarnung.

Im Bezirk Stadtmitte, Hebborn, Gronau, Herrenstrunden und Sand kann der Bedarf für U 3-Kinder nur zu 24,7 Prozent gedeckt werden. Die beiden neuen Kitas an der Jakobstraße in der Innenstadt und in Sand verbessern die Situation im Laufe des Jahres 2026 zwar, können das Defizit aber nicht ausgleichen. Wann die Kita an der Odenthaler Straße mit einem dazugehörigen Autismus-Kompetenzzentrum in Trägerschaft der Awo gebaut werden kann, dazu gibt es noch keinen Zeitplan.

Bei der Kindertagespflege stockt der Ausbau der Großtagespflegestellen, weil es im Stadtgebiet immer schwieriger wird, geeignete Grundstücke zu finden. Die Versorgung bezogen auf das ganze Stadtgebiet sicherzustellen, sei schwierig, stellt die Verwaltung fest. Es fehlen derzeit 32 Plätze. Aktuell gibt es 84 Kindertagespflegepersonen.


Zu wenig Plätze im offenen Ganztag

Nicht nur bei den Kita-Plätzen, auch bei den Betreuungsplätzen im offenen Ganztag reicht es in Bergisch Gladbach nicht. Die Nachfrage im kommenden Schuljahr wird wieder das Angebot übersteigen. Auch dies bringt berufstätige Eltern in Bedrängnis. Nach dem aktuellen Planungsstand sollen laut Stadtverwaltung bis zu 3472 Plätze gefördert werden.

Die städtischen Ausgaben summieren sich nach Abzug der Elternbeiträge und Einnahmen durch das Land auf 2,4 Millionen Euro. Insgesamt würde die Versorgungsquote dann bei 81,1 Prozent liegen. Laut einer Abfrage der Stadtverwaltung wünschen sich aber 94 Prozent der Eltern für ihre Grundschüler einen OGS-Platz. Es klafft also eine Lücke von 13 Prozent.

Für eine Erhöhung des Angebots haben im vergangenen Jahr die beiden Sofortschulen an der GGS Hebborn und KGS In der Auen gesorgt. An den meisten anderen 18 Grundschulen sind dagegen die Kapazitäten beschränkt, da es an Räumlichkeiten, insbesondere für den Mittagstisch, fehlt. Dort, wo kein zeitnaher Ausbau möglich sei, müsse über eine optimierte Nutzung der Räumlichkeiten nachgedacht werden. Hierzu wird zunächst an zwei Grundschulen eine Beratung mit einem externen Berater durchgeführt.

Eine große Herausforderung ist nach Auskunft vieler Träger, aufgrund der angespannten Personalsituation die pädagogische Qualität in der Ganztagsbetreuung aufrechtzuerhalten. (ub)