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AbwasserRückerstattung von Gebühren kostet Bergisch Gladbach 19 Millionen Euro

Lesezeit 4 Minuten
Zu einer hohen Wand aufgestapelte Kanalrohre. Davor steht ein Bauarbeiter mit einer gelb reflektierenden Jacke und einem Helm auf dem Kopf.

Die Hausbesitzer und Mieter in Bergisch Gladbach haben immer noch keine Klarheit über die Abwassergebühren.

Die Rückerstattung der zu viel kassierten Abwassergebühren an alle Gladbacher Hausbesitzer würde ein riesiges Loch im Haushalt verursachen.

19 Millionen Euro würde es die Stadt Bergisch Gladbach kosten, würde sie die zu viel kassierten Abwassergebühren allen Einwohnern zurückzahlen. Dies fordert die CDU. Kämmerer Thore Eggert dagegen sieht dafür keine Rechtsgrundlage. Für Unruhe bei allen Fraktion sorgt aber die Folge: ein riesiges Loch im Haushalt — mit der Konsequenz, dass Bergisch Gladbach ins Haushaltssicherungskonzept abrutschen könnte.

Die Politik hat ihre Entscheidung über die richtige Strategie auf Antrag der Grünen um einen Monat vertagt. Bei der Abstimmung in der Sitzung des Ausschusses für Infrastruktur und Umwelt am Dienstag enthält sich die CDU. Die Verwaltung wird beauftragt, eine erneute Vorlage mit neuen Berechnungen zu erstellen, sowie dabei nach haushaltsunschädlichen Lösungen wie einer Nachtragssatzung zu suchen. Diese Ergänzung war Dorothee Wassmuth, Fraktionsvorsitzende der FDP, ganz wichtig.

50 bis 60 Widersprüche liegen vor

Wie berichtet, hat die Stadt als Folge eines Urteils des Oberverwaltungsgerichts (OVG) vom Mai 2022 die Abwassergebühren für Schmutz- und Regenwasser neu berechnet. Dadurch ergeben sich für die Jahre 2020 und 2021 deutlich geringere Gebühren für Schmutz- und Regenwasser als seinerzeit von der Stadtverwaltung kalkuliert.

Laut Planungen der Stadtverwaltung sollen nur diejenigen die zu viel gezahlten Gebühren zurückbekommen, die gegen die Gebührenbescheide Widerspruch eingelegt haben. Kämmerer Eggert berichtet auf Anfrage von gerade einmal 50 bis 60 Widersprüchen. Die Rückzahlungen würden also in einem überschaubaren Rahmen bleiben. Für eine vierköpfige Familie mit einem Jahresverbrauch von 180 Kubikmeter Wasser würde die Erstattung für 2021 und 2022 etwa 300 Euro pro Jahr ausmachen.

Die CDU muss aber auch mal sagen, wie sie das 19 Millionen-Finanzloch stopfen will
Friedrich Bacmeister, Fraktionsvorsitzender Grüne

„Die Stadt ist verpflichtet, den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten“, betont David Bothe (CDU). Deshalb müssten die zu Unrecht eingezogenen Gebühren an alle Bürger und Bürgerinnen in Bergisch Gladbach zurückgezahlt werden. Zudem entstehe sonst bei allen Eigentümern der Anreiz, künftig per se gegen jeden Bescheid Einspruch einzulegen.

Bislang folgte die Vorgehensweise der Stadt seit nahezu 28 Jahren dem Kommunalabgabengesetz (KAG). Doch mit dem OVG-Urteil wurde dies gekippt. Die Landesregierung NRW hat nun ein neues Gesetz beschlossen, um in den Kommunen für mehr Klarheit zu sorgen. Bei der Berechnung der Zinswerte für den Betrieb der Abwasserkanäle darf demnach nicht mehr ein Zeitraum von 50, sondern nur noch von 30 Jahren zugrunde gelegt werden. Das OVG hatte in seinem Urteil jedoch einen Zeitraum von zehn Jahren für angemessen gehalten.

Entscheidung erst, wenn ale Fakten auf dem Tisch liegen

„Zehn Jahre sind also der falsche Maßstab“, begründet Friedrich Bacmeister, Fraktionsvorsitzender der Grünen, seinen Vertagungsantrag. Veranschlage man für die Berechnung der Zinswerte 30 Jahre, müssten die Gebührenzahler bei Weitem nicht in dem Umfang entlastet werden, wie sie die vorliegende Berechnung der Stadt erwarten ließe.

„Die CDU muss aber auch mal sagen, wie sie das 19 Millionen-Finanzloch stopfen will?“, fordert Bacmeister. Denn der Haushalt sei dann wohl nicht mehr genehmigungsfähig. Andreas Ebert (SPD) hält die Argumentation der CDU im Kern zwar für richtig: „Aber über die Finanzen der Stadt können wir erst diskutieren, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen.“

Fabian Schütz, Fraktion Bergische Mitte, ohne Stimmrecht in diesem Ausschuss, wundert sich über den Vorstoß der CDU. Sie habe in alle den Jahren, in denen sie mit in der Verantwortung gestanden habe, die Abrechnungsweise mitgetragen: „Die CDU tritt als Robin Hood auf. Dabei war sie jahrelang der Sheriff von Nottingham.“

Stadt Bergisch Gladbach will das Klage-Risiko minimieren

„Das OVG-Urteil hat keine Rechtskraft und gilt nicht für Bergisch Gladbach“, betont Kämmerer Eggert. Die beklagte Stadt Oer-Erkenschwick habe ihren Gebührenbescheid inzwischen zurückgenommen. Aber es könne davon ausgegangen werden, dass das OVG wieder so entscheiden werde. Bisher gebe es zwar keine Klagen aus Bergisch Gladbach. Aber um vorausschauend das Klage-Risiko zu minimieren, habe die Stadt die tatsächlichen Kosten rückwirkend neu kalkuliert.

Demnach sinkt die Gebühr für die Einleitung von Schmutzwasser pro Kubikmeter von 2,97 Euro um 0,77 Euro auf 2,20 Euro. Die Gebühr für die Einleitung in den Regenwasserkanal sinkt pro Kubikmeter um 0,70 Euro von 1,64 Euro auf 0,85 Euro. Die neue KAG-Rechtssprechung werden ab 2022 angewendet.

Die Bescheide haben Bestandskraft, sagt der Kämmerer

Wer für die Jahre 2020 und 2021 keinen Widerspruch eingelegt habe, habe keinen Anspruch auf Rückerstattung, so die Auffassung des Juristen Eggert. Die Bescheide hätten Bestandskraft. Er warnt vor einer freiwilligen Rückerstattung der Gebühren ohne Rechtsgrund. „Das müsste außerdem gegenfinanziert werden, sonst sind 2023 die Rücklagen des Eigenkapitals aufgebraucht“, erklärt Eggert, „Bei all den Aufgaben, die wir haben wie die Sanierung von Schulen und Straßen, kommen wir sonst zu einem Punkt, an dem wir klären müssen: Was können wir uns davon noch leisten?“

Der Bund der Steuerzahler in NRW, der die Klage in Oer-Erkenschwick unterstützt hatte, erläutert auf seiner Homepage, welche Auswirkungen, das OVG Urteil und die neue Rechtssprechung für Hausbesitzer und Mieter hat — je nachdem, ob Widerspruch eingelegt wurde oder nicht. Bei bereits rechtskräftigen Gebührenbescheiden, gegen die bislang kein Widerspruch eingelegt wurde, rät der Bund der Steuerzahler dennoch, einen Antrag auf Rücknahme zu stellen.