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Winter auf dem ReiterhofIn Bergisch Gladbach stehen Pferde auch bei Schnee auf der Koppel

Lesezeit 5 Minuten
Herkenrath. Pferdehof Werheid. Pferde in Schnee.

Auf dem Reiterhof Werheid in Herkenrath stehen die Pferde auch im Winter auf der Weide.

Der Siefer Hof in Herkenrath setzt auf artgerechte Haltung der Pferde im sogenannten Aktiv-Stall.

Erst Unwetterwarnung und Schulschließungen, dann strahlend blauer Himmel über einer flauschig dicken Schneedecke: Das Winterwetter lässt viel Spielraum zwischen „sehr gefährlich“ und „wunderbar herrlich“.

Wer in diesen Tagen an einer weißen Weide mit Pferden vorbeiging, mag gedacht haben: Bei dem Wetter! Die armen Tiere! Und selbst manch Pferdebesitzer würde seinen tierischen Partner wohl am liebsten mit an den heimischen Kamin nehmen – oder zumindest in Decken packen und in der Box lassen.

Pferde haben ein anderes Temperaturempfinden als Menschen

Doch Pferde sind keine Menschen, und deshalb sehen sie das Ding mit dem Schnee völlig anders. Auf der Reitanlage Siefer Hof von Hans-Peter und Gaby Werheid in Herkenrath stehen überall draußen Pferde: die Boxenpferde in abgezäunten Bereichen und die beiden Herden auf ihrer großen Auslauffläche. Fressen, schlafen und trocknen können sie überdacht. Für alles andere gilt: mit den Hufen fest im Schnee.

Herkenrath. Pferdehof Werheid. Pferde in Schnee. Gaby und Hans-Peter Werheid

Gaby und Hans-Peter Werheid führen den Reitstall Siefer Hof in Herkenrath.

Eines der Boxenpferde ist Favini. Der braune Wallach von Gaby Werheid startet bis zur S-Dressur, der höchsten Klasse der Dressurwettbewerbe. Im vergangenen Jahr gewannen sie gemeinsam mit drei weiteren Paaren aus dem Kreisverband Bergisch Land beim legendären CHIO in Aachen das Quadrillen-Championat.

Auch Turnierpferd Favini steht draußen im Schnee

Ein erfolgreiches Turnierpferd, bei dem eine Verletzung auch schon mal eine längere Unterbrechung der Karriere bedeuten kann. Trotzdem steht Favini draußen im Schnee.

Gerade scheint ihm das weiße Zeug völlig egal zu sein, er hofft auf ein Leckerli der vor ihm stehenden Menschen – und zwar vor der Zuchtstute Rotkäppchen, seiner Paddock-Genossin, was er ihr höflich, aber eindeutig zu verstehen gibt.

Pferde sind Bewegungstiere

„Es ist für uns völlig selbstverständlich, dass ein Pferd jeden Tag raus muss“, sagt Gaby Werheid. „Es ist ein Bewegungstier und braucht soziale Kontakte zu Artgenossen.“ Einsperren in der Box ginge für sie gar nicht. „Ich möchte ja, dass es den Pferden gut geht“, lautet ihr schlichtes Argument.

Aber bei klirrender Kälte im Tiefschnee? Hans-Peter Werheid zuckt mit den Schultern und sagt: „Es schneit doch nur. Das ist denen völlig egal, die gehen höchstens vielleicht mal unters Dach, wenn's von oben zu nass wird.“

Die wenigsten Pferde frieren im Winter

Die wenigsten Pferde frieren im Winter – es sei denn, sie sind alt, krank oder geschoren. Dann benötigen sie eine Decke zum Schutz vor der Witterung. Die Wohlfühltemperatur liegt bei den meisten Pferden zwischen minus 15 und 25 Grad; die „Komforttemperatur“ bei etwa fünf Grad trockener Kälte, und damit deutlich unter der der Menschen.

Pferde besitzen einen extrem ausgeklügelten Mechanismus zur Wärmeregulation und sind wahre Anpassungskünstler an Kälte und Schnee. Ihre Körpertemperatur regulieren sie zum Beispiel durch ein meist dickes, atmungsaktives Winterfell, isolierendes Fettgewebe in der Unterhaut und eine höhere Durchblutung.

Temperaturschwankungen härten die Tiere ab

Auch wenn sie „kältezittern“, erhöhen sie so die interne Wärmeproduktion. Oft findet das erst ab Temperaturen unter minus zehn Grad statt, und es bedeutet zumeist nicht, dass das Pferd ein akutes Problem hat, sondern dass es daran arbeitet, dass kein solches entsteht.

„Wenn es jetzt nächste Woche wieder zehn Grad plus wird, ist das viel schlimmer“, sagt Gaby Werheid. Mit Kälte kommen die Pferde besser zurecht. Wechselndes Wetter ist anstrengend, im Grunde aber auch wichtig für die Pferde. Temperaturschwankungen härten ab und regen Kreislauf wie Stoffwechsel an.

Der Siefer Hof ist ein Aktivstall

Damit dies alles möglichst natürlich funktioniert, braucht das Pferd eine artgerechte Haltung, die Körper wie Psyche gesund hält. Als deren höchste Form gilt derzeit der sogenannte Aktivstall, wie er auf dem Siefer Hof seit vielen Jahren umgesetzt ist.

In einer Wallach- und einer Stutenherde stehen auf je 3.000 Quadratmetern Sport- wie Freizeitpferde, junge wie alte, große wie kleine. Bei Schnee wird hier nicht geräumt. Selbst das „Abäppeln“ erfolgt mit der Schubkarre, damit die Kehrmaschine den Untergrund nicht fest und glatt macht.

Die Futtermenge wird automatisch gesteuert

Alle Laufwege sind drainiert, damit weder Matsch noch Pfützen entstehen. Am Samstagmorgen herrscht zufriedene Stille in den Herden. Einige ruhen noch verschlafen in der großen Liegehalle.

Andere stehen bereits an einem der 24 Fressplätze der Heustation, die sich automatisch alle zwei Stunden für 30 Minuten öffnet. In der Kraftfutterstation holt sich eine Stute eine ihrer bis zu 20 Rationen des Tages ab. Gesteuert werden Futtermenge und Zugang zur Station individuell per Chip.

Die Tiere laufen pro Tag zehn bis 16 Kilometer

Futterplätze und Tränken liegen teils weit auseinander. Das hält die Pferde an, sich zu bewegen. „Sie laufen pro Tag etwa zehn bis 16 Kilometer, überwiegend im Schritt“, sagt Hans-Peter Werheid.

Das entspricht in etwa der Strecke, die Pferde in freier Wildbahn bei ihrer Futtersuche zurücklegen. „Sie spielen und toben auch im Schnee“, sagt Gaby Werheid. „Wenn sie es gewöhnt sind, ist das überhaupt kein Problem.“

Licht, Luft, Bewegung, Sozialkontakt und Futter sidn Grundbedürfnisse

Die grundlegenden Bedürfnisse eines Pferdes ändern sich nicht dadurch, ob es geritten wird oder nicht. Diese sind seit Anbeginn der Pferdeexistenz: Licht, Luft, Bewegung, Sozialkontakt und ausreichend Futter. Ist das gegeben, sind sie ausgeglichen, zufrieden, meist gesund und selten gelangweilt.

„Und sie sind auch durchweg leistungsbereit“, sagt Hans-Peter Werheid im Hinblick auf das Reiten. Favini kennt es sein Leben lang nicht anders. Turniere, intensives Training, und zum Ausgleich darf er sich täglich nach Belieben wälzen, Futter suchen, der gegenseitigen Fellpflege mit Rotkäppchen widmen oder mit ihr ein paar „Worte“ bezüglich der Rangordnung wechseln. Bei jedem Wetter.