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550.000 Euro für ein BeinKrankenhaus zahlt ehemaligem Patienten Entschädigung

Lesezeit 5 Minuten

Vor dem Vergleich wurden mehrere Gutachter beauftragt. (Symbolbild)

  1. Ralf Schneider war in den besten Jahren und ein aktiver Mensch, der den Sport liebte.
  2. Bis sich nach einem Krankenhausaufenthalt eine Komplikation an die andere reihte und er fast verblutete.
  3. Fünf Jahre nach einem groben Behandlungsfehler kann nun endlich mit dem Thema – zumindest rechtlich – abschließen.

Bergisch Gladbach/Köln – Das Evangelische Krankenhaus Bergisch Gladbach (EVK) zahlt einem Patienten „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ eine Abfindung in Höhe von 550 000 Euro. Das ist der Inhalt eines Vergleichs vor dem Kölner Landgericht. Dem Patienten hatte nach einer Gefäßbehandlung im EVK das linke Bein amputiert werden müssen. Zu dem Vergleich (LG Köln 25 O 331/16) kam es, nachdem zwei Gutachter der Klinik Fehler bescheinigt hatten.

Der Anwalt des Gladbachers, Medizin-Fachanwalt Malte Oehlschläger, formuliert in diesem Zusammenhang Kritik an der Haftpflichtversicherung der Klinik: „Über fünf Jahre nach dem groben Behandlungsfehler und über zwei Jahre nach der Klageeinreichung vor dem Landgericht Köln kann mein Mandant nun endlich mit dem Thema rechtlich abschließen und nach vorne blicken. Trotz der Eindeutigkeit des Sachverhaltes war die Versicherung vorprozessual nicht bereit, in Verhandlung zu treten, weshalb der Prozess geführt werden musste.“

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Ralf Schneider, geboren 1964, war ein aktiver Mensch. Ein Mann in den besten Jahren, der den Sport liebte. Bis sich nach einem Krankenhausaufenthalt eine Komplikation an die andere reihte. 2012 hatte sich Schneider, der seinen wahren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, mit einer Durchblutungsstörung ins EVK begeben. Er wurde zunächst mit einer „Viabahn-Endoprothese“ behandelt, einer Gefäßstütze. Drei Mal kam es 2013 zu Thrombosen, dann wurde ihm ein Stück Vene (Veneninterponat) eingesetzt – die aber später riss. Am 7. November wurde Schneider in die Uni-Klinik verlegt, wobei er fast verblutet wäre, am 11. nahmen ihm die Kölner Ärzte das Bein ab.

Von Anfang an Fehler

Nachdem bereits ein fachärztliches Sachverständigengutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) der Klinik Behandlungsfehler attestiert hatte, wurde ein vom Landgericht beauftragter Sachverständiger in seinem mündlichen Vortrag am 17. April 2019 deutlich: Bereits zu Beginn der Behandlung seien Fehler gemacht worden, als zu wenige Medikamente gegeben worden seien. Auch die weitere Behandlung sei problematisch gewesen. Am Ende hätten die Gladbacher Ärzte versucht, das „Problem zu verkaufen“, sprich Schneider an die Uni-Klinik zu verlegen.

Da aber eine Spontanverlegung wohl nicht möglich gewesen sei, habe man „einfach abgewartet“. Richtig wäre es gewesen, entweder ein anderes Gefäßzentrum anzusprechen oder selbst die Initiative zu ergreifen und zu versuchen, einen künstlichen Bypass zu legen.

Methode durchaus verbreitet

Andererseits sei das im EVK gewählte Verfahren zunächst vertretbar gewesen: „Man konnte so arbeiten, man erkauft sich allerdings dadurch vermehrte Komplikationen infolge der minimalinvasiven Chirurgie.“ Die Methode sei in Kliniken „durchaus verbreitet“, werde aber überstrapaziert. Ein Stück Vene einzusetzen sei „bestimmt die dreifache Arbeit. Das Einbringen von Stents ist operativ einfacher.“ Der Sachverständige stellte aber auch klar: „Ich kann nicht sagen, wenn man das eine oder andere getan hätte, wäre alles sicher gut gegangen. Nicht vertretbar ist es meiner Meinung nach gewesen, nicht zu agieren.“

Schmerzensgeld und Schadenersatz

Im Gegensatz zu den USA werden in Deutschland deutlich geringe Summen als Ausgleich für ärztliche Behandlungsfehler gezahlt. Deshalb steht der vorliegende Fall mit 550 000 Euro weit oben auf der Rangliste der Schadenersatzzahlungen, die in der sogenannten Celler Schmerzensgeldtabelle 2019 erfasst sind. So wurden 500 000 Euro für eine fehlerhafte Rückenschmerzbehandlung fällig, 400 000 Euro für die Querschnittslähmung eines Zwölfjährigen nach misslungener Halswirbelsäulen-Operation. Für die lebenslange Behinderung von Kindern nach Geburtsschäden zahlten Versicherungen 400 000 bis 700 000 Euro. Die höchste Summe für die Amputation eines Beins ist mit 35 000 Euro angegeben.

Nach der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2019 kam Bewegung in das juristische Tauziehen. Anwalt Oehlschläger: „Durch das Sachverständigengutachten und die Moderation des Gerichtes war nun der Vergleich möglich.“ Der Fachjurist aus Montabaur sagt aber auch: „Leider wächst die Zahl der Fälle, in denen Versicherungen trotz eindeutiger Sachverhalte die Haftung ablehnen, so dass geklagt werden muss. Hiervon darf man sich jedoch nicht entmutigen lassen.“

Klinik stellt sich der Verantwortung

Das Evangelische Krankenhaus bedauerte auf Anfrage sehr, dass es „bei der Behandlung des Patienten zu Komplikationen mit gesundheitlichen Folgen gekommen ist. Unsere Ärzte hinterfragen in solchen Fällen natürlich, was hätte anders gemacht werden können. Der Patient wurde nach den seinerzeit medizinischen Standards behandelt. Ein zwischenzeitlicher Behandlungswechsel hätte möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt. Dies lässt sich jedoch nicht mit ausreichender Sicherheit belegen.“ Die Klinik stelle sich ihrer Verantwortung, so das EVK weiter. „Krankenhäuser verfügen für Fälle wie diesen über entsprechende Haftpflichtversicherungen.“ Der Fall Schneider sei auf Vorschlag des Gerichtes durch „gegenseitiges Aufeinanderzugehen und gütliche Einigung“ beendet worden. Sprecher Daniel Beer: „Wir sind froh, dass der Patient nun finanziell entschädigt wird und wünschen ihm für sein weiteres Leben alles Gute.“

Die Haftpflichtversicherung des EVK, die Ecclesia-Gruppe aus Detmold, schreibt auf Anfrage, es sei in dem Verfahren um eine „langwierige und sehr schwierige Behandlung einer Gefäßerkrankung“ gegangen, die „auch zu unserem großen Bedauern mit der Amputation eines Beines endete“. Sprecher Thorsten Engelhardt: „Wir unterstützen unsere Mandanten dabei, Qualität und Patientensicherheit immer weiter zu verbessern. Dennoch lassen sich solche bedauerlichen Fälle nicht immer vermeiden.“ Da die „haftungsrechtliche Verantwortlichkeit“ trotz mehrerer Gutachten nicht geklärt gewesen sei, habe sich die Versicherung entschlossen, das Verfahren durch einen Vergleich zu beenden.

Eine Tendenz, dass auch bei eindeutigen Sachverhalten immer mehr Prozesse geführt würden, sei für die Versicherung indes nicht erkennbar: „Tatsächlich kommt es nur in einem sehr geringen Anteil aller Verfahren zu einem Rechtsstreit.“

Für Patienten wie Ralf Schneider, ist das natürlich nur ein schwacher Trost.