- Die geplante Schließung der Asklepios-Kinderklinik sorgt weit über Sankt Augustin hinaus für Aufregung. Auch die Landesregierung befasst sich mit dem Thema.
- Eltern wollen die Schließung mit hartnäckigem Protest verhindern. Einzelne Familien wären wie das Ehrenamtlichen-Netzwerk vor Ort hart getroffen.
- Nun wirbt die Uni Bonn offenbar Personal ab. Wir geben einen aktuellen Überblick.
Sankt Augustin – „Emilia war plötzlich so schwach und immer müde“, erinnert sich ihre Mutter Carina Lauermann. „Ihre Zwillingsschwester Melinda war dagegen völlig aufgeweckt“, fügt Vater Stefan hinzu. Ein Arztbesuch mit dem damals knapp einjährigen Mädchen Emilia endete mit einer erschreckenden Diagnose. Die Kleine hatte Leukämie. Die Eltern entschieden sich, ihre Tochter in der Asklepios-Kinderklinik in Sankt Augustin mit einer Chemotherapie behandeln zu lassen.
Nun steht die Einrichtung vor dem Aus, hat Asklepios dem Rhein-Sieg-Kreis die Übernahme für den symbolischen Preis von einem Euro angeboten. Das Krankenhaus wirft der Uniklinik Bonn vor, mit Steuermitteln Ärzte abgeworben zu haben und ihr damit die finanzielle Basis zu entziehen. Patienten, Angehörige und Mitarbeiter sind fassungslos darüber, dass der Fortbestand der Klinik auf der Kippe steht. Bei einer Demonstration vor dem Eingang haben sie ihrer Wut Luft gemacht. „Was ist wichtiger: Konzerne oder Kinder?“ und „Kranke Kinder brauchen kurze Wege“, steht auf den Protestschildern, die sie in die Höhe halten.
Uni Bonn soll Personal abgeworben haben
Der „Fall Asklepios“ zeigt beispielhaft, wie eine unzureichende Krankenhausplanung, strategische Fehlentscheidungen und der Kosten- und Konkurrenzdruck bei den Krankenhäusern sich negativ auf die medizinische Versorgung einer ganzen Region auswirken können. Ausgangspunkt der fatalen Entwicklung war der Beschluss der Klinik im Jahr 2017, die Geburtsstation aus Kostengründen zu schließen. Die Tragweite dieses Schrittes hatten die Planer offenbar falsch eingeschätzt. Denn ohne Geburtsstation war auch die medizinische Versorgung von Neugeborenen mit einem Herzfehler nicht mehr möglich. Ein schwerer Rückschlag für das Team in der Kinderherzchirurgie, das bis dahin durch seinen guten Ruf für hohe Einnahmen in der Klinikkasse sorgte.
In dieser Situation witterte das Uniklinikum in Bonn offenbar die Chance, von der Unzufriedenheit zu profitieren – das behauptet man zumindest in der Asklepios-Klinik. Die Bonner hätten Kontakt mit dem ärztlichen Direktor aufgenommen und seien auf offene Ohren gestoßen. Als der Kinderherzspezialist sich entschied, zum 1. Oktober nach Bonn zu wechseln, löste das eine regelrechte Abwanderungswelle aus. „70 Prozent der Chef- und Oberärzte sowie 40 Prozent des Intensivpflegepersonals haben mittlerweile bei uns gekündigt und sind mehrheitlich auf dem Weg zur Uni Bonn“, sagt Rune Hoffmann, der Sprecher des Asklepios-Krankenhauses.
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Die Uniklinik habe extra eine Professur geschaffen, um dem Chef der Kinderherzchirurgie den Übergang zu versüßen. Die Bonner weisen diesen Vorwurf allerdings zurück. An der Uniklinik herrschten „optimale Bedingungen für die Kinder-Herzmedizin, so dass die Kollegen aus fachlichen Gründen zum Wechsel motiviert waren“, erklärt Wolfgang Holzgreve, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Uniklinik, auf Anfrage. Dort entsteht ein neues Eltern-Kind-Zentrum, das unter anderem durch Fördermittel des Landes NRW in Höhe von 350 Millionen Euro finanziert wird.
Wirtschaftlicher Scherbenhaufen
Klar ist, dass Asklepios mit dem Kompetenz-Verlust der Kinderherzchirurgie nun wirtschaftlich vor einem Scherbenhaufen steht. „Uns sind 45 Prozent unseres Umsatzes weggebrochen“, beklagt Asklepios-Sprecher Hoffmann. Das bedeute nicht, dass der Gewinn schrumpfe, sondern dass der Verlust sich entsprechend vergrößere.
Eine Klinik wie Sankt Augustin könne – insbesondere bei einer stiefmütterlichen Förderung durch das Land – nicht profitabel betrieben werden. Allein in den vergangenen fünf Jahren habe sich der Verlust auf mehr als zehn Millionen Euro summiert, den der Konzern immer klaglos ausgeglichen habe, so Hoffmann. Es gehe also nicht um Profit, sondern darum, dass die Arbeitskraft der Mitarbeiter vor Ort bezahlt werden müssten. Wenn es keine staatlichen Zuschüsse gebe, stehe das Krankenhaus vor dem Aus. Dann würde es auch die Bereiche Neurochirurgie, Onkologie, Orthopädie, Inneres und somatische Erkrankungen sowie die Ambulanz nicht mehr geben.
Landesregierung aufgeschreckt
Der Fall Asklepios hat mittlerweile auch die Landesregierung in Düsseldorf aufgeschreckt. Der Vorgang zeige, dass es in NRW „bislang keine vernünftige Krankenhausplanung gegeben“ habe, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Folge sei ein „Wildwuchs in der Krankenhauslandschaft, der dringend behoben werden“ müsse. „Wir haben ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die aktuelle Versorgungsstruktur in NRW zu erfassen. Diese Studie soll die regionale Unter- und Überversorgung ermitteln und eine Prognose sowie Handlungsempfehlungen für die Krankenhausplanung abgeben“, so Laumann.
Zurzeit finden Gespräche zwischen Träger, Kreis und Land statt, bei der eine Lösung gefunden werden soll, um zumindest die Bereiche außerhalb der Herzchirurgie zu sichern. „Die Kinderklinik mit dem dazugehörigen Kinderherzzentrum ist für die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen in der Region sehr wichtig“, sagt Horst Becker aus Lohmar, Landtagsabgeordneter der Grünen. Bis eine eigene Krankenhausplanung vorliege, die auch die kinderklinische Versorgung umfassen solle, müsse die Landesregierung den Weiterbetrieb „durch einen Sicherstellungszuschlag“ ermöglichen. „Diese zusätzlichen finanziellen Mittel für Krankenhäuser wurden vom Gesetzgeber eingeführt, um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, wenn diese nicht anders gewährleistet werden kann“, sagte Becker. „Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass das Land auf Zeit spielt und eine Entscheidung über einen Sicherstellungszuschlag solange hinauszögert, bis sich die Frage durch Zeitablauf erledigt hat.“
Anlaufstelle ohne Zweck
Sankt Augustins Bürgermeister Klaus Schumacher befürchtet, dass die benachbarten Kliniken einen Wegfall nicht kompensieren können: „Immerhin 10 000 stationäre Behandlungen und 56 000 ambulante Kontakte pro Jahr gilt es aufzufangen“, sagt der CDU-Politiker. Als möglicher neuer Träger wird im politischen Raum der Landschaftsverband Rheinland diskutiert.Für die Eltern und die kleinen Patienten sind die Ankündigungen nur ein schwacher Trost. Sie müssen mit ansehen, wie bislang intakte Strukturen zerschlagen werden. Für Emilia hat sich ein Stammzellenspender gefunden und die lebenswichtige Behandlung kann weiter gehen.
Familie Lauermann kommt aus Andernach in der Eifel. Damit die Eltern nicht jeden Tag rund 140 Kilometer hin-und her fahren müssen , bekamen sie vom Verein Elterninitiative krebskranker Kinder kostenlos ein Haus zur Verfügung gestellt. „Wir leisten hier seit Jahren wertvolle Arbeit. Wenn die Klinik schließt, dann geht auch ein wertvolles Netzwerk von ehrenamtlichem Engagement verloren“, betont Vereinsvorsitzende Manuela Melz. Auch das gespendete Ronald-Mc-Donald-Haus neben der Klinik hätte als wichtige Anlaufstelle für Kinder und Familien keinen Sinn mehr.