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Das Beste aus 2023Bergisch Gladbacherin gewinnt Kita-Klage – Stadt droht eine Klagewelle

Lesezeit 3 Minuten
Sabrina Fahlenbock steht auf einer Wiese, die als Kita-Standort diskutiert wurde.

Sabrina Fahlenbock gewann den Prozess gegen die Stadt. Sie fordert eine aktive Stadtpolitik, um schnell neue Kindergartenplätze zur Verfügung stellen zu können.

Seit Monaten kämpft Mutter und Rechtsanwältin Sabrina Fahlenbock um einen wohnortnahen Kita-Platz für ihren Sohn. Für die Stadt könnte das Urteil sehr teuer werden.

Es ist das erste Mal, dass die Stadt Bergisch Gladbach bei einer Kita-Klage unterliegt. Die Mutter und Rechtsanwältin Sabrina Fahlenbock hat vor dem Verwaltungsgericht Köln die Zahlung eines Zwangsgelds in Höhe von 5000 Euro pro Monat erwirkt, sollte die Stadt bis zum 14. August dem dreijährigen Sohn keinen wohnortnahen Kita-Platz bereitstellen.


Dieser Text gehört zu unseren beliebtesten Inhalten des Jahres 2023 und wurde zuerst am 1. August veröffentlicht. Mehr der meistgelesenen Artikel des Jahres finden Sie hier.


„Es ist schlimm, dass die Verwaltung Eltern immer noch wie Bittsteller behandelt“, kritisiert Sabrina Fahlenbock.

Bergisch Gladbacherin veranlasst Zwangsvollstreckungsverfahren gegen Kommune

Dem Gerichtsbeschluss des Verwaltungsgerichts Köln geht, wie berichtet, eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster voraus, dass die Stadt verpflichtet ist, der Familie aus Moitzfeld einen Ganztagsbetreuungsplatz zur Verfügung zu stellen. Dem ist die Kommune nicht nachgekommen.

Rechtsanwältin Sabrina Fahlenbock beantragte daraufhin ein Zwangsvollstreckungsverfahren. Erstmals sollen nun gegen die Stadt Zwangsgelder erhoben werden, wenn sie den im Sozialgesetzbuch festgeschriebenen Anspruch auf eine staatliche Kinderbetreuung für Kinder ab einem Jahr nicht erfüllt. Die Stadt beabsichtige aktuell nicht, von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen, sagt Stadtsprecher Martin Rölen.

Das wäre vermeidbar gewesen. Sehenden Auges lässt der Bürgermeister zu, dass das Verwaltungsgericht ein Zwangsgeld festsetzt.
Sabrina Fahlenbock, Mutter und Rechtsanwältin

„Das wäre vermeidbar gewesen. Sehenden Auges lässt der Bürgermeister zu, dass das Verwaltungsgericht ein Zwangsgeld festsetzt. Damit verletzt er seine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Stadt“, betont Fahlenbock. Rund 500 Familien haben in Bergisch Gladbach keinen Kita-Platz bekommen.

Auch das Elternpaar Fahlenbock hängt noch in der Luft. „Bisher konnte dem Sohn kein zumutbarer Platz in einer Kindertageseinrichtung angeboten werden“, bestätigt Rölen. Zwei Plätze in der Kindertagespflege seien angeboten worden. Es sei aber zu keinem Betreuungsverhältnis gekommen.

Bergisch Gladbacherin vertritt 27 weitere Kinder, die keinen Kita-Platz bekommen

Fahlenbock berichtet, dass sie außer ihrem Sohn weitere 27 Kinder in ähnlichen Fällen vertritt. „Die Stadt hält sich offensichtlich nicht an Recht und Gesetz. Sie muss sich ausrechnen, welche Forderungen allein an Zwangsgeldern auf sie zukommen, wenn nur ein Bruchteil der Betroffenen klagt.“

Im Rahmen des Gerichtsverfahrens konnte die Stadt nicht nachweisen, im Fall Fahlenbock alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben, einen Platz in einer bestehenden Kita zu beschaffen.

„Hierfür wäre unter anderem der Nachweis einer Nachfrage bei allen wohnortnahen Betreuungseinrichtungen erforderlich“, heißt es in dem Gerichtsbeschluss (Aktenzeichen 19M36/23). Die Stadt habe lediglich pauschal vorgetragen, eine Überbelegung sei aufgrund des Fachkräftemangels in vielen Fällen nicht möglich.

Stadtsprecher Rölen betont auf Anfrage, dass „unter Berücksichtigung der seit Jahren bestehenden vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Kita-Leitungen eine weitere Überbelegung bei den bestehenden Personalschlüsseln nicht möglich ist“. Zudem seien Überbelegungen aus pädagogischer Sicht nicht sinnvoll. An vielen Standorten fehlten dafür auch die räumlichen Gegebenheiten.

Bergisch Gladbach plant drei neue Kitas

Um die Versorgungslücke zu schließen, plant die Stadt, drei neue Kitas in Modulbauweise in der Innenstadt, in Schildgen und im Stadtteil Sand zu errichten. 190 Kinder sollen so im Kindergartenjahr 2024/25 untergebracht werden.

Rechtsanwältin Fahlenbock kritisiert: „Das reicht nicht aus, um den Anforderungen von Hunderten von Kindern zeitnah gerecht zu werden.“ Sie fordert schnellere Lösungen in Form von Containerbauten oder einem Notbetrieb wie in anderen Kommunen.

Die Stadtverwaltung dagegen stellt fest: „Containerbauten sind nicht in jedem Fall schneller als die vorgesehenen Modulbauten.“ Die Bauten müssten auf die Grundstücke zugeschnitten und das Außengelände hergerichtet werden, die Verfahren zur Erschließung sowie Baugenehmigung seien analog denen eines normalen Baus, zählt Rölen auf.

Bergisch Gladbach will weiterhin keine stadteigenen Kitas schaffen

Die Rechtsanwältin wiederholt ihre Kritik daran, dass die Stadt beim Betrieb der Kitas ausschließlich auf freie Träger setzt: „Eigene Kitas bieten der Stadt mehr Spielraum, um den Beruf attraktiver zu gestalten und selbst Fachkräfte zu gewinnen“, argumentiert sie.

Die Stadtspitze hat bisher zu mehreren Gelegenheiten betont, an der bisherigen Praxis festhalten zu wollen. Nur falls sich keine privaten Träger finden lassen sollten, schloss Bürgermeister Frank Stein bei einer Pressekonferenz im Juni ein Umdenken nicht aus.