Bergisch GladbachNeue Sozialstation bietet Obdachlosen Halt und Hilfe
- Neben dem Rathaus in Bergisch Gladbach versorgt die neue Anlaufstelle „Die Platte“ Obdachlose.
- Sie bietet Schutz, Halt, Sicherheit. Ein Gespräch mit denen, die hierherkommen.
- Sie berichten, wie das Leben auf der Straße ist und warum Weihnachten besonders hart für sie ist.
Bergisch Gladbach – Weihnachten ist weit weg an diesem Nachmittag in Bergisch Gladbach. In der Fußgängerzone schieben sich an den Tagen vor dem Fest die Menschen durch die Geschäfte, vom Weihnachtsmarkt zwischen Rathaus und Bergischem Löwen dringt festliche Musik herüber. Einige Meter entfernt, am alten Kiosk an der Ecke Paffrather/Dr.-Robert-Koch-Straße, ist davon kaum etwas zu spüren. Rund 30 Personen halten sich auf dem kleinen Platz auf, den die Stadt gemeinsam mit mehreren Hilfeeinrichtungen hergerichtet hat.
„Mir geht es gut“
„Mir geht es gut“, sagt einer aus der Gruppe. „Weihnachten? Ist nicht anders als sonst.“ Das harte Los der Straße ist in sein Gesicht gekerbt, die Finger sind von der Kälte gerötet, die Wollmütze hat er tief ins Gesicht gezogen. Sein Nebenmann wendet sich ab und zieht die Anorakkapuze über den Kopf, er möchte seine Ruhe haben. Er hockt in der kleinen Holzbude, Seite an Seite mit den anderen. Das ist die neue Heimat für viele, denen es an Weihnachten nicht so gut geht.
Es wird gequatscht, gelacht, geschimpft, über Gott und die Welt gesprochen. Manche haben Hunde dabei. Der Platz ist abgeschirmt, grüne Folien sorgen für Sichtschutz und Privatsphäre, so gut es eben geht, zwei Tische und Bänke laden zum Verweilen ein. Helfer des Vereins „Die Platte“ haben einen großen Weihnachtsbaum aufgestellt, zur Straße hin baumeln große rote Kugeln an der Tanne. Ganz auf Festliches sollen die Menschen, die hier jeden Tag ihre Anlaufstelle haben, nicht verzichten.
Weit weg von der heilen Welt
Heile Welt ist hier nicht und Sozialromantik auch nicht. Auf der Straße leben zu müssen, ist besonders an Weihnachten hart. Viele aus der Gruppe haben keinen Kontakt mehr zu Angehörigen, die wenigen Freunde kommen aus der Gruppe der Gleichgesinnten. „Auch wenn einer sagt, dass es ihm gut geht, muss das nicht stimmen“, sagt Stephan Schinkel nachdenklich, Helfer aus dem Verein „Die Platte“. Drogenabhängigkeit oder Alkoholsucht prägten teils über viele Jahre den Alltag.
„Das gehört für einige zum Leben, das ist dann normal für sie.“ Schinkel schätzt, dass es einen Kreis von etwa 60 Personen gibt, die die Anlaufstelle nutzen, mehr oder weniger intensiv. „Das sind für uns Schützlinge“, sagt er. Obdachlos im herkömmlichen Sinne sei keiner von ihnen, die Stadt gebe ihnen mindestens ein Schlafquartier. „Tagesobdachlosigeit sagen manche dazu.“ Die Menschen haben meist keinen festen Job (Ausnahmen gibt es), sie hängen rum und wissen nicht immer, etwas mit sich anzufangen.
Vor der Sozialstation war der Park der Villa Zanders ihre bevorzugte Anlaufstelle. Viele verlassen am Morgen ihr Nachtquartier und kehren erst spät am Abend dorthin zurück. Dazwischen ist der Platz am Kiosk ihre neue Heimat, bei jeder Witterung. Ihre wenigen Habseligkeiten können sie hier abstellen, niemand stört sich daran. Öffnungszeiten „von bis“ gibt es am Büdchen nicht. Der Zugang ist zu jeder Zeit möglich. Nur ein Baustellenzaun etwas oberhalb des Bretterverschlags muss dafür beiseite gesetzt werden. Ab 22 Uhr ist Nachtruhe angesagt, das ist die Vorgabe der Stadt. Ihr gehört der Platz.
Neue Sozialarbeiterin brachte Wandel
Bei den Sozialvereinen ist man über den Verlauf des Projekts hochzufrieden, Netzwerk Wohnungsnot, Caritas und „Platte“ versuchen gemeinsam, den in Not geratenen Menschen zu helfen. Auch die Stadt unterstützt: Seit Sozialarbeiterin Mirjam Schedalke-Volberg Anfang September ihre Arbeit als Straßensozialarbeiterin aufgenommen habe, sei es deutlich einfacher geworden, diese Menschen zu erreichen, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und über mögliche Hilfen zu informieren. So sieht es auch Stephan Schinkel. „Das ist schon ein abgeschlossener Kreis“, sagt er.
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Nur nach langer Kontaktpflege gelinge es, einen Zugang zu den Menschen zu finden. Schinkel spricht vom „Kältebus“ des Vereins, der zu festen Zeiten an den Busbahnhöfen in Gladbach und Bensberg oder in Refrath an der Steinbreche stehe. Dann werden Taschentücher verteilt, Pflaster, Handschuhe, Socken, Schals, alles, was für ein Leben auf der Straße wichtig ist.
Sicherheit und Sauberkeit in der Stadtmitte zu verbessern, war laut Martin Rölen, Pressesprecher der Stadt, der Ursprung der Initiative. Im Kiosk wurde eine Anlauf- und Versorgungsstelle eingerichtet, das Projekt, in das die Caritas eingebunden ist, firmiert unter der Bezeichnung „aufsuchende Sozialarbeit – ein Angebot der Wohnungslosen- und Suchthilfen“. An Samstagen gibt es immer eine warme Suppe, zubereitet in der kleinen Kioskküche. Ab 1. Januar kommt eine weitere Mitarbeiterin hinzu, die sich um die Krankenpflege bei denjenigen Menschen kümmert, die beispielsweise eine Suchtproblematik haben. Denn für viele Betroffene ist der Weg in eine Arztpraxis ein zu schwieriger.
Ali und Lucie Misini, beide von der „Platte“, betonen die Bedeutung des persönlichen Kontakts: „Die Erreichbarkeit von Ansprechpartnern ist ganz wichtig, so können wir auch schnell reagieren, wenn eine Notschlafstelle gebraucht wird.“ Günstig sei,dass der Beratungsraum gleich mit im Kiosk sei. Und erste Erfolge seien sichtbar, zwei Personen aus der Gruppe hätten gerade einen Mini-Job bekommen und zwei weitere seien im Drogenentzug. Der Anfang einer Erfolgsgeschichte, hoffen die Unterstützer.