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Bergisch GladbachRotes Kreuz Chefin blickt auf die Flüchtlingskrise 2015 zurück

Lesezeit 4 Minuten

Als Kreisvorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes war Ingeborg Schmidt von Anfang an so etwas wie die Stimme der  Flüchtlinge, die  im November 2015  in großer Zahl  in Bergisch Gladbach ankamen.

  1. 2015 war Ingeborg Schmidt Kreisvorsitzende des Deutschen Roten Kreuz und so etwas wie Stimme der Flüchtlinge.
  2. Im Interview blickt sie auf die turbulente Zeit in den Jahren 2015 und 2016 zurück und spricht über Hilfe, Integration und die heutigen Probleme von Flüchtlingen.

Bergisch GladbachWie haben Sie die ersten Tage erlebt?Ingeborg Schmidt: Die ersten Tage waren sehr chaotisch. Die Situation war ja neu, es gab keinerlei Erfahrung im Umgang mit diesen großen Flüchtlingsströmen. Als das DRK von der Stadt Bergisch Gladbach um Hilfe gebeten wurde, haben wir versucht, das Bestmögliche zu organisieren. Eine Turnhalle mit Bodenbelag auslegen, Räume schaffen, also eine Infrastruktur schaffen. Es wusste ja auch niemand etwas über die Flüchtlinge. Unsere ehrenamtlichen Helfer haben sagenhaft gearbeitet, manchmal rund um die Uhr.

Was sind heute die größten Probleme der Menschen?

Bei ganz vielen geflüchteten Menschen ist eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Denn inzwischen ist klar, hier fehlen Wohnungen, unsere Bürokratie ist schwierig und den ersehnten Traumjob hat man auch nicht unbedingt erhalten. Die deutsche Sprache ist eine schwere Hürde, die bis heute zahlreiche Flüchtlinge nicht haben nehmen können. Viele haben auch gehofft, ihre Familien nachholen zu können. Ganz allein hier zu sein, da macht sich schon Einsamkeit breit. Ich denke, Familien haben es leichter, hier zurecht zu kommen.

Dann wäre eigentlich mehr Integrationsarbeit nötig?

Integrationsarbeit wird auch zukünftig sehr vonnöten sein. Dort, wo sich deutsche Menschen um die Flüchtlinge kümmern, gelingt Integration viel besser. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich mich auch schon mal zurückgezogen habe, denn man muss auch gewillt sein, integriert zu werden. Wer am Ende alles besser weiß und nur das macht, was er will, dem kann ich auch nicht helfen.

Gibt es denn noch genug freiwillige Helfer?

Von den ehrenamtlichen Helfern von damals sind nicht viele übrig geblieben. Das hat aber mehrere Gründe. Natürlich wurden die Helfer auch irgendwann müde, täglich ihre gesamte Freizeit zu investieren. Manche waren auch sehr demotiviert, wenn festzustellen war, dass man uns oft auch viele Unwahrheiten aufgetischt hat, nur um durch eine möglichst schlimm geschilderte Situation die beste Unterstützung zu erhalten. Es gibt immer noch sehr viele Menschen, die sich einbringen, aber die benötigten Aufgaben sind nun besser aufgeschlüsselt, es gibt professionellen Deutschunterricht, viele Institutionen bieten die Hilfestellungen nun hauptamtlich an.

Sie selbst haben damals einen Flüchtling aus Syrien in Ihrem Zuhause aufgenommen. Was macht er heute?

Der Flüchtling, den ich 22 Monate in meinem Haus aufgenommen habe, hat nun schon geraume Zeit eine eigene Wohnung und wird im Dezember die Gesellenprüfung zum KFZ-Mechatroniker absolvieren. Er gehört zur Familie und betätigt sich im DRK Rösrath in der Bereitschaft.

Inwiefern hat die gemeinsame Zeit mit ihm Sie verändert?

Wir haben viel diskutiert. In der Bibel und im Koran haben wir Gemeinsamkeiten gesucht und auch gefunden, aber auch die Unterschiede wurden mit Respekt behandelt. Ich glaube nicht, dass mich die Zeit mit ihm besonders verändert hat. Viele Dinge habe ich gelernt, auch aus einer anderen Perspektive zu sehen. Er hat gelernt, dass das Wort „hassen“ in meinem Leben keinen Platz hat, das ist in seiner Kultur oft anders gewesen.

Fanden Sie es schwierig, einen gemeinsamen Weg zu gehen?

Mir hat immer geholfen, sehr gradlinige Aussagen zu treffen. Im DRK arbeiten wir nach dem Maß der Not, im Zeichen der Menschlichkeit. Das beinhaltet aber nicht, dass ich gesunden Menschen Arbeiten abnehme, die sie durchaus alleine, vielleicht zuerst mit Anleitung, dann aber selber übernehmen können. Ich muss mich auch nicht verbiegen, Dinge zu ermöglichen, die einfach so nicht zu machen sind, auch hier für keinen deutschen Mitbürger möglich sind.

Dann kann man Hilfsbereitschaft auch übertreiben?

Ja. Möglichst normal miteinander umgehen, helfen, wenn jemand nicht alleine zurechtkommt oder auch eine Freundschaft anbieten, um Einsamkeit zu lindern, dann ist doch schon viel geholfen. Aber das gilt für alle Menschen, nicht nur für Flüchtlinge.

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Erinnern Sie sich gerne an die Jahre 2015/2016?

Wenn ich zurückschaue, möchte ich die Zeit nicht missen. Es war eine ungeheuere Herausforderung, die ich meine, dass wir sie in großartiger Teamarbeit geschafft haben. Gemeinsam haben wir in unserem Land doch viel geschafft und viel anfängliches Chaos beseitigt. Ja, es gibt immer noch viel zu tun und zahlreiche Dinge, die sich verbessern lassen, aber wir sind doch auf einem gutem Weg. Ich bin dankbar für die Erfahrungen dieser Zeit, habe so viele positive Erfahrungen sammeln können und zahlreiche „kurze Dienstwege“ sind bis heute erhalten geblieben.