Nach viel Aufregung bleiben doch alle Wahllokale in Bergisch Gladbach offen. Der Bürgermeister übernimmt die Verantwortung für den Fehler.
Eine SchuldfrageRückzieher bei Bergisch Gladbachs Wahllokalen kostet 52.000 Euro
52 000 Euro kostet der Rückzieher bei der geplanten Schließung von fünf Wahllokalen in Bergisch Gladbach. Es sind Portokosten, die die Deutsche Post der Stadt für das Versenden der Wahlbenachrichtigungen zusätzlich in Rechnung stellt.
Bürgermeister Frank Stein (SPD) nannte diese Zahl in der Ratssitzung am Dienstagabend und räumte ein, die Bedeutung dieser Schließungen falsch eingeschätzt zu haben. Möglicherweise kann die Stadt diese Ausgaben aber noch reduzieren, dies soll im Einvernehmen mit der Deutschen Post geschehen, berichtet Stadtsprecherin Daniela Fobbe-Klemm am Mittwochnachmittag.
Frank Stein übernahm persönlich die Verantwortung für diesen Fehler: „Letztlich bin ich für alles in der Bergisch Gladbacher Verwaltung verantwortlich.“
Unklar, wer in Bergisch Gladbachs Verwaltung den Fehler gemacht hat
Womit aber nicht klar ist, wie es überhaupt zu dieser krassen Fehleinschätzung gekommen ist. Der Bürgermeister hat den gesamten Verwaltungsvorgang gestoppt, als es massiven Druck aus der Öffentlichkeit und von den Parteien gab. Die Wahlbenachrichtigungen mussten anschließend neugedruckt werden, sie sollen bis spätestens 19. Mai bei den Wählerinnen und Wählern ankommen. Andernfalls könnte der Wahlgang am 9. Juni angefochten werden. Am Mittwoch sind die ersten Wahlbenachrichtigungen in den Briefkästen in Bensberg gelandet.
Verlegung der Wahllokale war schon länger beschlossen
Letztlich blieb nach der Ratssitzung nebulös, wer im Rathaus die später zurückgeholte Entscheidung für die Schließung der Wahllokale an den fünf Grundschulen getroffen hat. Der Bürgermeister jedenfalls war es nicht, er schaltete sich erst nach den massiven Protesten seiner Bürger ein. Einigermaßen überraschend und auch unverständlich erscheint es, dass niemanden im Rathaus die Sache mit den bereits gedruckten Wahlbenachrichtungen aufgefallen war.
Recherchen unserer Zeitung haben bislang ergeben, dass bereits im April die Verlegung der Wahllokale beschlossen worden war. Lange vor einer offiziellen Mittelung aus dem Presseamt war dieser Schritt auf der Seite des Wahlamtes nachzulesen gewesen. Der Sturm des Protestes war allerdings erst nach der Berichterstattung dieser Zeitung aufgekommen.
Nun ist es aber keine neue Erkenntnis, dass das schulische Mobiliar teils zu niedrig ist und städtische Mitarbeiter vor dem Wahltag passende Möbelstücke von hier nach dort fahren müssen.
Stadt hätte sich Mäbelschlepperei sparen können
Gestört hat dies in der Vergangenheit niemanden, auch nicht bis zur letzten Wahl zum Landtag im Frühjahr 2022. Vorstellbar ist allerdings, dass intern um die Anschaffung neuen Mobiliars gerungen worden sein könnte. Damit wäre der Stadt die lästige und teure Möbelschlepperei vor dem Wahlgang erspart geblieben.
Allerdings hätte dafür auch Geld in die Hand genommen werden müssen. Falls dem so gewesen ist, hätten sich die Stadtverantwortlichen gegen den Kauf der neuen Möbelstücke entschieden. Anschließend könnten die Kosten des städtischen Möbeltransports insgesamt betrachtet worden sein, mit der Erkenntnis: Es könnte ja auch anders, günstiger gehen. Und zwar indem Wahllokale geschlossen und verlegt werden.
Bergisch Gladbacher protestierten
Aber da hatte die Stadt die Rechnung ohne die Bürger gemacht, die lautstark und intensiv protestierten. Ohnehin erstaunt es, dass Sand in die Mühlen des Wahlverfahrens gekommen ist. Das Wahlbüro mit seinem Leiter Frank Bodengesser verfügt über langjähriges Wissen. Dass Fristen für den Druck der Wahlbenachrichtigungen nicht bekannt gewesen sind, erscheint sehr unwahrscheinlich.
Dass die Politik Licht ins die Abläufe bringt, erscheint nach der Ratssitzung ebenfalls eher unwahrscheinlich. Da lag den Politikern eine schriftliche Anfrage der CDU-Fraktion zu den Vorgängen vor, es ging um Auskünfte zu den Verantwortlichkeiten und auch zum Wahlausschuss, der keck übergangen worden war. Die CDU hatte auf eine umfassende Antwort aus dem Rathaus gehofft und bekam eine bereits bekannte Pressemitteilung vom Anfang Mai vorgelegt. Ohne ergänzende, erklärende Zeilen. Nicht nur wegen der unnützen Ausgabe in Höhe von 52 000 Euro machte da so mancher Politiker auf einmal ein ziemlich langes Gesicht.
Und manche schauten bereits voraus auf das große Wahljahr 2025, mit der voraussichtlich Ende September anstehenden Wahl zum Deutschen Bundestag, zum Kreistag und zu den Kommunalparlamenten, zum Landrats- und Bürgermeisteramt, ergänzt mit den Wahlen zur Seniorenvertretung.
Bis zu sechs Wahlzettel könnte es für manche Wähler geben. Ob es bei dieser Mammutwahl erneut veränderte Wahllokale geben könnte, ist bis dato offen. Im Wahlausschuss solle die Stadtverwaltung rechtzeitig über Veränderungen informieren, wünschen sich die Kommunalpolitiker. Von Alleingängen der Verwaltungsführung raten die Politiker dringend ab.