Bei einer Sozialraumkonferenz in Paffrath benennen Senioren aus Bergisch Gladbach Wünsche, die ihre Lebensbedingungen verbessern könnten.
Handlungskonzept geplantSenioren in Bergisch Gladbach haben keine Lobby
In der Stadt fehlen Kindergartenplätze, mehr Schulplätze werden gebraucht. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Bergisch Gladbach schon jetzt jeder dritte Bewohner über 60 Jahre alt ist. „Diese Altersgruppe hat keine Lobby“, stellt Lisa Klemt vom Seniorenbüro bei der Sozialraumkonferenz im Anna-Haus in Paffrath fest, „dabei haben ältere Menschen die gleichen Rechte wie jede andere Altersgruppe auch.“
18 ältere Bergisch Gladbacher sind am Dienstag, 7. November, in die Caritas-Seniorenbegegnungsstätte an der Schmidt-Blegge-Straße gekommen, um Ideen zu sammeln, wie ihre Lebensbedingungen verbessert werden können. Denn die Stadt richtet den Blick auf die älteren Mitbürger. Bedarfe, Ziele und Maßnahmen sollen in ein Handlungskonzept „Lebenswerte und seniorengerechte Stadt Bergisch Gladbach“ für die Jahre 2025 bis 2030 gegossen werden.
Radfahrverbot für die Fußgängerzone in Bergisch Gladbach gefordert
Die Anregungen der Senioren, gesammelt bei sechs Veranstaltungen, sollen bei der Analyse berücksichtigt werden. Der Nachmittag in Paffrath zeigt, dass es in verschiedenen Bereichen großen Handlungsbedarf gibt. Besonders am Herzen liegt den Betroffenen das Thema „Mobil bleiben“: Alle sieben Plätze am Tisch dieser Arbeitsgruppe sind sofort besetzt.
„Es muss endlich ein Radfahrverbot in der Fußgängerzone ausgesprochen werden“, lautet eine Forderung, die im ganzen Saal große Zustimmung findet. Die Beschilderung sei zu kompliziert und führe zu Konflikten. „Die Verwaltung denkt nur an sich, nicht an die Senioren“, ärgert sich ein Mann darüber, dass am Rathaus drei Behindertenparkplätze ersatzlos gestrichen wurden.
Auf vielen Gehwegen ist kein Durchkommen
Gelobt werden dafür die guten Busverbindungen - zumindest in Katterbach, Paffrath und Gronau. Als Gefahrenquellen werden die Radwege benannt. „Das sind doch Hubbelpisten“, moniert ein Mann. Auf vielen Gehwegen, oft zugewachsen oder zugeparkt, sei kein Durchkommen für Menschen, die mit Rollatoren oder Rollstühlen unterwegs seien. Konkret ärgert sich eine ältere Dame darüber, dass die Bushaltestelle direkt vor dem Anna-Haus ständig zugeparkt sei: „Das Ein- und Aussteigen ist wirklich sehr schwierig.“
„Ich bin froh, dass es diese Veranstaltung überhaupt gibt“, sagt Stephan Siebert aus Heidkamp. Der 71-Jährige wisse, „dass Träume nicht in den Himmel wachsen“, sagt er, aber das ein oder andere lasse sich doch hoffentlich verbessern.
Es gibt zu wenig alternative Wohnformen in Bergisch Gladbach
Er sei vor allem deshalb gekommen, um sich für alternative Wohnformen wie Mehrgenerationenhäuser oder Wohnen mit Tieren einzusetzen: „Das gibt es in der Stadt viel zu wenig.“ Seine Arbeitsgruppe schlägt als künftige Standorte die neuen Viertel vor, die auf dem Zanders- und Wachendorff-Gelände entstehen sollen.
Außerdem sorgt sich Siebert um die Sicherheit, vor allem in der Innenstadt. „Vor kurzem war ich Augenzeuge einer Schlägerei von Jugendlichen am helllichten Tag an der Villa Zanders“, berichtet er.
Bei der Digitalisierung werden Senioren nicht migedacht
Bei der schnell fortschreitenden Digitalisierung werden Senioren oft nicht mitgedacht, sagt Lisa Klemt. Viele Dienstleistungen werden nur noch digital angeboten. „Viele ältere Menschen sind vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. So ist es“, bedauert Klemt. Eine Frau in der Arbeitsgruppe „Digital verbunden“ regt an, die städtische Homepage mehrsprachig zu gestalten.
Ihr Sitznachbar sagt: „Internet kostet Geld. Das kann ich mir nicht leisten.“ Zumindest für Menschen mit Behinderungen sollte Internet nichts kosten, findet er.
Am Tisch „Bildung, aktiv Altern und Ehrenamt“ sitzen nur zwei Damen. Eine der beiden sagt: „Ich traue mich gar nicht, mich ehrenamtlich zu engagieren.“ Sie wisse nicht, was sie gut könne. Dabei ist es gerade das Ziel, die jungen Alten gesellschaftlich einzubinden - die Babyboomer, die in den nächsten Jahren in Rente gehen - zum Beispiel als Unterstützung in der Familie oder im Ehrenamt, sagt Kerstin Klann von Seniorenbüro.
Alle Punkte sollen in die Analyse einfließen
Lisa Klemt vom Seniorenbüro verspricht, alle Punkte mit in die Auswertung zu nehmen. Aber die Umsetzung sei eine Frage der finanziellen und personellen Ressourcen, beugt sie Enttäuschungen vor. Eine Frau sagt: „Ich bin froh, dass sich überhaupt jemand für uns interessiert. Meiner Nachbarin werde ich sagen, dass sie selbst schuld ist, dass sie nicht mitgekommen ist.“
Das Konzept
Ende 2022 lebten 36.844 Menschen im Alter von über 60 Jahren in Bergisch Gladbach. Auf diese Entwicklung reagiert die Stadt mit der Erstellung eines Handlungskonzepts. Um die Bedürfnisse der Altersgruppe aus erster Hand zu erfahren, haben sechs Veranstaltungen in den fünf Seniorenbegegnungsstätten in Bensberg, Refrath, Stadtmitte, Hand und Paffrath sowie in Herkenrath stattgefunden. Die Ergebnisse wertet das städtische Seniorenbüro nun aus und bündelt sie nach Themen. In einem nächsten Schritt wird eine Sozialraumkonferenz am 13. April 2024 im Bergischen Löwen einberufen – unter Beteiligung von Senioren sowie Politik, Verwaltung, Verbänden und Dienstleistern. (ub)