Inklusion im Supermarkt„Stille Stunde“ in Gladbach sorgt für mehr Ruhe beim Einkaufen
Bergisch Gladbach – Um kurz vor 16 Uhr wird der Knopf mit der Aufschrift „stille Stunde“ gedrückt: Die Deckenbeleuchtung schaltet sich aus, die Musik und die Durchsagen verstummen– es wird ruhig im Bensberger Rewe Markt Wintgens. Das soll jeden Dienstag nun für zwei Stunden so sein. In dieser Zeit soll das Einkaufen für Menschen, die Probleme haben, bestimmte Reize zu verarbeiten, angenehmer gestaltet werden. „Wir hoffen, dass wir Leuten helfen und ihnen etwas Gutes tun können“, sagt Ursula Wintgens.
Anne Skribbe aus dem Inklusionsbeirat habe ihr von der Idee der „stillen Stunde“ erzählt, die sofort gut ankam. „Mein Team und ich haben gesagt, da machen wir mit, das passt zu uns. Meine Mitarbeitenden sind gewohnt, dass wir viel ausprobieren und ziehen immer mit“, erzählt Wintgens von den Anfängen des Projekts. Die „stille Stunde“sei mit etwas Mehraufwand verbunden, den man gerne in Kauf nehme: Es müssten mehr Mitarbeitende an den Kassen eingeplant werden, das Einräumen der Ware müsste anders geplant werden, weil das während der „stillen Stunde“ nicht gemacht werden könne.
„Eine ganz andere Art der Inklusion"
„Wir haben einen Elektriker gefragt, ob das realisierbar ist. Er hat uns dann den Knopf mit der Aufschrift »stille Stunde« installiert. Den müssen wir einfach drücken, bevor es losgeht“, erklärt sie. Es gebe unter den Kundinnen und Kunden Familien, deren Kinder Autisten seien. Die seien sehr froh über das Angebot. „Eine Kundin hat gesagt, dass sie sich sehr freut, dass ihr Sohn jetzt auch mal zum Einkaufen kommen könne und eine andere hat auf Facebook kommentiert, dass sie jetzt noch lieber mit ihren Kindern in unseren Laden komme“, sagt Wintgens.
Initiatorin der „stillen Stunde“ ist Katharina Kaul, stellvertretende Vorsitzende des Inklusionsbeirats der Stadt Bergisch Gladbach. Sie habe einen Social-Media-Beitrag aus der Schweiz gesehen, in dem berichtet wurde, dass einige Supermärkte in der Schweiz die „stille Stunde“ einführen. „Ich dachte, das ist eine ganz andere Art der Inklusion, die wir anbieten können. Das brauchen wir auch hier“, sagt sie. Der Vorschlag sei gut angekommen und man sei aktiv auf zwei Supermärkte zugegangen. „Ich bin sehr dankbar, dass wir das Angebot umsetzen können. In meinem Umfeld gibt es Menschen, denen das Einkaufen dadurch erst wieder ermöglicht wird. Ich hoffe, dass immer mehr Supermärkte mitmachen und es bald eine Auswahl an solchen Angeboten gibt“, sagt Kaul.
Stille Stunde
An jedem Dienstag wird von 16 bis 18 Uhr im Edeka Hetzenegger in Sand, Herkenrather Straße 70, und im Rewe Wintgens in Bensberg, Schloßstraße 53 (Schlossgalerie) , eine reizreduzierte Einkaufsmöglichkeit angeboten. Die Märkte stehen zur „stillen Stunde“ allen Kunden offen.
Angebot sorgt für große Erleichterung
Angela Mascharz ist ebenfalls Mitglied im Inklusionsbeirat und selbst betroffen. Für sie sei das Angebot eine große Erleichterung. „Für mich bedeutet das weniger Stress. Manchmal muss ich den Einkaufswagen stehen lassen und den Laden verlassen, weil ich so eine Reizüberflutung habe. Ich muss draußen dann erstmal wieder runterkommen. Jetzt weiß ich, ich kann hier dienstagsabends einkaufen und dann passiert das nicht. Das macht viel mit mir“, erzählt sie von ihren Erfahrungen und wirkt erleichtert.
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Bürgermeister Frank Stein ist vom Angebot überzeugt: „Ich bin sowohl den Initiatorinnen des Inklusionsbeirats als auch Frau Wintgens und Herrn Hetzenegger überaus dankbar. Wir können mit wenig Aufwand vielen Menschen sehr gut helfen. Ich finde die »stille Stunde« sehr angenehm und würde mir mehr »stille Stunden« wünschen“, sagt er. Die Kundinnen und Kunden, die zur ersten Gladbacher „stillen Stunde“ im Laden waren, schienen das Angebot jedenfalls zu befürworten.