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Das Böse ist nicht zu fassenGerd J. Pohl ist in „Nosferatu“ Vampir und Jäger zugleich

Lesezeit 4 Minuten

In einer Doppelrolle verkörpert Gerd J. Pohl gleichzeitig Vampir und Vampirjäger in der Theatercollage.

Bergisch Gladbach – Es ist schon eine gewaltige Erscheinung, die da auf die Bühne strebt im schwarzen Talar, mit dunkler Sonnenbrille, Hut, einen schweren Koffer in der Hand und in erschöpfter Eile. Von der ersten Minute an ist Gerd J. Pohl präsent in der Rolle des Vampirjägers Professor von Hassler. Ein Wortschwall folgt, wie Donnerhall erhebt sich die Stimme in den Spiegelsaal. Kein Zweifel, der Mann hat Wichtiges zu sagen, es wühlt ihn auf: Er will nichts Geringeres als den Beweis führen, dass Nosferatu existiert.

Jahrelange Vorbereitung steckt in der Theatercollage „Nosferatu – ein Menuett der Schatten“. Kürzlich hatte sie Premiere in Bergisch Gladbach, am 18. März ist das Stück im Engelsart-Programm in Engelskirchen zu sehen. Und das nicht von ungefähr: Für die Musik ist die Band AmöbenPank zuständig, zu der unter anderem das Engelskirchener Künstlerpaar Manuele Klein und Detlev Weigand gehört.

Nosferatu in Engelskirchen

Weitere Termine

Die Theatercollage von Gisbert Franken ist am Freitag, 18. März, 20 Uhr, im Alten Baumwolllager am Engelskirchener Rathaus, Engelsplatz 1, zu sehen. Die Aufführung findet an einem denkwürdigen Termin statt: Im März 1922, also genau vor 100 Jahren, feierte Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilmklassischer „Nosferatu – eine Symphonie des Grauens“ in Berlin Premiere. Frankens Stück ist eine Hommage an Murnaus Film und dessen legendären Darsteller Max Schreck. Karten für die Produktion der eremos-Literaturbühne und des Theaters im Puppenpavillon, Bergisch Gladbach kosten 15 Euro und können unter veranstaltung@engelsart.de reserviert werden.

Am Mittwoch, 9. März, 22.05 Uhr, hat der Puppenspieler Gerd J. Pohl bereits in der Fernseh-Dokumentation „Nosferatu – Ein Film wie ein Vampir“ einen Auftritt als Experte für den Fürsten der Finsternis und den legendären Stummfilm. Die Produktion für den Sender Arte untersucht das erfolgreiche Weiterleben der Nosferatu-Figur in Musikvideos, Filmen, Gemälden und Comics. (tie)

Üppig, ja barock, ist die Textvorlage, die der Bergisch Gladbacher Journalist Gisbert Franken dem düsteren Forscher in den Mund gelegt hat. Es ist ein Parforceritt durch die Jahrtausende, der in einem Pharaonengrab in der Wüste beginnt, in dem der Forscher den Urvater des Bösen in einem Sarkophag zu entdecken glaubt. „Ich habe ihn gepfählt, enthauptet, verbrannt – ganz nach dem Lehrbuch“, berichtet er dem Publikum zu Beginn eines zweistündigen Vortrags. Allein: Das Monster ist offensichtlich nicht kaputt zu kriegen, wie Folianten beweisen, die sich bei der Grabstelle fanden.

Verbales Feuerwerk und Kopfkino

Diese fiktiven Zeitzeugenerzählungen bilden die Grundlage der Theatercollage, die in einem verbalen Feuerwerk das Kopfkino auf Trab bringt. Pohl entführt uns in die Schöpfungsgeschichte zu Kain und Abel, nach Gotland zur Zeit der großen Pest, ins Venedig der Revolutionskriege und schließlich in einen Berliner Luftschutzbunker, 4. April 1944.

Nach Gotland bringt ein unheimliches Schiff mit „einer Brise aus Luzifers höllischem Blasebalg“ die Pestilenz, in deren Folge die Bewohner nicht nur sterben wie die Fliegen, sondern sich auch nächtens als Untote mit rollenden Augen aus brodelnden Grabhügeln erheben, wie der „krumme Kasper“ dem Magister Marius von Pommern berichtet. In Venedig heizt ein Häretiker sein Kaminfeuer mit heiligen Schriften, während der Vampir im Sarg lauert und ein Heer von Ratten freisetzt, als er in der Lagune versenkt wird. Zu guter Letzt entfaltet der Professor den Brief einer Mutter an ihren Sohn.

Ausstellung im Bergischen Löwen

Vier Gemälde von „Nosferatu“

Im Bergischen Löwen werden vier Originalgemälde ausgestellt, die der Kostüm- und Kulissenbildner Albin Grau zum „Nosferatu“-Film von Friedrich Murnau gemalt hat. Sie entstanden 1921 nach den Szenenbildern des gerade erst vollendeten Stummfilms. Dieser besondere filmhistorische Schatz befindet sich im Privatbesitz von Gerd J. Pohl. (eck)

Der Teufel hält Zwiesprache mit dem Jäger

Ihre Begegnung mit Nosferatu unter dem Bombenhagel der Russen wird zur monströsen Imagination, die den Auftritt des hageren Unholds mit fahler Haut, gelben Augen, schleimigem Atem, tödlichem Biss und Verschwinden im schwarzen Konfettinebel wie das Lehrstück einer Schauergeschichte inszeniert. Am Ende tritt dann Nosferatu sogar noch persönlich auf, in Gestalt einer lebensgroßen Puppe, die Gerd Pohl eigens für die Aufführung hat bauen lassen. Auch in diese Rolle schlüpft der Puppenspieler, der Teufel hält Zwiesprache mit seinem Jäger, den er längst ebenfalls mit seinem Todeskuss infiziert hat und ein „Menuett der Schatten“ verspricht, „bis auch der letzte Tänzer hingerafft ist“.

Den anspruchsvollen Gruselmonolog würzt Pohl glücklicherweise mit kleinen, komischen Sidesteps, die den Druck ein bisschen herausnehmen aus dem Würgegriff der Wörter. So erläutert er der Gemeinde etwa, dass der Vampir unschädlich zu machen sei mit Instrumenten, die für wenig Geld in jedem Baumarkt erhältlich seien: Holzpfahl, dicker Hammer und Sichel zum Enthaupten – von Sägen oder Brotmessern rät der Experte dagegen eher ab.

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Auch ein bisschen Musik gibt es, sphärische Klänge der Band AmöbenPank (Manuele Klein, Detlev Weigand, Hans Gressler und Christa Liebach), von denen man gern mehr gehört hätte. Denn die Kompositionen fügen sich perfekt ins Stimmungsbild ein, machen den Kopf frei und helfen, die Textflut zu verarbeiten. Alles in allem: ein außergewöhnlicher, aufwühlender Theaterabend, dessen baldige Wiederholung man sich wünscht.

Inspiriert ist das Stück von Friedrich Murnaus Stummfilmklassiker „Nosferatu – Sinfonie des Grauens“, der vor 100 Jahren uraufgeführt wurde.