AboAbonnieren

GeldwäscherBergisch Gladbacher Strafrichter verhindert Grundrechtsverstoß

Lesezeit 3 Minuten
Das Grundgesetz in seiner ursprünglichen Form, Collage der Seiten 1, 13 und 14 des Bundesgesetzblattes Nr.1 vom 23.5.1949.

Das Verbot der Mehrfachbestrafung ist seit dem 23. Mai 1949, also von Anfang an, Teil des Grundgesetzes

Auch Geldwäscher dürfen nicht doppelt bestraft werden: Darum stellte ein Richter das Verfahren gegen einen Bergisch Gladbacher ein.

Niemand darf wegen derselben Sache zweimal bestraft werden: Das ist ein zentraler rechtsstaatlicher Grundsatz, den Gelehrte gerne auch mit dem lateinischen Satz „ne bis in idem“ ansprechen. Er wurde von den Verfassungsmüttern und -vätern ausdrücklich ins Grundgesetz eingemeißelt, und zwar in Artikel 103 Absatz 3.

Und damit ist der Satz sehr stark – und kann auch nicht durch eine gewöhnliche Bundestagsmehrheit mal eben geändert werden, wie das Bundesverfassungsgericht vor zehn Monaten noch einmal ausdrücklich bekräftigt hat.

Mit fiesem Trick 7.800 Euro ergaunert

Angesichts dieser Ausgangssituation hatte der Angeklagte, der sich jetzt wegen des Vorwurfs einer (moralisch besonders fiesen) Geldwäsche vor dem Bensberger Strafrichter Ertan Güven verantworten musste, richtig Glück.

Die Anklage warf dem 23-jährigen Bergisch Gladbacher vor, am 28. Februar 2023 über das ergaunerte Passwort für das Konto einer Bankkundin in drei Tranchen insgesamt 7.800 Euro auf seinem Konto eingenommen und das Geld direkt zur Seite geschafft zu haben, wobei sich die einzelnen Beträge von 750 über 2100 auf 4.950 Euro steigerten. Dieses Geld, so die Staatsanwaltschaft weiter, sei einzuziehen.

Es muss sich um einen Irrtum handeln. Der Vorwurf wurde bereits verhandelt. Ich war am 24. Mai selbst dabei.
Verteidiger des Angeklagten

Lange stand der von der Staatsanwältin verlesene Vorwurf allerdings nicht im Raum, denn der Verteidiger fuhr der Anklägerin umgehend in die Parade: „Es muss sich um einen Irrtum handeln“, sagte der Jurist, „der Vorwurf wurde bereits verhandelt. Ich war am 24. Mai selbst dabei.“

Sodann zitierte er den oben genannten Rechtsgrundsatz sowohl auf Latein als auch in deutscher Übersetzung. Überdies hatte er Richter Güven bereits am Vortag darauf hingewiesen, dass dessen Richterkollegin Pauline Willberg die Sache schon verhandelt und zusammen mit weiteren Vorwürfen verurteilt hatte.

Es bleibt bei der alten Strafe

Recht milde 900 Euro (60 Tagessätze zu je 15 Euro) hatte der Angeklagte Rrezon A. (Name geändert) im Mai für insgesamt neun Fälle bei Richterin Willberg kassiert — und konnte sich nun freuen: Das Urteil war rechtskräftig und stand damit fest wie Beton.

Ne bis in idem, nicht zweimal in derselben Sache: So ist eben im Leben. Der Grundsatz dient laut Bundesverfassungsgericht vor allem der Schaffung von Rechtssicherheit. Oder in den Worten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages: „Der Eintritt von Rechtskraft schafft unter den Beteiligten Klarheit und Planungssicherheit. Er ist eine notwendige Bedingung zur Schaffung von Rechtsfrieden in der Gesellschaft.“

Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluss einstellen.
Strafprozessordnung

Doch eine banalere alte Weisheit lautet: Wo gearbeitet wird, da passieren Fehler, und das gilt auch für die Justiz. Die Frage im neuen Prozess war nun, wie der Fehler zu korrigieren sei. Während Richter Güven zunächst über einen Freispruch nachdachte, nutzte die Staatsanwältin eine kurze Unterbrechung, um sich noch einmal in die Kommentierung einzulesen und erinnerte sich dabei der richtigen Lösung, die da lautet: Paragraf 206a der Strafprozessordnung.

Diese Vorschrift lautet: „Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluss einstellen.“ Ein solches „Verfahrenshindernis“ kann zum Beispiel der Tod des Beschuldigten sein oder seine diplomatische Immunität – oder eben ein Verstoß gegen den zitierten alten Lateiner-Grundsatz.

Von der vorgeschlagenen Einstellung nach Paragraf 206a statt eines Freispruchs war der Verteidiger indes nicht sofort begeistert: „Mir kommt es vor allem auf die Verfahrenskosten an. Für das neue Verfahren kann mein Mandant ja nichts.“ Die Kostensorge konnte ihm der Richter dann aber flugs nehmen: Er nahm in den Beschluss ausdrücklich auf, dass das Land Nordrhein-Westfalen für das fehlerhafte zweite Verfahren die Kosten trägt.