Bergisch Gladbach – Lernen oder Blind Date? Freunde treffen oder Fotosynthese? Vor allem Oberstufenschüler haben freitagsabends derzeit die Qual der Wahl. Facharbeiten müssen geschrieben, Vor-Abi-Klausuren vorbereitet werden. In der Stadtbücherei ging diesmal alles zusammen – und Nervennahrung gab es noch dazu.
Die erste „Lernnacht“ sorgte im Forum für volles Haus. Bereits nach einer Stunde waren die 40 Arbeitsplätze besetzt, musste das Team um Büchereileiterin Monika Gippert Tische und Stühle aus den Nebenräumen holen und eine zusätzliche Gruppe neben den „Blind Dates“ platzieren, den Überraschungsbüchern, die seit dem Valentinstag verpackt verliehen werden.
Freiwilliges Soziales Jahr, dann Lernnacht
Camille Magirius, die am Gymnasium Herkenrath Abitur gemacht hat und seit September ihr Freiwilliges Soziales Jahr Kultur in der Bücherei absolviert, hat die Idee mit der Lernnacht umgesetzt – und damit offenbar einen Nerv getroffen. Auf drei Ebenen wurde intensiv gearbeitet, in Gruppen oder alleine, wurden Interpretationshilfen und Abitrainer verschiedener Jahrgänge zurate gezogen, Informationen aus dem Internet gesucht.
Lerntypen
Lernmethoden gibt es wie Sand am Meer. Was für wen am besten geeignet ist, lässt sich feststellen, indem man ermittelt, welcher Lerntyp man ist. Die Wissenschaft unterscheidet zwischen vier verschiedenen Lerntypen.
1
Der strukturelle Typ: Es fällt dir leicht, abstrakt zu denken. Fakten, Gesetze, Regeln und Systematik sind wichtig. Du brauchst den inhaltlichen Kontext. Empfohlen werden deshalb visuelle, schriftliche Medien.
2
Der emotionale Typ: Um zu verstehen, muss du dich wohlfühlen; Druck ist kontraproduktiv. Du lernst im Gespräch am besten. Empfohlen werden auch Lernvideos.
3
Der kreative Typ: Du redest gern, bist neugierig, kommunikativ – aber auch sprunghaft. Lernstoff sollte kreativ und visuell aufbereitet werden.
4
Der Sicherheits-Typ: Du bist ordentlich und gewissenhaft. Fakten kannst du gut auswenig lernen und wiedergeben. Gut: auditive Lernmethoden.
Lia Höck hatte sich einen Einzeltisch gesucht. „Ich lerne lieber alleine“, sagt die 17-Jährige, die am heutigen Montag die erste Vor-Abi-Klausur schreibt, und gerade an der Fotosynthese feilt. So intensiv, dass Trauben, Tee und Laugenbrezel zwischen Büchern und Kladde ein weitgehend unbeachtetes Dasein fristen. Das Essens- und Trinkverbot wurde für diesen Abend ausgesetzt; ein Büffet im Erdgeschoss bot unter anderem Äpfel und Mandarinen, Tee, Kaffee und Nussriegel. „Zuhause ist man doch eher abgelenkt“, meint die Schülerin des Leverkusener Landrat-Lucas-Gymnasiums, die nach einer Stunde zufrieden Bilanz zieht: „Ich war schon ziemlich produktiv.“
Eigentlich sei sie eher skeptisch gewesen, aber das Angebot und die Atmosphäre, die „ganz anders ist als sonst in Büchereien“ haben sie überzeugt. Aber: Hat man in dem Alter freitagsabends nicht andere Pläne? „Ne Woche vor den ersten Klausuren eher nicht“, schmunzelt die Leverkusenerin, die Pädagogik studieren und in die Erwachsenenbildung gehen will.
PC-Plätze fast am Limit
Den Wandel von der klassischen Ausleihe zum Treffpunkt, Kommunikations- und Lernort hat die Stadtbibliothek so gut gemeistert, dass sie mit der Zahl der PC-Arbeitsplätze schon fast wieder am Limit ist. Die 14 Tablets, die gerade angeschafft wurden, sorgen für etwas Entzerrung. Zudem will das Team nicht nur Medien zur Verfügung stellen, sondern auch Anleitungen zu Recherchen geben oder Materialien über die Fernleihe besorgen.
Was die Abifächer betrifft, seien eigentlich alle Bereiche abgedeckt, meint Laura Biebel, die als Auszubildende zur Fachangestellten für Medien und Informationsdienste im dritten Lehrjahr arbeitet. Bei Sprachen gebe es vielleicht mal exotischere Wünsche, und einmal, erinnert sie sich, habe ein Schüler eine Facharbeit zur Wirkung von Kaffee recherchieren wollen. Beratung wird großgeschrieben – und manchmal ein Schmunzeln unterdrückt, wenn in Zeiten von Helikoptereltern die Mutter mit in die Bibliothek kommt und am Schalter das Gespräch mit dem Satz: „Wir schreiben eine Facharbeit“ eröffnet.
Abi 2019
Diese Woche starten die Vorklausuren fürs Abi 2019 an den Schulen. Nach dem letzten Unterrichtstag am 12. April beginnt dann in Nordrhein-Westfalen die Vorbereitungszeit auf die Abiturprüfungen, die ab 30. April bis 16. Mai durchgeführt werden. (red)
Nach dem Erfolg der ersten Lernnacht soll es weitere geben. „Wenn wir es personell schaffen, vielleicht auch mal im Mai zu den mündlichen Abiprüfungen“, überlegt Monika Gippert, die mit ihren Kolleginnen die Häkelnadel geschwungen hat, um tierische Bookies (Lesezeichen) zu fertigen. In einer Vitrine sind sie alle ausgestellt, von Dagmar Drache bis Flavia Flamingo, von Maolo Maus bis Marlon Monster.
Dass mit Camille Magirius die erste FSJ-lerin in der Bücherei arbeitet, freut sie ungemein – zur Ausweitung der jugendlichen Zielgruppe ebenso wie zur Unterstützung der Auszubildenden. Verstaubt ist derzeit wirklich nichts im Angebot der Stadtbibliothek – nicht mal die unzähligen Bücher. Das Patentrezept: oft genug in die Hand nehmen. Das ist in den vergangenen Wochen und Monaten mit allen passiert: Sämtliche 110 000 Medien, die in Bensberg und Gladbach stehen, wurden mit intelligenten Labeln gekennzeichnet, die unter anderem Diebstähle verhindern, das Scannen ganzer Stapel und die Einrichtung einer Selbstbucher-Theke ermöglichen sollen.