FotoausstellungSchicksale von Bergisch Gladbacher Juden
Bergisch Gladbach – „Gestern war ich noch anerkannt. Heute bin ich verachtet“, schrieb Dr. Paul Silverberg, der „Braunkohlekönig“ und Großindustrielle aus Schildgen, nachdem die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen.
Unter dem Titel „Jüdische Biografien – Leidtragende des Holocaust in Ganey Tikva und Bergisch Gladbach“ ist derzeit eine Fotoausstellung über das Leben von jüdischen Menschen zur Zeit von Nazi-Deutschland im Begegnungscafé Himmel un Ääd in Schildgen zu sehen. Der Verein Himmel un Ääd und der Städtepartnerschaftsverein Ganey Tikva-Bergisch Gladbach eröffneten die Schau jetzt im Pfarrsaal der Herz-Jesu-Kirche.
Die Biografien gehen dem Publikum unter die Haut
Der Journalist und Moderator Tom Hegermann führte durch den Abend, mit Lesungen aus Biografien verfolgter Juden und Interviews von Nachfahren aus Bergisch Gladbach, Ganey Tikva und New York. Dies sei ein „besonderer Abend“ wie Hegermann zu Beginn feststellte.
Beinahe jeder Stuhl im Pfarrsaal war besetzt, und die Leute warteten gespannt auf das, was kommen sollte. Der Abend begann mit einer Lesung aus Dr. Silverbergs Biografie vom Intendanten des Bensberger Puppenpavillons, Gerd J. Pohl.
Silverberg saß vor der Machtergreifung der Nazis in zahlreichen Vorständen und pflegte viele Freundschaften in die Wirtschaft und Politik. Unter anderem auch zu Konrad Adenauer, dem späteren Bundeskanzler.Durch die sogenannten Rassegesetze verlor er jegliche Anerkennung und alle Posten: „und warum? Weil ich von Geburt an Jude bin“, trug Pohl eindringlich vor. Der Intendant des Puppenpavillons las so überzeugend aus der Biografie Silverbergs, dass sich die Verzweiflung des Mannes, dem alles genommen wurde, über den Pfarrsaal legte.
„Unsere Familien, unsere Leben, alles ist kaputt gegangen“
Entstanden war die Idee zur Fotoausstellung, nachdem das Café Himmel un Ääd 2021 ein Büchlein über jüdische Schicksale in Schildgen veröffentlichte. Der Verein zur Städtepartnerschaft zwischen Bergisch Gladbach und Ganey Tikva nutze seine Kontakte nach Israel, um mit den Fotos und der umfassenden Begleitbroschüre dafür zu sorgen, die Menschen hinter den einzelnen Schicksalen kennenzulernen. Denn: „Sechs Millionen, darunter können wir uns nichts vorstellen. Aber einzelne Menschen, die können wir uns sehr gut vorstellen“, erklärte Lutz Urbach, Vorsitzender des Vereins.
Claudia Timpner, Intendantin des Theas-Theaters, trug einen Ausschnitt aus der Biografie von Anna Reichenbach vor. Sie kam mit ihrer Familie nach Schildgen auf den Odinshof und fühlte sich direkt aufgenommen. 1937 zog die Familie nach Köln, da es für die Arbeit des Mannes leichter sein sollte.
Dann kam die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, die Pogromnacht. Unfassbare Gewalt und Demütigung schlug den Juden entgegen. „Unsere Familien, unser Leben, unser Vertrauen. Alles ist kaputt gegangen!“, beklagte Timpner als Stimme für Reichenbach. Danach ging ihr Ehemann nach England, die Söhne wurden zur Sicherheit in die Niederlande gebracht. Nur Anna Reichenbach blieb in Deutschland. Ihr Mann starb 1946 alleine in England, die Söhne wuchsen ohne Familie auf. Nachdem Timpner ihren Vortrag beendet hatte, breitete sich Stille im Saal aus.
Zoom-Interview mit Victoria Allen, Tochter des Kennedy-Fotografen Jacques Lowe
Zeit, um das gehörte zu verarbeiten, schaffte das Green Smart Sax Quartett. Die Klänge der Saxofone erzeugten eine nahezu andächtige Atmosphäre.
Höhepunkt des Abends war das Zoom-Interview mit der Tochter des Kennedy-Fotografen Jacques Lowe, der als Jascha Lülsdorf den Holocaust erlebte, bevor er als Fotograf in die USA ging. Seine Tochter, Victoria Allen, erzählte aus New York, dass ihr Vater während seines Lebens nie über diese schreckliche Zeit geredet habe.
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Jedoch konnte sie nach seinem Tod nachvollziehen, wie er die Fotografie nutzte, um das Erlebte zu verarbeiten. Die Kamera und die Macht als Fotograf, den Menschen beispielsweise sagen zu können, wie sie sich hinzustellen haben, hätte ihm die Kontrolle und Selbstbestimmung zurückgegeben, die ihm während seiner Jugend von den Nationalsozialisten genommen worden sei.
Die Ausstellung im ökumenischen Begegnungscafé Himmel un Ääd, Altenberger-Dom-Straße 12,5 läuft bis 25. September.