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ButschaWie die Reise in die neue Partnerstadt Gladbachs Stadtvertreter verändert hat

Lesezeit 4 Minuten
Partnerschaft Gladbach Butscha

Erschütternde Bilder boten sich in Butscha.

Bergisch Gladbach/Butscha – Das Bild ging um die Welt: Ein Mann liegt neben seinem Fahrrad, offenbar beim Fahren erschossen, das Handy ist auf die Straße gefallen. Neben der Leiche kauert ein Hund, weicht dem mutmaßlichen Herrchen nicht von der Seite.

Der russisch-orthodoxe Geistliche hat Bilder wie dieses stets bei sich, in seinem Kopf und in seinem Handy. Nachdem die russischen Besatzungstruppen den Bewohnern von Butscha tagelang untersagt hatten, ihre auf offener Straße erschossenen Toten zu begraben, wurden sie schließlich in einem Massengrab an der Kirche beigesetzt. 280 an der Zahl

Reise an Gladbacher Vertretern nicht spurlos vorbeigegangen

„Es ist etwa anderes, ob man die Bilder aus dem Fernsehen kennt, oder dann da an der Straße steht, auf der die Menschen starben“, sagt Gladbachs Bürgermeister Frank Stein. Zusammen mit dem Leiter der Gladbacher Feuerwehr, Jörg Köhler, ist gerade aus Butscha zurückgekehrt, Gladbachs neuer Partnerstadt in der Ukraine. Eine Reise, die an beiden nicht spurlos vorbeigegangen ist.

Da der Luftraum über der Ukraine für zivile Flugzeuge gesperrt ist, sind die beiden von Polen aus mit dem Zug nach Kiew gefahren. „Moderne Fernzüge, die nicht ahnen lassen, dass man in ein Land im Krieg reist“, sagt Feuerwehrchef Köhler.

Krieg in Butscha sofort nach der Ankunft präsent

Doch der Krieg ist sofort nach der Ankunft präsent: Zerschossene und ausgebrannte Panzerwracks säumen die Kiewer Ausfallstraße nach Butscha. Die Straße, auf der die russischen Truppen vor einem halben Jahr eigentlich die ukrainische Hauptstadt Kiew im Handstreich erobern sollten. Doch Putin hatte den Widerstand der Ukrainer unterschätzt. Dass der russische Angriffskrieg auf der Straße ins Stocken kam, hatte für die Bewohner von Butscha und der Nachbarstadt Irpin fatale Folgen.

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Zerstörte Häuser in Butscha.

Ausgebrannte Wohnblocks, von Granatsplittern gespickte Fassaden und von Kugeln durchsiebte Autowracks. Auf dem Weg nach Butscha sehen Stein und Köhler die Folgen eines erbitterten Straßenkampfs und treffen in Gladbachs neuer Partnerstadt den Bürgermeister Anatolii Fedoruk , der nur knapp und durch unfassbare Nervenstärke einer Hinrichtung durch die russischen Truppen entgangen ist.

Russische Truppen suchten Verantwortungsträger

„Die russischen Truppen hatten wie im alten Rom eine Art Proskriptionslisten, auf denen ukrainische Verantwortungsträger standen, die sie gesucht haben“, berichtet Stein. Fedoruk kehrte gerade nach Hause zurück, als die russischen Häscher in seinem Haus waren – und schaltete schnell. „Er gab sich als Gärtner aus“, sagt Jörg Köhler. Als Fedoruk seinen Ausweis holen sollte, gelang ihm die Flucht.

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Ergriffen: Gladbachs Bürgermeister Frank Stein an der Gedenkstätte für 280 auf offener Straße erschossene Bürger von Butscha.

Er tauchte unter und blieb trotz Besatzung in seiner Stadt, was ihm seine Mitbürger hoch anrechneten, wie Frank Stein erfahren hat. Marodierend und mordend seien die russischen Truppen danach durch die Stadt gezogen. „Zum Teil haben die Bewohner wochenlang im Keller verbracht. Nicht mal ihre auf offener Straße erschossenen Mitbürger durften sie bestatten“, erzählt Frank Stein.

Gladbacher besuchten russisch-orthodoxe Kirche

Zusammen mit Köhler besuchte er die russisch-orthodoxe Kirche, deren Pfarrer nach der Exhumierung der 280 Toten aus dem Massengrab eine improvisierte Gedenkstätte angelegt hat. In seinem Kopf haben sich die Bilder der Gräueltaten, die der Geistliche den Besuchern auf seinem Handy zeigt, unauslöschlich eingebrannt. „Unsere Dolmetscherin, deren Mann als Infanterist an der Front ist, war oft kurz vor den Tränen, wenn sie die Greuel übersetzt hat“, erinnert sich Köhler.

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Die gestifteten Feuerwehrfahrzeuge aus Gladbach (l.) sind in Butscha fürs Wasserwerk im Einsatz.

Doch es sind nicht nur die Bilder des Schreckens, denen Stein und Köhler begegnen, sondern auch die eines unerschütterlichen Durchhaltewillens – und eines bereits angelaufenen Wiederaufbaus. „Eine unglaubliche Ärmel-hochkrempel-Mentalität“, beschreibt Frank Stein die Begegnungen mit Menschen, die einerseits vom Krieg traumatisiert sind, andererseits keinen Zweifel daran haben, dass sie ihn gewinnen werden, und die zerstörte Schulen und Wohnanlagen wieder aufbauen. Kein öffentliches Gebäude, in dessen Keller dabei kein Luftschutzraum eingerichtet wird. „Bunker sind wichtig, weil sie damit ein Stück Sicherheit schaffen, damit die geflüchteten Frauen und Kinder zurückkommen können“, erläutert Stein.

Infrastruktur läuft in Butscha wieder an

„Ansonsten hat sich bis auf den Raketenalarm und die noch zerstörten Häuser, die Lage in diesem Teil der Ukraine verändert: Während es in den Frontgebieten weiter ums nackte Überleben geht, sind in Städten wie Butscha die Tankstellen wieder in Betrieb, die Supermärkte mit heimischen Produkten gefüllt. Was vielen Menschen dort aber fehlt, ist Geld“, ergänzt Jörg Köhler. Anders als noch im Mai werde man nun nach Butscha sicher andere Hilfsgüter schicken.

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Die Feuerwehr setzt auf schwere Stahlfahrzeuge (r.) – wegen der Gefahr durch Minen.

„Uns ist es ganz wichtig, dass wir eine Städtepartnerschaft auf Augenhöhe begründet haben“, sagt Frank Stein, nachdem er mit seinem Amtskollegen in Butscha die im Juni auch vom Gladbacher Stadtrat beschlossene Städtepartnerschaft besiegelt hat. Was in Butscha dringend benötigt werde, seien unter anderem Busse für den öffentlichen Personennahverkehr, weil sämtliche Fahrzeuge von der russischen Besatzern abtransportiert worden seien. Auch Hilfe für die Wiederaufbauarbeit vor Ort sei wichtig, sind sich Stein und Köhler einig, die auch die von Bergisch Gladbach gestifteten Feuerwehrfahrzeuge aufsuchten. Sie sind in Butscha als Pump- und Wasserversorgungsfahrzeuge beim Wasserwerk im Einsatz.

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„Die auf Bezirksebene organisierte Feuerwehr nutze lieber weiter die schweren Stahlfahrzeuge mit Frontmotor russischer Bauart, die sie während der russischen Besatzung versteckt hatten“, weiß Köhler: „Diese Fahrzeuge bieten besseren Schutz – wenn man auf eine Mine fährt.“ Der Krieg ist auch in Butscha längst nicht vorbei