Butschas Bürgermeister warnt„Sonst werden andere Länder die nächsten Opfer Russlands“
Bergisch Gladbach – Anatoli Fedoruk ist Bürgermeister von Bergisch Gladbachs neuer Partnerstadt Butscha bei Kiew. Nach den neuerlichen russischen Raketenangriffen auch auf die ukrainische Hauptstadt hat Matthias Niewels mit dem Rathauschef von Butscha per Videoschaltung gesprochen.
Herr Fedoruk, zunächst die Frage: Gab es in den letzten Tagen Raketenangriffe auf Ihre Stadt?
Nein, keine Raketen auf Butscha. Aber wir sind sehr nah an Kiew und die Lage ist angespannt. Immerhin sind viele russische Raketen abgefangen worden - dank westlicher Systeme. Heute wurde in einer Nachbargemeinde das Stromnetz beschädigt, so dass wir in Butscha, wie auch in der ganzen Region, ein Problem mit der Stromversorgung haben.
Wie können wir uns den Alltag bei Ihnen vorstellen?
Nun, wir versuchen, ein normales Leben zu führen. Wir gehen zur Arbeit und die Kinder gehen zur Schule. Aber wie können wir normal leben mit einem Nachbarn, der uns zerstören will? Wir glauben und hoffen auf einen Sieg, und erst dann können wir wieder richtig leben, normal leben.
Was bedeutet die Partnerschaft mit Bergisch Gladbach für Sie, für Ihre Bürger?
Es ist eine große Unterstützung für uns alle, zu wissen, dass wir nicht allein sind. Es war ein ganz tolles Zeichen, dass Ihr Bürgermeister Frank Stein und Feuerwehrchef Jörg Köhler mit uns vor Ort waren. Andere Delegationen haben abgesagt, aber sie sind gekommen. Und die Liste der Hilfe, die wir aus Bergisch Gladbach erhalten, ist wirklich sehr lang. Dafür bin ich, dafür sind die Menschen in Butscha sehr dankbar. Es gibt Pläne, eine Straße oder einen Platz nach Bergisch Gladbach zu benennen.
Zwischenstopp
Kurzer Besuch
Einen nicht-offiziellen Zwischenstopp legte der Bürgermeister von Butscha, Anatolij Fedoruk, auf seiner Fahrt mit dem Auto von Warschau nach Amsterdam ein. In Warschau und Amsterdam war er einer der offiziellen Vertreter der im Krieg zerstörten ukrainischen Kommunen. Das Foto vor dem Gladbacher Rathaus entstand bei diesem kurzen Stopp. Auch das zweite Foto zusammen mit Bürgermeister Frank Stein entstand an diesem Abend. (nie)
Aber ihre Bürger mussten doch erst einmal auf der Landkarte nachsehen, wo dieses Bergisch Gladbach überhaupt in Deutschland liegt. Ihre Stadt ist, aus einem sehr traurigen Grund, dagegen weltberühmt.
Wir haben diesen Ruhm nicht gesucht, nicht zu diesem Preis. Es gibt Kontakte zu vielen Städten in Europa. Einige unterstützen uns mit Worten, Bergisch Gladbach hilft uns mit Taten. Und das kommunizieren wir auch so. Die Bürger von Butscha wissen, wie Bergisch Gladbach uns hilft. Aber natürlich müssen die Verbindungen noch wachsen. Ich hoffe auf viele Besuche in der Zukunft. Auf eine friedliche Zukunft. Wir arbeiten bereits mit der Gladbacher Verwaltung zusammen. Wir wollen hier neue Strukturen in unserer Stadt aufbauen. Und da gibt es eine Menge zu tun. Vieles ist zerstört worden.
Wie dokumentieren Sie die Verbrechen, die begangen wurden?
Ich habe meine Erfahrungen aufgeschrieben und die Verbrechen, die ich gesehen habe, beschrieben. Diese Dokumente habe ich den deutschen Behörden übergeben, die die Beweise für die von den russischen Truppen begangenen Verbrechen sammeln. Ich rate allen Bürgern von Butscha, ihre Erlebnisse aufzuschreiben. Wir müssen die Verbrechen dokumentieren, damit die Täter später belangt werden können.
Was steht derzeit ganz oben auf Ihrem Wunschzettel für Butscha?
Im Moment ein Raketenschutzschild, um uns vor russischem Terror zu schützen. Aber ich glaube nicht, dass wir da mit unserer Partnerschaft etwas ausrichten können. Wir sehen im Moment, dass unsere Infrastruktur angegriffen und zerstört wird. Wir haben Angst, dass wir bald keinen Strom mehr haben werden, keine Heizung im Winter. Wir brauchen Generatoren - aber die sind im Moment in der ganzen Ukraine sehr gefragt. Und wir sehen schon jetzt, dass es an Streumaterial, Salz und Sand mangeln wird. Es wird eine harte Zeit.
Das könnte Sie auch interessieren:
Aus anderen Teilen der Ukraine gibt es Berichte über Kollaborateure, Leute, die mit der russischen Armee zusammenarbeiten. Hat es so etwas auch in Butscha gegeben?
Nein. Aber ich möchte Ihnen erzählen, was mit einem Mann passiert ist, der vor dem Krieg offen für eine enge Zusammenarbeit mit Russland und den so genannten „russischen Frieden“ geworben hat. Als die Russen kamen und er sich über das Verhalten der Soldaten beschwerte, erschossen sie ihn. Seine Sympathie für Russland hat ihm nicht geholfen. Ich möchte betonen, dass der Krieg nicht in der Ukraine stattfindet, sondern im Osten Europas. Deshalb müssen wir den Feind hier aufhalten. Denn sonst werden andere Länder die nächsten Opfer Russlands sein.