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Hilfe der GelbwestenAktion für Obdachlose auch in Bergisch Gladbach

Lesezeit 4 Minuten

Aktion für Obdachlose auch in Bergisch Gladbach.

Bergisch Gladbach – „Habt ihr auch Tempos?“ Die Nase läuft, die Finger sind klamm. Das Thermometer zeigt ein Grad unter Null, es wird frieren. Michael zieht die Kapuze seines dunkelgrünen Anoraks tief ins Gesicht. „Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Das sage ich mir immer.“ Michael lebt auf der Straße, sein Gesicht ist schmal.

„Reicht das an Tempos?“

Früher hat er als Kfz-Mechaniker gearbeitet, bis sein normales Leben zerbrach. Darüber will Michael nicht sprechen, nicht jetzt. Sein Anorak ist dünn und bietet nur notdürftig Kälteschutz. „Handschuhe? Habt ihr die auch?“, fragt er. Patrick Graf, an diesem Abend mit seiner Kollegin Lucie Misini auf Tour durch die Stadtmitte, klappt den kleinen Holzkasten auf dem Bollerwagen auf. Das Paket mit den Taschentüchern hat er schnell, vier Päckchen holt er heraus und reicht sie weiter. Handschuhe gibt es auch. „Reicht das an Tempos? Morgen sind wir ja wieder hier.“

Passanten in der Fußgängerzone eilen wort- und grußlos vorbei, mit Tüten kommen sie aus der Rhein-Berg-Galerie. Von der Unterstützungsaktion bekommen sie nichts mit. Das Auffälligste sind die gelben Warnwesten, die die beiden Helfer des Vereins „Die Platte“ tragen. Sie sind das Erkennungszeichen.

Es wird um jeden Cent gerungen

Auch in Bergisch Gladbach gibt es Menschen, die tagsüber keine Bleibe haben (abends gibt es Notunterkünfte und Notschlafplätze der Stadt). Einige von ihnen leben in der Fußgängerzone. Sie sitzen manchmal vor den Geschäften und haben einen Pappbecher vor sich stehen, so wie Michael. Andere haben kleine Schilder an ihrem Lagerplatz aufgestellt, mit denen sie auf ihre Notsituation hinweisen. Wieder andere sammeln Flaschen und Getränkedosen und „leben“ vom Pfandgeld. Das Leben auf der Straße ist hart, und gerungen wird oft um jeden Cent. Viele der Betroffenen befinden sich in einem permanenten Überlebenskampf-Modus.

Patrick Graf und Lucie Misini sind an ihren Gelbwesten zu erkennen. Im Bollerwagen haben sie alles Wichtige dabei.

Menschen mit gelben Westen wollen helfen. Es sind Helfer des Vereins „Die Platte“, die im Winter zu zweit, zu dritt in den frühen Abendstunden unterwegs sind in der Stadtmitte, seit Mitte Januar und noch bis Ende März. Zwischen 18 und 20 Uhr ist die Zeit, dann sind die Ehrenamtler auf Patrouille.

Die Route der „Kältegang“ ist immer gleich

„Kältegang“ nennen die Unterstützer ihre Rundgänge. Die Route ist immer gleich, es geht quer durch die City. „Wir kennen mittlerweile die Rückzugsorte der Obdachlosen“, sagt Patrick Graf, Sprecher des Vereins.

Bis zum Bahnhofsgelände und zum Rosengarten-Park führt die Route. Unterwegs stoßen die Helfer immer wieder auf Menschen, die ihre Hilfe benötigen – in der Tiefgarage des Bergischen Löwen, in der Fußgängerzone, in einem Hauseingang, am Bahnhof, an der Parkpalette im Rosengarten.

Postbank ist einer der letzten Rückzugsorte

An diesem Abend auch, und überall werden die Helfer mit Freude begrüßt. Denn sie bieten niederschwellige Unterstützung an, niemand muss bei ihnen erklären, warum er auf der Straße lebt oder wo er herkommt. „Nachts ist es schwierig. Die meisten Banken haben ihre Foyers geschlossen“, berichtet der Sprecher. Und es gebe auch Sicherheitsdienste, die ungebetene Besucher vertrieben. Die Postbank sei einer der letzten verbliebenen Rückzugsorte. „Dort gibt es einen sehr verständnisvollen Umgang. Kurz vor Filialöffnung werden die Schlafenden geweckt.“ Zwischen den Postfachschränken darf nachts gelagert werden. Ausgeschenkt wird bei den Rundgängen warmer Tee aus der Thermoskanne. Decken, Schals, Handschuhe und Mützen hat das Team immer im Bollerwagen dabei, um Bedürftigen sofort helfen zu können.

„Bei diesem Wetter ist das Schnorren neben Parkscheinautomaten und vor Supermärkten oder das Flaschensammeln besonders hart“, berichtet Graf. Fünf Helfer gibt es, die Gelbwesten-Träger verabreden sich per Whatsapp. „Bislang hat es immer geklappt mit den Rundgängen.“

Anschaffung eines Kältebusses geplant

Der im Sommer 2017 gegründete Verein hat sich in kurzer Zeit etabliert, vor allem dank Unterstützung zahlreicher Bürger. Jeden Samstag organisieren die Helfer eine kleine Suppenküche in der Stadtmitte. Noch in diesem Jahr soll die Anschaffung eines Kältebusses gelingen, der neben der Innenstadt auch andere Stadtteile ansteuern soll. Auf dem Stadtfest brachte die Torten-Aktion der Bäckerinnung („Die größte Torte Bergisch Gladbachs“) den Verein ins Rampenlicht. „Alles, was wir haben, finanziert sich aus Spenden“, sagt Graf. Die Runde ist an diesem Abend fast vorbei, in der Löwen-Tiefgarage schenken die Helfer den letzten Tee aus. „Kommt ihr morgen auch?“, werden sie gefragt. Patrick Graf und Lucie Misini nicken.