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Bürgermeister im Interview"In 15 Jahren sind alle Bergisch Gladbacher Schulen saniert"

Lesezeit 6 Minuten
Der Fuß- und Radweg durch das Zanders-Gelände wird eröffnet - für Bürgermeister Frank Stein (2.v.r.) ein Erfolg.

Der Fuß- und Radweg durch das Zanders-Gelände wird eröffnet - für Bürgermeister Frank Stein (2.v.r.) ein Erfolg.

Zum Jahresende schaut Bergisch Gladbachs Bürgermeister Frank Stein (SPD) auf das Jahr 2024 zurück - und blickt auf 2025.

Herr Stein, dies ist definitiv das letzte Jahresinterview mit Ihnen als Bürgermeister von Bergisch Gladbach. Und im kommenden Jahr ist alles für Sie das letzte Mal.

Ich bin definitiv im Reinen mit mir. Aber ich spüre auch ab und zu Wehmut. Das gehört wohl dazu, wenn man etwas beendet, was einem wichtig war.

Wie haben Sie 2024 erlebt?

Nun, auch das Jahr 2024 hat – leider – grandios bestätigt, dass die Krise das neue Normal ist. Es war nicht selbstverständlich, dass die Verwaltung unter all den Schwierigkeiten funktionierte. Dafür bin ich meinen Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar. Und bei den wichtigen Projekten kommen wir weiter. Die großen und kleinen Schulprojekte laufen. Ich bin gespannt, was bei der Machbarkeitsstudie für die Integrierte Gesamtschule Paffrath (es soll geklärt werden, ob die Schule abgerissen oder saniert wird – Anm. d. Red.) herauskommt. Das neue Stadthaus ist im Plan, der Bau des Mohnwegbades auch, bei der Feuerwache Süd stehen wir ganz kurz vor der Vergabe an den Generalplaner. Und auch bei Zanders sehe ich die Stadt mit dem neuen Geschäftsführer, der Anfang des Jahres kommt, auf einem richtig guten Weg. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt. Nein, ich bin zufrieden.

Ein Blick von oben sieht aber vielleicht etwas anders aus. Angesichts des riesigen Sanierungsstaus an den Schulen, der kaputten Straßen und der fehlenden Flüchtlingsunterkünfte stellt sich doch die Frage: Bleibt vieles in Bergisch Gladbach nicht auch Stückwerk?

Als begeisterter Alpinist fange ich mal so an: Die schwerste Tour beginnt mit dem ersten Schritt. Wir haben die Dinge angepackt. Für die Schullandschaft wage ich eine Prognose. Innerhalb der nächsten 15 Jahre werden wir alle Gladbacher Schulen ertüchtigt haben. Dann sind wir einmal durch – und fangen wir wieder von vorne an.

Bei all den Sanierungen oder auch Neubauten, was wird getan, damit die neuen Gebäude besser gepflegt werden?

Heute wird anders gebaut als in den 60er und 70er Jahren. Damals hat man nicht so robust und nachhaltig gebaut wie heute. Und die Raumbedarfe sind heute ganz andere. Nicht zu vergessen die Einführung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements in den Jahren nach 2000. Erst seitdem gibt es Abschreibungen im kommunalen Haushalt. Das würde ich mir für Bundes- und Landeshaushalt auch wünschen.

Ein Aufreger in Gladbach ist und bleibt der Verkehr. Piktogramme und neue Farbe an manchen Straßenkreuzungen – ja, aber im Grunde verändert sich Bergisch Gladbachs Verkehrssystem seit Jahrzehnten nicht.

So stimmt das aus meiner Sicht nicht. Die Sanierung der Paffrather Straße ist sehr gut gelungen. Ebenso die Rommerscheider Straße, die Dellbrücker Straße und die Dechant-Müller-Straße. Auch bei den Straßen können wird nur so arbeiten, dass eine Prioritätenliste abgearbeitet wird. Es geht nicht alles auf einmal. Und da gibt es noch ein Problem: Einen Schulbau finden in der Regel alle gut, das sieht beim Straßenbau ganz anders aus. Politisch oft viel schwerer durchzusetzen.

Da sind wir beim Bergisch Gladbacher Rat, in dem es keine klaren Mehrheiten mehr gibt.

Mehrheiten für den Haushalt, umstrittene Straßenbauprojekte und Beschlüsse zur Stadtentwicklung zu organisieren, war und ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Ich bin froh, dass mir das bis auf ganz wenige Ausnahmen gelungen ist.

Zum Beispiel auch für die Projekte der Energiewende?

Da ist der wichtigste Hebel die Wärmeplanung. 60 Prozent des Potenzials für die Senkung der CO₂-Emissionen von Bergisch Gladbach liegt bei der Sanierung von Einfamilienhäusern. Da müssen die Bürgerinnen und Bürger Geld in die Hand nehmen – das wird ohne groß angelegte Förderprogramme von Bund und Land nicht gelingen. Und dann kommt noch die Umstellung auf Wärmepumpen hinzu. Da werden riesige Investitionen zu stemmen sein. Aber das ist kein Vergleich zu den Summen für den Ausbau der Netzwerke für Strom.

Da ist für Bergisch Gladbach die Belkaw gefordert?

Richtig, wir müssen sicherstellen, dass wir über genügend Kapital verfügen, dass wir die Verteilnetze in der Stadt ausbauen können. Das ist im Moment eines der größten Probleme aller Kommunen. Darüber wird aus meiner Sicht zu wenig gesprochen. Denn es wird keine Energiewende ohne ausgebaute Verteilnetze geben.

Sie haben vor einem Jahr davon gesprochen, dass Sie sich um die Demokratie insgesamt sorgen. Sorgen Sie sich immer noch?

Ja, das tue ich immer noch. Ich erlebe die Bergisch Gladbacher Stadtgesellschaft als eine intakte und sehr solidarische Gemeinschaft. Das ist positiv und ermutigend. Aber die politische Entwicklung in Deutschland insgesamt richtet sich leider nicht nach dieser Binnenperspektive von Bürgermeister Frank Stein in der Bergisch Gladbacher Stadtgesellschaft. Sie ist deutlich besorgniserregender.

Sie sind doch viel in der Stadt unterwegs. Wie tickt denn Ihrer Meinung nach die Mehrheit der Bevölkerung?

Auch wenn ich mich hüte, meinen Bekanntheitsgrad zu überschätzen, ich bekomme doch viel mit. Nur ein Beispiel aus meinem Alltag: Beim Bäcker bin ich kürzlich angesprochen worden. „Sie sind doch der Bürgermeister.“ Und dann ging es los. „Alles ist schlecht, alles geht den Bach hinunter.“ Ich habe den Mann gefragt, was er in den vergangenen Jahren für eine gute Entwicklung unserer Stadt persönlich getan habe. Seine Antwort: „Das ist nicht meine Aufgabe.“ Ich habe ihm gesagt, dass es eine ganze Reihe von demokratischen Parteien gebe, wo er mitmachen könne. Damit war das Gespräch für ihn beendet.

Und so könnte die Mehrheit der Bevölkerung ticken?

Ich befürchte, dass sehr viele Menschen auf Distanz zu unserem politischen System gegangen sind. Demokratie stirbt, wenn die Menschen nicht mitmachen. Das macht mir Sorgen.

Was könnte denn ein zukünftiger Bürgermeister von Bergisch Gladbach machen, um in breiten Bevölkerungsschichten, auch außerhalb der Stadtgesellschaft, bekannt zu sein?

Das geht nur durch eine Vielzahl von persönlichen Begegnungen. Darum bemühe ich mich sehr und jede dieser Begegnungen ist wichtig und bereichernd. Es gibt inzwischen Bürgermeister, die beauftragen eine Agentur, um in den sozialen Medien praktisch dauernd präsent zu sein. Das Ziel ist wohl eine gesteigerte Beliebtheit mit anschließender Wiederwahl.

Ein erfolgreiches Konzept?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es diese Konzepte gibt. Ich habe jedenfalls vier Jahre dafür kein Geld ausgegeben.

Worauf freuen Sie sich als Bürgermeister 2025?

Auf die Einweihung von neuen Schulgebäuden und die Spatenstiche für weitere Kita- und Schulneubauten. Auf die Eröffnung des neuen Mohnweg-Bades. An der Altenberger-Dom-Straße und der Laurentiusstraße werde ich Bagger sehen. Und ich hoffe, im Dezember bei der Einweihung des neuen Stadthauses eingeladen zu werden. Und wissen Sie was, ich habe keinen einzigen Wahlkampftermin – auch darauf freue ich mich.