Die Kita-Krise spitzt sich auch in Bergisch Gladbach weiter zu. Der Jugendamtselternbeirat rät Eltern zur Klage.
„Hätte längst etwas passieren müssen“In Bergisch Gladbach fehlen fast 800 Kita-Plätze
Den Warnschuss hat es schon in den vergangenen Jahren gegeben. Jetzt eskaliert die Situation. Zum Sommer fehlen in der Stadt fast 800 Kita-Betreuungsplätze.
„Das ist ein Unding und macht richtig betroffen“, sagt Demet Riggers, Vorsitzende des Jugendamtselternbeirats, Sprachrohr der Kita Eltern, „da wurde jahrelang geschlafen. Es hätte längst etwas passieren müssen.“
Eins der drängendsten Probleme der Stadt
Die Betreuungskrise ist eins der drängendsten Probleme in der Stadt: „Wir verschweigen nicht, dass das Defizit größer geworden ist“, sagt Nicole Mrziglod, Leiterin des Sachgebiets Fachberatungen im Jugendamt, in der Sitzung des Jugendhilfe-Ausschusses. Es sei aber nicht leichter geworden, dagegenzuhalten. Sofortlösungen seien nicht in Sicht.
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Ihr Appell an Politik und Wohlfahrtsverbände als Träger der Einrichtungen: „Wir müssen jetzt zusammenstehen, um auf den Ebenen, wo wir bedingt etwas tun können, nach Möglichkeiten zu suchen.“ Im Kita-Jahr 2023/24 fehlen, wie berichtet, 416 Betreuungsplätze für Kindergartenkinder.
Tatsächlicher Gesamtfehlbedarf bei 496 Plätzen
Rechnet man die 80 Plätze dazu, die durch Überbelegungen von Gruppen eingeplant worden sind, summiert sich der tatsächliche Gesamtfehlbedarf auf 496 Plätze. Hinzu kommen rund 300 Kinder, die aktuell noch auf der Warteliste stehen.
Für all das gibt es viele Gründe. Dezernent Ragnar Migenda hatte sie vorab bei einem Pressegespräch genannt: die Corona-Zeit, die aktuelle Flüchtlingskrise, Zuzug junger Familien, fehlende Grundstücke für Neubauten sowie der eklatante Mangel an Fachkräften.
Aktuelle Krise gebe wackligem System den Rest
„Mir ist das alles viel zu theoretisch“, kritisiert Gabriele Schmitz von der Arbeitsgemeinschaft Jugendhilfe. All diese Probleme bestünden doch schon seit vielen Jahren, betont sie. Aber jetzt geben die aktuellen Krisen einem wackligen System den Rest.
Manche Einrichtungen mussten bereits Gruppen schließen, andere müssen zeitweise die Buchungszeiten verkürzen. Die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit ist für viele berufstätige Eltern in Bergisch Gladbach nicht mehr sichergestellt. „Wir arbeiten fieberhaft daran, Lösungen zu finden. Aber das geht nicht schnell“, gibt Julia Austermühle, Jugendhilfeplanerin für Kindertagesbetreuung, zu.
Zwei Ausbau- und Neubauprojekte
Konkret laufen derzeit zwei Ausbau- und Neubauprojekte: Erweiterung der Kita Zum Frieden Gottes um eine dritte Gruppe (15 Plätze) und Neubau einer Kita in Bensberg (93 Plätze), die im Sommer 2024 in Betrieb gehen soll.
Im Kita-Bezirk Herkenrath, Lückerath, Bensberg, Bockenberg und Moitzfeld ist die Versorgung im Stadtgebiet mit Abstand am schlechtesten: 188 Plätze fehlen hier für Kinder ab drei Jahren.
Planung für Lückerath verzögert sich auf unbestimmte Zeit
Entlastung sollte ein Neubau in Lückerath bringen. Aber die Planungen verzögern sich auf unbestimmte Zeit, weil das Grundstück an der Bensberger Straße für eine Flüchtlingsunterkunft benötigt wird.
Bibi Opiela (CDU) wirft erneut die Lenawiese, eine Blühwiese in Lückerath, in die Waagschale als möglichen Standort für einen Neubau: „Es stimmt nicht, dass es gar keine Flächen gibt“, sagt sie, bekommt aber keine Resonanz auf ihren Vorschlag. „Das Personal leidet. Die Kinder leiden. Die Eltern leiden“, sagt Demet Riggers im Gespräch mit dieser Zeitung.
Man sei froh die Kinder unversehrt durch den Tag zu bringen
In vielen Einrichtungen sei man froh, wenn ausreichend Personal da sei, um die Kinder unversehrt durch den Tag zu bringen. Der Bildungsauftrag könne nicht erfüllt werden. „Für Eltern gibt es keinen anderen Weg als zu klagen.“
Im privaten Umfeld seien ihr bisher drei Fälle bekannt, die den Rechtsanspruch für einen Kitaplatz ab dem ersten Lebensjahr durchsetzen wollten. Aber sie kenne viel mehr Fälle, die den Rechtsweg scheuten. Wo das Kind dann erst im Vorschuljahr einen Platz bekommen habe. Oder warten musste, bis es vier ist: „Das ist unfair“, sagt Riggers.
Auch an OGS-Plätzen mangelt es
Die Nachfrage nach einer Ganztagsbetreuung an Grundschulen wird auch in diesem Jahr das Angebot übersteigen. Für das kommende Schuljahr stehen 105 Kinder auf der Warteliste.
Nach dem aktuellen Stand liegt die Versorgungsquote im offenen Ganztag mit 3329 Plätzen bei 79,1 Prozent. Die Kosten betragen 2,065 Millionen Euro. Durch den Bau der beiden Sofortschulen in Refrath und Hebborn kann das außerschulische Angebot erweitert werden.