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160 Arbeitsplätze betroffenIsover stellt Glaswolleproduktion in Bergisch Gladbach ein

Lesezeit 4 Minuten
Auf einem Luftbild ist der Industriebetrieb G+H Isover in Bergisch Gladbach zu sehen.

Glaswolle-Dämmstoffe werden im Isover-Werk westlich der Gladbacher Stadtmitte nur noch bis zum Sommer hergestellt.

160 von 220 Mitarbeitenden der Dämmstofffabrik  sind betroffen – Unternehmen nennt Baukrise als Ursache – Spezialprodukt soll bleiben.

Der 120 Meter hohe Schornstein mit den großen Lettern „G + H“ ist so etwas wie das heimliche Wahrzeichen der Stadt, die Glaswolle, die im Werk darunter industriell hergestellt wird, eine Bergisch Gladbacher Erfindung. Doch damit soll noch in diesem Sommer Schluss sein.

Voraussichtlich Ende Juli werde Isover die Produktion von Glaswolle im Bergisch Gladbacher Werk einstellen, bestätigt Isover-Sprecher Michel Wenger auf Nachfrage. Betroffen seien rund 160 der aktuell 220 Mitarbeitenden in dem Bergisch Gladbacher Werk. Weiterhin dort produziert werden soll der Hochleistungsdämmstoff „Ultimate“. Der mache aber nur einen kleineren Teil der Produktion aus, so Wenger.

„Wie sich der kleinere Bereich dann halten kann, werden wir sehen müssen – auch wirtschaftlich“, sagt der Unternehmenssprecher. Als Grund für die Einstellung der Glaswolleproduktion in Bergisch Gladbach wurden die starken Einbrüche in der Baubranche genannt. Noch dazu würden die in Gladbach hergestellten Glaswolle-Dämmstoffe zu einem großen Teil beim Bau und der Sanierung von Einfamilienhäusern verwendet. Ein Markt, der besonders stark zurückgegangen sei.

Wir werden in jedem Fall alles versuchen, um Lösungen für die Betroffenen zu finden.
Michel Wenger, Leiter Unternehmenskommunikation Isover

„Wir sehen da auch keine Trendwende in den nächsten Jahren“, so Pressesprecher Wenger. Der französische Mutterkonzern Saint-Gobain, der am Produktionsstandort Deutschland ausdrücklich festhalten wolle, werde die   deutsche Glaswolleproduktion künftig in seinem Werk in Speyer zusammenlegen. „Das Werk dort ist größer“, sagt Wenger. „In Bergisch Gladbach hätten wir die Produktion in Deutschland nicht zusammenfassen können.“

Auf einem Schwarz-weiß-Luftbild ist eine Fabrik zu sehen, an die auf der einen Seite Grünflächen, auf der anderen Wohn- und Gewerbebauung anschließen.

Zu Beginn lag das Werk noch am Rande der Stadt, wie diese Aufnahme noch in den 50er Jahren zeigt.

Zudem, so der Unternehmenssprecher, liege das Werk in Speyer auf der grünen Wiese, während der einst am Stadtrand gegründete Gladbacher Standort heute ringsum von der gewachsenen Stadt umgeben sei. „Das war aber für die jetzige Entscheidung nicht ausschlaggebend“, versichert Wenger.

220 Mitarbeitende im Gladbacher Werk wurden bis Donnerstagnachmittag informiert

Bis Donnerstagnachmittag, 16.30 Uhr, wurden die im Vier-Schicht-Betrieb tätigen Mitarbeitenden am Standort Bergisch Gladbach vom Unternehmen über die Pläne informiert. Wer genau von dem Stellenabbau im Gladbacher Werk betroffen sei, sei bislang noch offen, so Wenger. „Das Werk war sehr polyvalent, das heißt, alle haben fast alles gemacht“, so der Unternehmenssprecher. „Wir müssen jetzt ganz schnell ins Gespräch kommen.“ Vorgesehen sei, einen Sozialplan zu erstellen.

Gegebenenfalls könnten Mitarbeitende auch in andere Isover-Werke wechseln. Das nächste ist ein Glaswerk der Saint-Gobain Glass in Köln-Porz, in dem Flachglas hergestellt wird. Das Werk hat sich gerade erst mit Fördermitteln des Bundes auf den Weg gemacht, bei der Glasherstellung klimafreundlicher zu produzieren.

Zum 90-jährigen Bestehen des Werks wurde 2021 noch Millionen-Investition angekündigt

Zum 90-jährigen Bestehen, das der Isover-Standort Bergisch Gladbach im Jahr 2021 beging, hatte der Konzern noch einen Plan bekanntgegeben, demzufolge auch das Werk in Bergisch Gladbach in den kommenden Jahren trotz des hohen Energiebedarfs zum Schmelzen des bis zu 80 Prozent aus Altglas bestehenden Rohstoffs klimaneutral umgebaut werden sollte. Die Rede war von einer Umstellung von Gas auf alternative Energieträger wie Wasserstoff oder grünen Strom, wenn die große Schmelzwanne zum Neubau anstünde.

Rohrschalen aus Ultimate laufen über ein Fließband.

Der Spezialdämmstoff Ultimate, der für Rohrschalen verwendet wird, soll auch weiterhin in Bergisch Gladbach hergestellt werden, macht aber nur einen kleineren teil der derzeitigen Produktion aus.

Das wäre in diesem Jahr der Fall gewesen. „Wir hätten die jeweils nach maximal zehn Jahren zu erneuernde Schmelzwanne in diesem Jahr neu bauen müssen“, bestätigt Unternehmenssprecher Wenger. Dazu wird es nun nicht mehr kommen. Stattdessen wird die große Schmelzwanne stillgelegt und lediglich die kleinere Produktionsanlage für die Produktion von Rohrschalen aus der Hochleistungsmineralwolle Ultimate weiter betrieben.

Es ist eine starke Absicht da, das Werk hier weiterzuführen.
Michel Wenger, Leiter Unternehmenskommunikation Isover

„Beide Öfen funktionieren total autark und unabhängig voneinander“, sagt Wenger und äußert die Hoffnung, dass die Konzentration auf die „Spezialität“ Ultimate den Standort zu sichern helfe. „Es ist eine starke Absicht da, das Werk hier weiterzuführen“, so Wenger.

Für die bislang neben dem Glaswolle-Baudämmstoff in der großen Schmelzwanne hergestellten Nadelvlies-Dämmstoffe, die etwa in Küchenherden zur Wärmedämmung eingesetzt werden, ist noch keine neue Produktionsstätte gefunden. „Da suchen wir noch europaweit nach einer Lösung“, so Wenger. Einen neuen Arbeitsplatz suchen nun 160 Mitarbeitende des Gladbacher Werks.

Einige Mitarbeitende könnten gegebenenfalls auch mit der Produktion nach Speyer wechseln, so Unternehmenssprecher Wenger. „Wir werden in jedem Fall alles versuchen, um Lösungen für die Betroffenen zu finden.“