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„Großen Packen Geld“TV-Meteorologe Karsten Schwanke spricht in Bergisch Gladbach über Folgen der Klimakrise

Lesezeit 5 Minuten
Karsten Schwanke hielt einen Vortrag über die Folgen der Klimakrise.

Karsten Schwanke hielt einen Vortrag über die Folgen der Klimakrise.

Stadt Bergisch Gladbach und Rheinisch-Bergischer Kreis zeigten, wo sich Einwohnende informieren können, wie gefährdet ihre Immobilie bei einer Flut ist.

„Schon kleinere Hügel reichen aus, um Wolken auszuquetschen. Deswegen regnet es im Bergischen Land mehr, als an anderen Orten“, sagte Meteorologe und TV-Moderator Karsten Schwanke. Wolken, die sich von der Nordsee in Richtung Bergisches Land bewegen, würden sie auf ihrem Weg kaum auf Hindernisse stoßen und noch Wasser aufnehmen. Im Bergischen würden sie das erste Mal auf eine Hürde stoßen und anfangen zu regnen.

Schwanke hielt im Kreishaus einen Vortrag über den Klimawandel und seine Folgen. Die Veranstaltung mit dem Fokus auf Hochwasserschutz und Starkregen organisierten der Rheinisch-Bergische Kreis und die Stadt Bergisch Gladbach gemeinsam. „Ich werde immer wieder in Kommunen eingeladen. Besonders von denen, die Klimaschutz stark in ihre Arbeit einbinden“, berichtete der Meteorologe.

Anpassung an die Klimakrise und Klimaschutz stünden laut den Veranstaltern relativ weit oben auf den Prioritätenlisten des Kreises und der Stadt Bergisch Gladbach. „Es gibt noch viel zu tun“, sagte Marcel Görtz aus dem Amt für Mobilität, Klimaschutz und regionale Projekte des Rheinisch-Bergischen Kreises.

Stadt Bergisch Gladbach stellt sich auf Starkregen ein

Ein wichtiger Schritt sei es, die Bürgerinnen und Bürger zu informieren. Deswegen hätten sie auch diese und ähnliche Veranstaltungen organisiert: „Das wichtigste ist, dass sie wissen, ob sie gefährdet sind und was sie tun müssen, um sich zu schützen“, sagte Dr. Andrea Brunsch, Starkregenmanagerin der Stadt Bergisch Gladbach. Die Stadt würde sich schon seit Jahren mit Schutz vor Starkregenereignissen auseinandersetzen: „Ich hatte mein Bewerbungsgespräch tatsächlich noch kurz vor der Flut 2021“, sagte sie. Mit ihrem Team würde sie Konzepte entwickeln, wie sie sich ihren Bürgerinnen und Bürger dabei behilflich sein kann, sich selbst zu schützen (siehe Kasten).

Schwanke kritisierte in seinem Vortrag unter anderem, dass Meteorologen nicht genügend Daten von kleinen Flüssen hätten und so die Bürgerinnen und Bürger nur schwer schützen könnten: „Wir Meteorologen klopfen uns am nächsten Tag stolz auf die Schulter, wenn so viel Regen gefallen ist, wie wir es vorhergesagt haben. Aber was wir nicht wissen ist: Wie hoch steht das Wasser bei den einzelnen Personen vor der Haustüre.“

Deutschland ist zu langsam

Das sei aber entscheidend, um effektive Schutzmaßnahmen umzusetzen. Doch die Politik in Deutschland sei immer noch zu zögerlich, wenn es um effektiven Klimaschutz oder Maßnahmen zur Klimaanpassung gehe: „Wir müssen jetzt einen großen Packen Geld auf den Tisch legen. Andere Länder wie die USA oder die Schweiz sind schon viel weiter als wir“, sagte er. Aus Deutschland und Europa würden schlicht die Antworten auf den Klimawandel fehlen. Das liege auch daran, dass die bürokratischen Hürden so hoch sind.

Doch für Bürokratie fehle die Zeit, da sich das Klima so schnell verändere. „Wir müssen überlegen, was auf uns zukommt, was unsere Pläne dafür sind und wer die bezahlt“, forderte er. Es müsste jetzt schon Gelder eingeplant werden, „damit man, wenn es soweit ist, nur noch eine Schublade aufmachen muss, wo man reinpacken muss“, sagte er. Doch dies sei wohl eher eine Wunschvorstellung.

45 Grad im Sommer kommt vor 2050

Auch wenn besser im globalen vorhersagen könne, wie sich der Klimawandel in den kommenden Jahren auswirke, als im lokalen, sehe man die großen Leitplanken jetzt schon ausmachen: „Hitze, Dürre und Starkregen beeinflussen unser Leben hier am meisten. Ich denke, erst in hundert Jahren oder einigen Jahrhunderten wird der Meeresspiegel so angestiegen sein, dass Küsten verschwinden“, sagte er. Er sei aber überzeugt davon, dass wir die 45 Grad in Deutschland schneller erreichen, als erwartet. Wahrscheinlich schon vor 2050. „Aber ich wurde als Meteorologe schon oft überrascht. Vielleicht kommt das auch noch früher“, meinte er.

Menschen verstehen Klimakrise nicht

Und trotz dieser Aussichten, werde die Politik nicht ausreichend aktiv. Das habe laut Schwanke einen einfachen Grund: „Wir verstehen den Klimawandel nicht. Das menschliche Gehirn ist dafür nicht ausgelegt.“ Das führte er anhand einer kleinen Umfrage durch: Die Zuhörenden sollten schätzen, wie viel Grad der Vortragsraum habe. Die Antworten lagen zwischen 19 und 24 Grad. Niemand schätze die 23,5 Grad, die der Raum tatsächlich hatte, und die er mithilfe eines Schwenkthermometers ermittelte, richtig.

„Wir können nicht auf den Grad genau schätzen, wie warm es ist. Deswegen ist es klar, dass sich viele fragen, was es schon macht, wenn wir über die 1,5 Grad aus dem Pariser Klimaabkommen kommen“, erklärte er. Der Temperaturanstieg sei auch nicht problematisch, wenn er sich über tausend Jahre so entwickelt hätte: „Dann hätten wir hier jetzt eine tropische Umgebung, die mit den Temperaturen keine Probleme hätte“, sagte er. Aber dass sich die Erde in so kurzer Zeit erwärme, sei nicht natürlich und Pflanzen und Lebewesen konnten sich daran nicht anpassen.

Außerdem führten Einschätzungen, wie die, dass ein Ereignis wie die Flut 2021 erst in 400 Jahren wiederholen würde, dazu, dass die Politik zögerlich auf die Klimakrise reagiere. „Wäre ich ein Landrat, würde ich mir auch denken, dass ich es ja nicht beeinflussen kann, was in 400 Jahren passiert“, sagte er. Doch habe er die Wahrscheinlichkeit anhand von genaueren Daten selbst ausrechnen lassen und dabei sei herausgekommen, dass sich statistisch gesehen, so eine Flut schon in 40 Jahren wieder kommen könnte. „Wir müssen verstehen, in welchem Tempo sich das Klima verändert“, sagte er.

Wichtig sei auch, dass sich die Politik nicht nur auf Klimaanpassungen konzentriere, sondern das Klima auch schützt: „Alles, was wir jetzt einsparen ist billiger, als wenn wir hinterher darauf reagieren müssen“, meinte er. Und: „Das System muss sich ändern, aber jeder Einzelne kann zum Beispiel auf Demos dafür sorgen, dass sich das Bewusstsein in der Gesellschaft verändert. Wir sollten alle die Mittel unserer Demokratie nutzen.“